Schwäbische Zeitung (Biberach)
Herausforderung angenommen
Hermann Weinbuch geht nach einem Frühjahr des Zweifels in einen weiteren Winter als Bundestrainer der Kombinierer
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eweisen muss er niemandem mehr irgendwas. Wäre es anders, Hermann Weinbuch könnte Zahlen anführen. Hinlänglich bekannte Zahlen – denn wann immer in der Nordischen Kombination ein Wettbewerb ansteht, der die wohl anspruchsvollste aller Wintersportarten aus ihrer Nische rückt, passiert zweierlei: Hermann Weinbuchs Berufsbezeichnung „Bundestrainer“wird um das Attribut „erfolgreichster“erweitert, und eine (Stand 27. November 2020) 52 taucht auf. 52 Medaillen haben Hermann Weinbuchs Athleten bei einschlägigen Großereignissen bislang gewonnen, Nachrechnen dauert ... und ergibt je fünfmal Gold und Silber sowie vier bronzene Plaketten bei Olympia, je 15 Titel und zweite Plätze sowie achtmal Bronze bei Nordischen Ski-Weltmeisterschaften. Veredelt wird all das durch acht Gesamtweltcup- und elf Weltcup-Nationenwertungssiege.
Beweisen muss Hermann Weinbuch – erste Amtszeit 1992/93, zweite Amtszeit seit 1996 ununterbrochen – definitiv nichts mehr. Und doch gab es da eine Mission, einen Antrieb, als es am Donnerstag in Kuusamo mit Qualifikation und Provisorischem Wettkampfsprung für Saison-Weltcup Nr. 1 wieder Ernstfall wurde: Norwegen hat den Winter 2019/20 dominiert, in Person vor allem des 23-jährigen Jarl Magnus Riiber, eines auf der Schanze Hochbegabten. Seine Luftfahrten verschoben Grenzen, seine Weiten wurden zum Maß aller Sprünge,
er siegte (auch, weil er läuferisch erneut gehörig zugelegt hatte) bei 17 Starts unverschämt starke 14 Mal.
Folge des Riiber’schen Hangs zur späten Landung waren Anlaufverkürzungen durch die Jury. Folge der Anlaufverkürzungen für die Konkurrenz waren noch mehr fehlende Meter (weniger Anlauf = weniger Geschwindigkeit = mehr Notwendigkeit, absolut sauber zu springen), waren letztlich zu große Rückstände auf der Skating-Runde. „Über fast ein Jahrzehnt“sind die Frenzels, Rdyzeks, Rießles „ganz, ganz oben geschwommen“; eigentlich, weiß Hermann Weinbuch, sei es „eh schon fast unmenschlich“gewesen, „was die Jungs erreicht haben“. Und nun definiert einer die Hierarchien – ja, (s)einen Sport – völlig neu. Hermann Weinbuch: „Der Riiber schafft es, dass Veränderungen stattfinden müssen, will man ihn schlagen. Er hat uns gezwungen, dass wir anders herangehen, die Kombination anders sehen – und letztendlich auch anders trainieren. Diese Herausforderung haben wir angenommen.“
Jetzt, im Corona-Sommer. Konzentriert, motiviert. Erkannt war das Fehlerbild im Kombinationssprung made in Germany schon länger. Nur sind Korrekturen im laufenden Weltcup-Betrieb schwierig, nur hemmt jegliche Verunsicherung. Und die war zu greifen. Sie sollte nicht ohne Folgen bleiben: Im Mai quittierte Ronny Ackermann seinen Dienst, nach neun Jahren im Trainerteam Hermann Weinbuchs. Als analytisch und kommunikativ galt der frühere Weltklasse-Kombinierer (sein Bundestrainer:
Hermann W.), die Schanze war sein Beritt. Nun befand er, dass neuer Input gut täte, dass andere die Impulse hin zum Besseren setzen sollten.
Auch Hermann Weinbuch hat Ähnliches ernsthaft für sich in Betracht gezogen, so erzählte er dieser Tage beiläufig-freimütig. Sinniert habe er lange, „ob ich noch die richtige Person bin, ob ich den Jungs wirklich noch helfen kann, sie vorwärtsbringen kann“. Der 60-Jährige stellte die Vertrauensfrage: „Ich hab’ den Jungs gesagt, wie ich mir das vorstell’. Ich hab’ gesagt: ,Wenn ihr mich noch unbedingt haben wollt, dann brauch’ ich von euch ein klares Statement.‘“
Das Votum – gewünscht klar! – kam. Heinz Kuttin kam. Die Skisprungkompetenz des 49-jährigen Österreichers ist unstrittig, seine Aufgeschlossenheit auch für Unkonventionell-Innovatives bekannt. Gespräche vorab zeigten: Die Ideen passten, die Chemie stimmt. „Menschlich ein feiner Kerl“sei Heinz Kuttin, „ein sehr gutes Einfühlungsvermögen“attestiert Hermann Weinbuch dem Ackermann-Nachfolger außerdem, „eine Überzeugung, eine hohe Autorität“. Kurz: „sehr viel, was wir gesucht haben und auch brauchen in unserer Situation“. Sehr viel, was helfe, effektiv „an der Absprungdynamik“zu arbeiten „Und dann natürlich am ersten Drittel, am Übergang, dass wir da mehr Drehung und mehr Geschwindigkeit bekommen.“
Der Vorsatz vor Kuusamo und allem danach einschließlich HeimWM 2021 in Oberstdorf: „Es reizt uns natürlich, jetzt wieder die Nummer 1 der Welt zu werden, momentan sind wir die Nummer 2.“Die Ist-Analyse vor Kuusamo und allem danach ... : „Wir sind sicherlich rangekommen, aber ob wir schon Möglichkeiten haben, Jarl Magnus Riiber zu schlagen, das wird die Saison zeigen.“Den Provisorischen Wettkampfsprung in Finnland sprang genau einer besser als Norwegens Dominator (der später wegen eines nicht regelkonformen Anzugs disqualifiziert werden sollte): Manuel Faißt vom SV Baiersbronn. Seine 147,5 Meter waren eine Klasse für sich. Ein erster Schritt.
Hermann Weinbuch hat durchgeatmet. Merklich. Kurz.