Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Wir fühlen uns übergangen“
So fallen die Reaktionen auf die Öffnung des Blutfreitags für Frauen aus
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INGOLDINGEN- Die Kommunikation des Beschlusses des Kirchengemeinderats Weingarten, dass bei der Prozession am Blutfreitag künftig auch Frauen mitreiten dürfen, hat die Blutreiter überrascht. Die Frauen fühlten sich bisher nie ausgeschlossen.
Beim traditionellen Blutritt in Weingarten dürfen künftig auch Frauen mitreiten. Das hat der Kirchengemeinderat Weingarten in seiner Sitzung am 30. September 2020 beschlossen und fast zwei Monate später ad hoc den Blutreitergruppen mitgeteilt. Dies sorgt für Ärger bei den Blutreitergruppen.
Die Blutreitergruppe Winterstettendorf ist mit 50 Reitern im Durchschnittsalter von Mitte Dreißig eine der stärksten Gruppen beim Blutritt in Weingarten. Es gehe nicht darum, ob künftig auch Frauen dabei sein dürfen, „sondern wie die Kirchengemeinde Weingarten es kommuniziert hat“, befand Stephan Müller, Gruppenführer der Winterstettendorfer Blutreiter. „Mit der grundsätzlichen Öffnung des Blutritts für Frauen glauben wir die Zeichen der Zeit, wie es das Zweite Vatikanische Konzil es nennt, zu erkennen und dadurch zu einem positiven Bild, sowohl für Frauen in der Kirche wie für die Kirche, in der öffentlichen Wahrnehmung beitragen zu können“, zitierte Gruppenführer Müller aus dem Schreiben des Katholischen Pfarramts St. Martin in Weingarten von Dekan Ekkehard Schmid. Es sei eine weise Entscheidung, „die ich mittragen kann“, sagte Gruppenführer Müller. „Nur, wie das Pfarramt Weingarten die Kommunikation geführt hat“, habe die Blutreitergruppen irritiert. So haben die Blutreitergruppen Mitte Oktober 2020 eine Einladung zu einer Sprengelversammlung am 19. November 2020 erhalten. Wegen Corona wurde diese abgesagt. Die Teilnahme von Frauen an der Blutfreitagsprozession war in den Besprechungspunkten der Einladung nicht aufgeführt.
Am 25. November 2020 hätten die Gruppenführer um 10.28 Uhr eine EMail über den Beschluss der Kirchengemeinde Weingarten erhalten „und um 12 Uhr wurde im Rundfunk darüber berichtet“, resümierte Müller. „Wir überlassen es ab Blutfreitag 2021 den einzelnen Blutreitergruppen, ob Frauen in Ihren Gruppen mitreiten“, stand in der Mitteilung des Pfarramts Weingarten. Der Beschluss sei also knapp zwei Monate „vor der Bekanntgabe an uns und vor der Einladung zur Sprengelversammlung
gefasst worden“, sagte Stephan Müller. „Das hat uns irritiert.“
In die gleiche Kerbe schlägt auch Peter Reisch, Gruppenführer der Blutreitergruppe Ingoldingen. „Wir fühlen uns völlig übergangen“und nun hätten die Vorstände und Ausschüsse der Blutreitergruppen den „Schwarzen Peter“. „Ich denke, unsere Mitglieder sind bei einer Abstimmung mit oder ohne Frauen geteilter Meinung.“Die Blutreitergruppe Ingoldingen hat 20 Mitglieder mit einem Altersdurchschnitt von etwa 50 Jahren. Ein Drittel davon seien Frauen, verriet Reisch. Und: „Mit Gastreitern sind wir beim Blutritt in Weingarten 30 bis 35 Leute.“
Beide Blutreitergruppen nehmen auch an anderen Blutritten wie Bad Wurzach, Gutenzell, Hopferbach und Ochsenhausen teil, bei denen die Frauen mitreiten dürfen. Die 18-jährige Tochter Julia von Peter Reisch ist seit 12 Jahren bei den Blutritten in Gutenzell und Ochsenhausen dabei. „Weingarten war bisher Männersache“und eine Diskussion darüber habe es nie gegeben, sagte Julia. Sie finde es gut, „dass wir jetzt auch mitreiten dürfen“. Frauen und Kinder seien dabei, „wir waren da von klein auf eine Blutreiterfamilie“. Mit neun Jahren durfte die heute 28-jährige Susanne Branz aus Winterstettendorf in Bad Wurzach mitreiten. Damals habe sie es nie richtig verstanden, „weil mein ein Jahr älterer Bruder auch in Weingarten mitreiten durfte“. Aber, „ich fühlte mich nie ausgeschlossen“. Als Kind habe sie mit ihrer Mutter die Prozession angeschaut und am Schluss der Prozession durfte sie zum Opa, Josef Müller, aufs Pferd und ist mit ihm zum Quartier der Blutreiter geritten. „Das war für mich eine Ehre und auch ein Zeichen, dass ich immer dazugehört habe.“
Diakon Karl-Josef Arnold ist mit den Ministranten seit vielen Jahren „hoch zu Ross“beim Blutritt der Blutreitergruppe Winterstettendorf dabei. „Auf den Blutfreitag freut sich die ganze Familie und ich finde es gut, wenn sich das beim Blutritt auch abbildet.“Weingarten sei eine Männertradition, dies habe aber mit der Geschichte zu tun. „Es kann aber nicht sein, dass wir den Frauen den Blutritt verwehren.“Es seien andere Zeiten und die Kirche müsse sich öffnen, „sodass die Frauen auch Anteil haben“. Dies nicht nur am Blutfreitag, sondern auch an anderen Diensten. „Von daher ist es ein guter Schritt in diese Richtung“, so Diakon Arnold.