Schwäbische Zeitung (Biberach)
Eine Frage der Gerechtigkeit
14 DFL-Clubs tagen, um über die Aufteilung der TV-Erlöse zu beraten – ein Quartett fehlt
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STUTTGART - Die Frage, wieviel Geld ein Mensch für seine Arbeit verdient, was gerecht ist, ist eine hochphilosophische – und subjektive. Wer wichtiger ist, ob ein Krankenpfleger härter arbeitet oder ein Ingenieur, das ist Geschmackssache. In der freien Arbeitswelt regeln das Ausbildung, Position, Tarife, die Branche und das jeweilige Unternehmen, Steuern sorgen für einen Ausgleich.
Der Fußball hat sich für ein härteres Vorgehen entschieden, für die Extremlösung: Es zählt allein der Erfolg, „the winner takes it all“. Er gibt jenen Clubs am meisten Geld, die vorne liegen und bereits am meisten haben, und es wundert kaum, dass sich diese dadurch mehr und mehr vom Rest absetzen. Es ist die Zementierung des status quo, der bestehenden Kräfteverhältnisse, und für viele ein Teufelskreis – zumindest für Anhänger der Spannung und der Gleichheit wie das Commando Cannstatt. Die Hardcore-Fans des VfB Stuttgart durften am Samstag gegen Frankfurt ein Plakat in die verwaiste Mercedes-BenzArena hängen: „TV-Gelder endlich fair verteilen.“Sie wissen, es geht dagegen.
Tatsächlich steht der deutsche Fußball vor einer Zerreißprobe. Angeheizt und unter Druck gesetzt von der Corona-Krise, die die Clubs nach Jahren des ungebremsten Wachstums durch fehlende Fan- und Sponsoreneinnahmen bis zu 30 Prozent ihrer Umsätze kostet, fordern etliche Vereine eine fairere Verteilung der Medienerlöse, also jener 4,4 Milliarden Euro, die die TV-Sender in den vier Jahren bis 2025 an die 36 DFL-Clubs in der 1. und 2. Bundesliga auszahlen.
Ein Klassenkampf steht bevor, arm gegen reich, klein gegen groß, und wie intensiv er bereits geführt wird, zeigt das Beispiel Karl-Heinz Rummenigge. Der Vorstandschef von Branchenkrösus FC Bayern hat für diesen Mittwoch 14 Erstligaclubs und den Zweitliga-Primus Hamburger SV in den opulenten „Airport Club“nach Frankfurt geladen, um offiziell über vielerlei Dinge zu beraten, etwa die Nachfolge des 2022 scheidenden DFL-Chefs Christian Seifert. Die Geldverteilung spiele nur eine Nebenrolle, beschwichtigt Rummenigge. Dass aber ausgerechnet jene vier Erstligaclubs nicht eingeladen wurden, die kürzlich einen Vorschlag für eine Umverteilung des Gelds von oben nach unten an das DFL-Präsidium schickten, darf als Kriegserklärung gewertet werden.
Der FC Augsburg, Bielefeld, Mainz und der VfB, dessen Präsident Claus Vogt sich seit Jahren für mehr Fairness im Fußball einsetzt, müssen also draußen bleiben. In ihrem Positionspapier, das bereits 14 Unterstützer hat, vor allem aus der 2. Liga, fordern die Ausgeboteten etwa, dass der Erstliga-Erste künftig maximal doppelt so viel Geld erhalten darf wie der Letzte. Derzeit bekommt Meister FC Bayern 70 Millionen Euro, Schlusslicht Arminia Bielefeld 30, durch die internationalen TV-Einnahmen beträgt das Verhältnis jedoch in der Realität 4 zu 1. Zudem soll die 2. Liga mehr Geld erhalten, nationale und internationale TV-Einnahmen künftig in einen Topf wandern. Auch 20 Prozent der Europacup-Erlöse, also 50 Millionen Euro statt wie bisher nur acht, sollen demnach an die 2. Liga gehen. Verlierer bei dieser Regelung wären die Champions-LeagueTeilnehmer, insbesondere Rummenigges Bayern. Der Mainzer Finanzchef Jan Lehmann sagt: „Wir wollen wieder mehr sportlichen als wirtschaftlichen Wettbewerb. Wir haben durchaus ein mehrheitsfähiges Papier.“
In dem steht noch mehr Kreatives, etwa die Forderung eines „neuen Leistungskriteriums zur Belohnung der relativen sportlichen Leistung“. Platzierungen sollen also künftig ins Verhältnis zum wirtschaftlichen Investment der Vereine gesetzt werden.
„Wir haben durchaus ein mehrheitsfähiges
Papier.“
Clubs wie Augsburg, der SC Freiburg, Mainz oder Heidenheim, die seit Jahren mit kleinen Mitteln overperformen, also über ihre Verhältnisse spielen, würden davon profitieren, Wolfsburg, Schalke oder der HSV wären die Verlierer. Auch Oliver Leki, Freiburgs Finanzchef, machte sich bereits für eine derartige Effizienzquote stark. Leki, grundsätzlich kein Freund der Gleichverteilung („Das läuft dem Leistungsgedanken im Sport zuwider“), ist eines der neun Mitglieder, die bis Ende Dezember über die Geldverteilung urteilen werden. Pikanterweise sind in dem Gremium erstmals die kleinen Clubs in der Überzahl.
Die haben allerdings mächtigen Gegenwind von den Topclubs, die den Besitzstand wahren wollen: „Wenn am Ende mehrheitlich die Vereine der zweiten Liga entscheiden, welche Fernsehgelder die Vereine der ersten Liga bekommen, ist das ein völlig indiskutables Szenario“, sagt etwa Bayer Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro und schlug vor, 2. und 3. Liga sollten sich künftig selbst vermarkten.
Der Mainzer Finanzchef Jens Lehmann über die Umverteilung der TV-Gelder zugunsten kleiner Clubs
In Frankfurt dürfte es hoch hergehen, zumal es auch unter den 15 geladenen Clubs Befürworter einer Umverteilung gibt, neben Freiburg auch Werder Bremen und der 1. FC Köln. Werder-Sportchef Frank Baumann jedenfalls hält von Rummenigges Konzept der Ausgrenzung gar nichts: „In Anbetracht der aktuellen Herausforderungen und im Sinne der Solidarität hätten wir uns gewünscht, dass alle Bundesligisten eingeladen werden“, sagt er. Ähnlich sehen es die Mainzer. Es sei „legitim, dass man sich austauscht“, aber ein „merkwürdiges Verhalten, wenn Teile der Liga ausgeschlossen“würden. Finanzvorstand Lehmann fügt an, dass das eigene Positionspapier zwar im kleineren Kreis erarbeitet wurde, aber alle Clubs darüber informiert wurden.
Gar kein Mitsprachrecht haben offenbar die Fans und Vertreter der Taskforce „Zukunft Fußball“, die über Konsequenzen aus den Misständen im Profifußball berät, die in der Pandemie offenbar wurden. „Wir haben von diesem Treffen aus der Presse erfahren“, sagt Helen Breit von der Faninteressensgemeinschaft „Unsere Kurve“und fordert Aufklärung. „Für uns Fans ist klar: Wir brauchen eine deutlich gleichmäßigere Verteilung der TV-Gelder und grundlegende Reformen für einen nachhaltigen und basisnahen Profifußball.“