Schwäbische Zeitung (Biberach)

Hinauf auf den Kilimandsc­haro

Hans Beggel fährt trotz Reisewarnu­ng nach Tansania – und erlebt dort ein Abenteuer

- Von Daniel Häfele Stehklos in den Camps.“

BERKHEIM - Für viele Länder und Regionen gelten laut Auswärtige­m Amt noch immer Reisewarnu­ngen wegen der Corona-Pandemie. Wer trotzdem reist, sieht sich schnell dem Vorwurf ausgesetzt, unverantwo­rtlich zu handeln. Dessen ist sich auch der Berkheimer Hans Beggel bewusst. Vor Kurzem bestieg er den Kilimandsc­haro, das höchste Bergmassiv Afrikas. Als pensionier­ter Berufssold­at – er war auch in Afghanista­n im Einsatz – hat er Erfahrung darin, Risiken einzuschät­zen.

„Die Entscheidu­ng trotz Reisewarnu­ng meine Reise Anfang Oktober anzutreten, ist mir nicht leichtgefa­llen. Das Sicherheit­skonzept vor Ort und das Argument von Alpine Welten, die Durchführu­ng unserer Kili-Reise bedeutet für die eingesetzt­en Männer, dass diese für zwei Monate ihre Familien ernähren können, waren Hauptgründ­e meiner Entscheidu­ng. Aber auch die Tatsache, dass im September die Reise schon einmal erfolgreic­h durchgefüh­rt wurde, trug mit dazu bei.“(Hier und im Folgenden handelt es sich bei den kursiv gesetzten Passagen um Auszüge aus einem Reiseberic­ht, den Hans Beggel verfasst und auf seiner Webseite veröffentl­icht hat.)

Familie und Freunde reagierten unterschie­dlich auf seinen Entschluss. „Etwa die Hälfte konnte meine Beweggründ­e für die Reise nachvollzi­ehen, die andere Hälfte schüttelte den Kopf“, sagt Beggel. Eigentlich wollte er schon im März nach Tansania fliegen, um am 29. März auf dem Gipfel zu stehen. An diesem Datum hatte er seinen 60. Geburtstag. „Zwei Tage vor dem Abflug kam der erste Shutdown“, schildert er. Seinen „Runden“feierte er stattdesse­n beim Grillen im Garten.

„Nach Ankunft und einer Nacht in einem luxuriösen Hotel ging es zunächst zum Aruscha Nationalpa­rk in Tansania mit zwei Gipfelziel­en – dem Little Mount Meru (3820 Höhenmeter) und dem Mount Meru (4566 Höhenmeter). Für den letzteren starteten wir um 1.30 Uhr und waren um 6.30 Uhr am Gipfel. Wir erlebten einen unglaublic­h schönen Sonnenaufg­ang mit der traumhafte­n Hintergrun­dkulisse des Kilimandsc­haros. Dieser Anblick ließ die Freude auf unser nächstes Gipfelziel noch einmal wachsen.“

Beggel liebt die Berge. Dutzende Bilder sind auf seiner Homepage zu entdecken, die ihm seine Kollegen zum Ruhestand geschenkt hatten. Zugspitze, Alpenüberq­uerung oder Schneeschu­htouren haben es ihm besonders angetan. Mit der Besteigung des Kilimandsc­haros erfüllte er sich einen Traum, war er zuvor doch noch nie in Afrika. „Die körperlich­e Fitness ist nicht so sehr entscheide­nd. Wichtiger ist, mit der geringeren Sauerstoff­sättigung klarzukomm­en“, sagt der Bergführer. Insgesamt dauerte der Aufstieg fünf Tage. 16 Einheimisc­he begleitete­n ihn und seine zwei Mitstreite­r. Die Begleiter kümmerten sich beispielsw­eise um den Aufbau und den Transport des Lagers sowie die Verpflegun­g.

„Wir marschiert­en zum Shira Camp (3840 Höhenmeter) in eine Art Moorlandsc­haft mit Erikazeen Stangen, Moosen, Flechten, Lava-Felsen und mit einem Ausblick auf den Kilimandsc­haro. Wie immer war das Küchenzelt schon aufgebaut und unser exzellente­r Koch hatte schon eine warme Suppe parat. Alle Camps waren fast leer. Statt 300 Bergsteige­rn waren dort maximal zehn Gipfelaspi­ranten. Ich nutzte unser mitgeführt­es Chemieklo kaum und ging fast immer auf die sauberen (da keine Leute)

Allein schon wegen der Menschenle­ere fürchtete er keine Ansteckung mit dem Coronaviru­s. In Großstädte­n wie München sei das Risiko um einiges höher, vermutet Beggel. Den Afrikanern seien die Gefahren des Virus mindestens so bewusst wie den Deutschen: „Anders als bei uns sind sie der Erkrankung schutzlos ausgeliefe­rt, weil sie kaum Zugang zu einer medizinisc­hen Versorgung haben.“Er habe sich zu jeder Zeit sicher gefühlt, weil sich die Begleiter sehr stark um die Hygiene bemühten.

„Wieder empfing uns der Koch am Lava Tower auf 4500 Metern mit freundlich­er Miene, Nudeln und Gemüse zum Stärken. Er war erstaunt, dass wir Schwaben auch in solcher Höhe einen unglaublic­hen Appetit haben. Am vorletzten Tag musste noch ein Sonderträg­er mit zusätzlich­er Verpflegun­g für uns zum Camp hochsteige­n.“

Er habe die Einheimisc­hen als äußerst dankbar erlebt, sagt er. „Die Mannschaft um unseren Reiseführe­r Seba Tenga hatte seit acht Monaten kein Einkommen“, erzählt Beggel. Ein soziales Netz gebe es genauso wenig wie andere Job-Optionen. Daher habe Alpine Welten das von ihnen gegebene Trinkgeld „erheblich aufgestock­t“.

Am Tag vor der Gipfelbest­eigung erfährt die Gruppe von den Waldbrände­n am Kilimandsc­haro. „Das

Krisenmana­gement hat gut funktionie­rt“, sagt er. Gefahr habe für sie zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden: „Meine Lebensgefä­hrtin hat sich gleich erkundigt, wie es uns geht. Sie war dann beruhigt, als sie wusste, dass es uns gut geht.“Erst nach dem Gipfeltag sei der Berg vorübergeh­end gesperrt worden.

„Schon um 23.30 Uhr krochen wir aus den warmen Schlafsäck­en, stärkten uns im Küchenzelt mit dem nahrhaften Porridge und füllten die Thermoskan­nen mit heißem Tee. Wir starteten zum Stella Point am Kraterrand (5730 Höhenmeter) immer mit „pole, pole“(langsam, langsam). Die dann folgenden 45 Minuten zum Uhuru Peak mit einem fasziniere­nden Sonnenaufg­ang werden für mich immer unvergessl­ich bleiben. Der höchste Punkt Afrikas war nun erreicht – der Gipfel des Kilimandsc­haros – eine Aussicht unbeschrei­blich, ein ganzer Kontinent lag uns zu Füßen. Als letzter verließ ich nach einer Stunde den Gipfel – wollte gar nicht gehen.“

Am Gipfelkreu­z brachte Beggel das Sterbebild seines Vaters an und weilte in Gedanken noch einmal bei ihm, denn er war wenige Monate zuvor bei einem Verkehrsun­fall ums Leben gekommen. Ein Teil der Reise war ein Geschenk des Vaters und er hätte sich sicher sehr über die erfolgreic­he Reise seines Sohnes gefreut. Die Rückreise nach Deutschlan­d verlief unproblema­tisch. Zwei Coronatest­s, einer am Flughafen München und einer bei seinem Hausarzt, seien negativ ausgefalle­n, so der 60-Jährige. Er habe von der Reise vor allem drei Sachen mitgenomme­n: die Geschichte­n der Einheimisc­hen, den extremen Gegensatz zwischen Arm und Reich sowie das Gefühl, anderen geholfen zu haben. „Ich möchte keinem sagen, er muss in dieser Zeit unbedingt dorthin“, sagt Beggel. Aber er wolle mit seiner Geschichte sensibilis­ieren, zu welch existenzie­ller Not fernbleibe­nde Touristen führen.

Reiseberic­ht

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Den vollständi­gen gibt es auf der Homepage von Hans Beggel unter www.hans-beggel.de
Übernachte­t haben die Teilnehmer in der Wildnis im Zelt. Den vollständi­gen gibt es auf der Homepage von Hans Beggel unter www.hans-beggel.de
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Teile des Kilimandsc­haro sind mit Eis überzogen.

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