Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Dunkle Wolken“stören Löw nicht – dafür die Terminhatz
Joachim Löw wollte auf die angeblich negative Stimmung von außen nicht näher eingehen – doch Gelegenheit zur Kritik fand er dennoch
LEIPZIG (SID) - Joachim Löw legte die Stirn in Falten und überlegte angestrengt. Doch die „dunklen Wolken über der Nationalmannschaft“, die Oliver Bierhoff in seiner Brandrede angeprangert hatte, sah der Bundestrainer nicht. „Es ist eine unglaubliche Motivation zu spüren, ein unglaublicher Wille und eine große Freude“, sagte Löw : „Es macht Spaß – und den Spielern auch. Man spürt eine große Energie.“
Löw wollte vor dem letzten Test des gefühlt verlorenen Länderspieljahres (20.45 Uhr/RTL) in Leipzig gegen Tschechien nicht mehr zurückblicken. Ja, auch er spüre, „dass die Stimmung von außen ein bisschen anders“sei, so Löw, manche Beurteilung tue „auch weh“. Aber: „Ich weiß, dass es ein schwieriger und steiniger Weg ist, auf dem man Widerstände überwinden muss.“Davon gibt es angesichts der Corona-Pandemie und der Terminhatz reichlich.
„Der Terminkalender ist zu voll. Vieles wird auf dem Rücken der Spieler ausgetragen“, kritisierte Löw, der beim ersten Training am Montag gerade einmal mit acht (!) Profis arbeiten konnte: „Wenn wir Trainer jetzt nicht die höchste Vorsicht walten lassen, haben wir nächstes Jahr ein großes Problem.“Schwere Verletzungen wie die von Mittelfeld-Ass Joshua Kimmich seien auch eine Folge dessen, „die Spieler werden ständig getrieben“, so Löw.
So sieht es auch Kapitän Manuel
Neuer, der gegen Tschechien genau wie die anderen Bayern-Stars sowie Toni Kroos, Timo Werner und Matthias Ginter geschont wird: „So eine Saison hat es noch nie gegeben und wird es hoffentlich auch nie wieder geben.“Löw muss die Belastungen steuern, deswegen dürfen sich gegen Tschechien Profis aus der zweiten Reihe wie Torhüter Kevin Trapp und Stürmer Luca Waldschmidt beweisen. Für die abschließenden National-League-Gruppenspiele in Leipzig gegen die Ukraine (14. November) und in Sevilla gegen Spanien (17. November/beide 20.45 Uhr, ZDF) greift Löw dann wieder auf sein ATeam zurück. Außerdem hofft er auf die Nachnominierung von Abwehrchef Niklas Süle, der nach einem positiven Corona-Befund „mehrmals negativ getestet“worden sein soll.
Süles Mitwirken in den NationsLeague-Duellen wäre immens wichtig, denn die zuletzt anfällige Defensive muss gegen die Ukraine und gegen Spanien stabiler stehen. Neben dem Gruppensieg ist auch ein erneuter sportlicher Abstieg in der Nationenliga möglich, „wir müssen in Alarmstellung sein“, sagte Bierhoff.
Das Spiel gegen Tschechien, das von Corona-Fällen deutlich stärker betroffen ist als die DFB-Auswahl, soll den nötigen Schwung dafür geben. Löw erwartet „keinen HauruckFußball“vom Weltranglisten-45., dafür aber „ein sehr gepflegtes Umschaltspiel mit technisch guten Spielern“. Die Kapitänsrolle dürfte Ilkay Gündogan von Neuer übernehmen, sollte der Profi von Manchester City von Beginn an auflaufen.
Gündogan, den seine Corona-Erkrankung zwischenzeitlich heftig aus der Bahn geworfen hatte, fühlt sich wieder „voll im Rhythmus und voll einsatzfähig“– und bereit für die Binde: „Ich versuche, mit Leistung vorne wegzugehen, und wenn die Spieler einen Rat brauchen oder ich etwas ansprechen muss, dann werde ich das natürlich auch machen.“
Philipp Max, Felix Uduokhai und Ridle Baku könnten ihr Debüt im Nationaltrikot geben.
Die englische Nationalmannschaft könnte ihr Nations-League-Spiel gegen Island am Mittwoch möglicherweise in Deutschland austragen. Laut einem Bericht der „Times“
falls England das Match am 18. November wegen der neuen Coronavirus-Regelungen nicht wie geplant im Londoner WembleyStadion bestreiten kann. Seit Samstag steht Dänemark in Großbritannien auf der Liste der Länder, aus denen die Einreise für Nicht-Briten verboten ist. Das isländische Nationalteam spielt am Sonntag, drei Tage vor dem Spiel gegen die Three Lions, in Kopenhagen gegen Dänemark und dürfte Stand jetzt dann nicht ins Vereinigte Königreich einreisen. Der Verband hofft auf eine Ausnahmeregelung für Island.