Schwäbische Zeitung (Biberach)
Verfassungsfeinde dürfen vorerst bleiben
Fraktionschefs von Grünen, CDU, SPD und FDP können sich nicht auf schärfere Regeln einigen
STUTTGART (lsw) - Verfassungsfeinde im Landtag müssen auf absehbare Zeit keinen Entzug ihres Mandats fürchten. Die Fraktionschefs von Grünen, CDU, SPD und FDP konnten sich am Donnerstag auf kein Vorgehen einigen. Zuvor hatten sie auf Initiative von SPD-Fraktionschef Andreas Stoch über schärfere Sanktionen für Verfassungsverstöße von Abgeordneten im Parlament diskutiert.
Stoch wirbt dafür, Abgeordneten, die extremistisches Gedankengut verbreiten, das Mandat zu entziehen. Konkret hat der SPD-Landeschef bei seiner Initiative den Landtagsabgeordneten Stefan Räpple (ehemals AfD) im Blick, der Ende September bei einer Demo in Mainz öffentlich zum Staatsumsturz aufgerufen haben soll. Deshalb ermittelt auch die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz gegen den Politiker. „Alle Fraktionen sind der Auffassung, dass man nicht wehrlos zuschauen kann, was hier passiert“, sagte Stoch nach dem Gespräch mit den Fraktionschefs. „Gleichzeitig besteht Zurückhaltung, dass man wegen eines Falls Räpple jetzt bis hin zu einer Verfassungsänderung geht, weil man der Person damit unnötig Ehre machen würde.“Weitere Gespräche sollen laut SPD aber folgen.
Räpple ist mittlerweile nicht mehr Mitglied von Partei oder Fraktion,
bleibt aber Abgeordneter. Laut Landesverfassung ist eine Mandatsenthebung nur möglich, wenn ein Abgeordneter seine Stellung „in gewinnsüchtiger Absicht“missbraucht. Aber der Aufruf zum Staatsstreich wiege schwerer, sagte Stoch.
Die Grünen zeigten sich offen für den SPD-Vorstoß. „Es ist absolut notwendig, dass wir unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung schützen und die Funktionsfähigkeit des Parlaments gewährleisten“, sagte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz am Donnerstag. „Deshalb werden wir in der nächsten Legislaturperiode die Landesverfassung und die parlamentarischen Vorschriften auf ihre Krisenfestigkeit und Wehrhaftigkeit gründlich überprüfen.“Man wolle sicherstellen, dass verfassungsfeindliches Verhalten durch Mandatsträger nicht möglich sei.
CDU und FDP sind jedoch skeptisch. „Mit dem Instrument des Mandatsentzugs sollte man sehr zurückhaltend umgehen, wie insgesamt mit Eingriffen in die Verfassung“, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke.
„Eine Erscheinung wie Herr Räpple ist wenig erfreulich, aber die Demokratie ist stark genug, um solche Leute auszuhalten.“Momentan stünden gesetzgeberische Maßnahmen nicht an.
„Wir sollten Herrn Räpple nicht den Gefallen tun, ihn mit einer Art ,Lex Räpple’ in bestimmten Kreisen zum Märtyrer zu machen“, betonte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart. Er verwies auf die hohe verfassungsrechtliche Bedeutung des freien Mandats. Die Verankerung eines politisch begründeten Mandatsentzugs in der Landesverfassung sei grundsätzlich nicht der richtige Schritt. In einem Brief an Stoch von Mitte Oktober wies Reinhart darauf hin, dass das Parlament seine demokratische Wehrhaftigkeit mit den Mitteln des parlamentarischen Ordnungsrechts beweisen müsse. Zudem werde Räpple dem nächsten Landtag mit aller Wahrscheinlichkeit sowieso nicht mehr angehören.
Aus Sicht der AfD ist Stochs Vorschlag verfassungsfeindlich. „Die AfD widerspricht im Interesse aller Volksvertreter Vorschlägen zur Aberkennung der Mandate oppositioneller Landtagsabgeordneter wegen angeblicher ,Parlamentsunwürdigkeit’“, hatte Fraktionschef Bernd Gögel vor Kurzem betont.