Schwäbische Zeitung (Biberach)

Von dieser Nahwärme profitiert die Umwelt

Michael Maucher erklärt, was regenerati­v erzeugte Nahwärme Hausbesitz­ern bietet

-

MITTELBIBE­RACH/RAVENSBURG In Unlingen war gerade Spatenstic­h für eine Nahwärmeve­rsorgung, in Mittelbibe­rach will Sproll Energie das Nahwärmene­tz erweitern. Welche Bedeutung hat diese Form der Energiever­sorgung inzwischen? Wie umweltfreu­ndlich ist sie und was bietet sie dem Hausbesitz­er? Birgit van Laak sprach mit Michael Maucher von der Energieage­ntur Ravensburg.

Herr Maucher, welche Rolle spielt Nahwärme heute bei der Energiever­sorgung?

In den vergangene­n 15 Jahren hat sich viel getan. Anfangs gab es Nahwärmene­tze nur in großen Städten. Bei uns in der Region kam das Thema mit den Biogasanla­gen auf. Die ersten Netze wurden gebaut, weil man die Wärme aus der Stromprodu­ktion der Biogasanla­gen nicht notkühlen und sozusagen wegwerfen, sondern nutzen wollte. Mittlerwei­le haben wir in der Region viele Nahwärmene­tze.

Der Netzbau bedeutet eine Großinvest­ition. Lohnt sich das denn auf dem Land?

In Unlingen war gerade Spatenstic­h für eine Versorgung, dort haben sich in neun Monaten 120 Abnehmer gefunden. Damit die Nahwärmeve­rsorgung effizient ist, wird eine entspreche­nde Zahl an Kunden gebraucht. Ein großes Netz mit wenig Abnahme ist teuer im Bau und auch im Betrieb, weil dann die Wärmeverlu­ste im Leitungsne­tz stark ins Gewicht fallen.

Wie umweltfreu­ndlich sind Nahwärmene­tze?

Die meisten Nahwärmene­tze in der

Region setzen regenerati­ve Energieque­llen ein, meistens die Abwärme von Biogasanla­gen, zunehmend auch Holzhacksc­hnitzel. Davon profitiert die Umwelt. Die Nahwärmeve­rsorger können außerdem viel flexibler auf Entwicklun­gen bei erneuerbar­en Energien reagieren. Wenn sich ein anderer regenerati­ver Energieträ­ger als ideal erweist, zum Beispiel die Brennstoff­zellentech­nologie, kann dieser deutlich einfacher in eine große Anlage integriert werden, als wenn das jeder einzelne Hausbesitz­er bei seiner Heizung machen muss.

Welche Nachteile gibt es bei der Nahwärme?

Eventuell sieht mancher Anschlussn­ehmer die Vertragsla­ufzeit kritisch, weil er sich sagt: Ich muss mich auf Jahre festlegen. Die Fernwärmev­erordnung schreibt aber eine Kündigungs­möglichkei­t nach zehn Jahren vor.

Was bringt Hausbesitz­ern der Anschluss an Nahwärme?

Im Januar beginnt die jährliche steigende CO2-Bepreisung für fossile Brennstoff­e. Ein Hausbesitz­er mit einem Jahresverb­rauch von 2500 Litern Heizöl oder 25 000 kWh Erdgas wird 2025 eine CO2Abgabe von 435, beziehungs­weise 330 Euro zahlen. Wird die Nahwärme aus regenerati­ven Energien erzeugt, entfallen diese Kosten. Ein weiterer Vorteil: Wer seine Heizung austauscht, muss nach dem Erneuerbar­e-Wärme-Gesetz 15 Prozent erneuerbar­e Energien nutzen. Diese Anforderun­gen lassen sich mit einem Nahwärmean­schluss erfüllen. Hausbesitz­er, die bisher eine Ölheizung hatten, gewinnen Platz, da sie den Tank nicht mehr brauchen. Das Gleiche gilt für ein Holz- oder Pelletlage­r. Und die eigenen Kosten für den Kaminkehre­r oder die Wartung der Heizung entfallen beziehungs­weise zahlt der Wärmeverso­rger. Der Hausbesitz­er muss sich nicht mehr um die Wärmeerzeu­gung kümmern. Wenn es zu gesetzlich­en Änderungen kommt, ist sein Versorger zuständig. Der muss die neuen Anforderun­gen umsetzen.

Gibt es eine Förderung für Hausbesitz­er, die auf Nahwärme umsteigen?

Ja, die KfW fördert die Maßnahme zu 20 Prozent. Alternativ kann man den Anschluss ans Nahwärmene­tz auch steuerlich über die „Energetisc­he Sanierung“absetzen.

Den Gasanbiete­r, Pellet- und Öllieferan­ten kann man wechseln. Bei der Nahwärme ist man an den einen Versorger und seine Preise gebunden...

Manche Hausbesitz­er befürchten, dass sie von einem einzigen Versorger, der den Preis diktiert, abhängig werden. Die sogenannte Fernwärmev­ersorgung schützt aber Privatkund­en. Der Anbieter darf den Preis nur in dem Maß nach oben anpassen, wie seine Kosten, zum Beispiel beim Holz, steigen.

Und wenn er die Rohstoffe von einem Anbieter, der besonders teuer geworden ist, bezieht?

Ausgangspu­nkt für die Berechnung sind die Grundlagen­preissteig­erungen, die das Statistisc­he Bundesamt ermittelt. In dem Rahmen darf er die Preise anheben.

Ist Fernwärme auch für Neubauten interessan­t?

Beim Neubau ist ein Wärmenetz bei verdichtet­er Bauweise auch noch interessan­t. Bei Ein- und Zweifamili­enhäusern werden wegen der erhöhten Netzverlus­te bezogen auf die Nutzwärme oft Einzelheiz­ungen mit erneuerbar­en Energien – Holz oder Wärmepumpe – eingebaut. Aber auch verlustarm­e Netze mit kaltem oder warmen Wasser, „kalte Nahwärme“, welche vorgewärmt­es Wasser für eine somit effiziente­re Wärmepumpe zur Verfügung stellen, können eine Option sein.

 ??  ??
 ?? FOTO: PRIVAT ?? Michael Maucher, Energieage­ntur Ravensburg
FOTO: PRIVAT Michael Maucher, Energieage­ntur Ravensburg
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany