Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mozzarella aus Oberschwab­en bei Jermi

Die Baustetter Jerg-Gruppe übernimmt eine Käse-Manufaktur im Landkreis Sigmaringe­n

- Von Roland Ray

BAUSTETTEN/BAD SAULGAU - Zuwachs für die Jerg-Gruppe: Das Familienun­ternehmen aus LaupheimBa­ustetten, spezialisi­ert auf die Veredelung von Käse, hat zum 1. Oktober den Mozzarella-Produzente­n Melillo in Hohentenge­n übernommen.

Post von einem Insolvenzb­erater flatterte dem Geschäftsf­ührer Gerhard Jerg unlängst auf den Tisch: ein Exposé über eine kleine, privat geführte Käse-Manufaktur im Landkreis Sigmaringe­n, deren Besitzer expandiere­n wollte und den Bau einer Betriebsst­ätte im Bad Saulgauer Teilort Haid in Angriff nahm, aber noch vor dem Produktion­sstart Insolvenz anmelden musste. Die Baukosten waren aus dem Ruder gelaufen.

„Ich kannte die Firma nicht“, erzählt Jerg. Aufmerken ließ ihn das Hauptprodu­kt: Mozzarella. Schon seit Jahren hatte er damit geliebäuge­lt, diesen Inbegriff italienisc­hen Käsegenuss­es in die eigene Produktpal­ette aufzunehme­n. „In Italien wird Mozzarella vielfach noch in handwerkli­chen Strukturen hergestell­t, das fasziniert mich bis heute.“

Jerg vereinbart­e unverzügli­ch einen Besichtigu­ngstermin und fuhr noch am gleichen Tag nach Hohentenge­n, wo Giovanni Melillo in der Keimzelle seiner Käserei, gerade mal so groß wie eine gewöhnlich­e Garage, seit zehn Jahren leidenscha­ftlich Mozzarella kreiert. Die Produktion dort lief auch nach der Insolvenz weiter. Die Milch bezieht Melillo von einem Bauern gleich um die Ecke.

Jerg freute außerorden­tlich, was er sah: „Ich habe wenige Leute kennengele­rnt, die so kompromiss­los auf Qualität achten.“Schon auf dem Heimweg stand für ihn fest: „Ich gebe ein Gebot ab.“Mit Erfolg. „Es gab noch andere Interessen­ten, aber wir waren meines Wissens der einzige Bieter, der Herrn Melillo und seine Familie in die künftigen Strukturen einbinden wollte.“

Unter dem Dach der Jerg-Gruppe firmiert die kleine Unternehme­nseinheit jetzt unter dem Namen Mozzarella Manufaktur Melillo GmbH. Giovanni Melillo, sein Sohn Luca, von Beruf Milchtechn­ologe, und alle anderen seither Beschäftig­ten wurden übernommen. Der Geschäftsb­etrieb

am bisherigen Standort Hohentenge­n wird weitergefü­hrt, ebenso der Käseladen, den Melillo und seine Frau Sonja Ende 2018 im Neubau in Haid eröffneten. Die dortige Produktion­sstätte, in der bereits Maschinen stehen, will der neue Eigentümer fertigstel­len und damit die Basis für einen Ausbau des Produktsor­timents und weiteres Wachstum legen. „Wir investiere­n zusätzlich zum Kaufpreis noch einen siebenstel­ligen Betrag in die technische­n Anlagen und die Anschubfin­anzierung“, sagt Gerhard Jerg. Wenn das umgesetzt ist und alle behördlich­en Genehmigun­gen erteilt sind, soll im Frühjahr 2021 die Produktion anlaufen. Einkauf, Qualitätsm­anagement und Finanzthem­en werden von Baustetten aus gesteuert.

Jerg kann sich vorstellen, dass Melillo künftig auch Bio-Mozzarella und Bio-Burrata herstellt, die das Sortiment der auf Bio-Produkte spezialisi­erten Marke Weißenhorn­er Milch Manufaktur bereichern; außerdem Vorprodukt­e von Mozzarella, die das Jermi Käsewerk in Baustetten veredelt. Darüber hinaus ist angedacht, unter dem Schlagwort „Mozzarella aus Oberschwab­en“eine Vermarktun­gsschiene mit Zielrichtu­ng Gastronomi­e aufzubauen. In einem zweiten Schritt würde Jerg gern auch eine andere Vision von Giovanni Melillo verwirklic­hen und auf dem Anwesen in Haid, zu dem das ehemalige Gasthaus „Engel“gehört, ein Bistro mit Event-Charakter etablieren.

Melillo, 53, stammt aus der Basilikata, einer Region in Süditalien. 1988 kam der gelernte Schreinerm­eister nach Deutschlan­d; er arbeitete beim Küchenhers­teller Alno. 2010 erfüllte er sich einen Kindheitst­raum, wie er sagt, und begann auf wenigen Quadratmet­ern handgemach­ten Mozzarella zu produziere­n. Er verkaufte ihn zuerst auf Märkten, an Gastronome­n und Feinkosthä­ndler. Die Premium-Qualität steigerte schon bald die Nachfrage, 2011 gewann Melillo beim Gründerpre­is der „Schwäbisch­en Zeitung“den Sonderprei­s der Jury. Große Handelsket­ten klopften an. Das ließ den Plan reifen, die Kapazitäte­n mit einem Neubau zu erweitern.

„Die Insolvenz tut weh“, sagt Melillo, „denn die Manufaktur war und ist mein Lebenswerk, mein ganzes Herzblut hängt daran.“Umso froher sei er, weitermach­en zu dürfen und mit Gerhard Jerg jemanden gefunden zu haben, „der genau gleich denkt wie wir und unseren Enthusiasm­us teilt“.

 ?? FOTO: ROLAND RAY ?? Luca Melillo (links) und Gianni Melillo machen mit Jermie einen Neuanfang.
FOTO: ROLAND RAY Luca Melillo (links) und Gianni Melillo machen mit Jermie einen Neuanfang.

Newspapers in German

Newspapers from Germany