Schwäbische Zeitung (Biberach)
Grenke fliegt aus MDax
Leasingspezialist hatte nach Betrugsvorwürfen an Börsenwert verloren – Siemens Energy rückt nach
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FRANKFURT - Der eine ist quasi ein neuer Börsenstar, der andere im Moment eher eine Sternschnuppe: Erst vor zweieinhalb Monaten wurde Siemens Energy aus dem Mutterkonzern herausgelöst und kam an die Börse. Nun darf das Unternehmen in die zweite Börsenliga des MDax einziehen. Im Gegenzug muss Grenke weichen und steigt in den SDax ab.
Solche Änderungen spiegeln vor allem den Börsenwert eines Unternehmens wider: Während Siemens Energy von Beginn an ein Schwergewicht war und aktuell rund 18 Milliarden Euro auf die Börsenwaage bringt, sind es bei Grenke nur noch zwei Milliarden. Auch ohne den Kursverfall bei Grenke wäre es also vermutlich zu dem Abstieg des Büromöbel-Leasingspezialisten gekommen. Verschärft haben seine Situation aber vor allem auch die Attacke eines Shortsellers – zu Deutsch: die Angriffe eines Leerverkäufers.
Der Brite Fraser Perring und seine Investmentgesellschaft Viceroy hatten Grenke im September in einem über 60 Seiten umfassenden Bericht Betrug, Geldwäsche und Bilanzfälschung vorgeworfen. Zwar stritt das Unternehmen aus Baden-Baden, dessen Gründer Wolfgang Grenke auch Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags ist, diese Vorwürfe immer wieder ab. Trotzdem hat sich der Börsenkurs der Grenke-Aktien nach dem Einbruch nicht mehr erholen können – er liegt rund ein Drittel unter dem Niveau vor den Vorwürfen.
Dabei sind Berichte eines Investors wie Viceroy bei Weitem nicht über jeden Zweifel erhaben. Denn als Shortseller oder Leerverkäufer waren Perring und seine Mannschaft an einem Kursverfall stark interessiert. Denn Aktien leer zu verkaufen bedeutet nichts anderes, als auf fallende Kurse zu spekulieren. Viceroy hat also durch die Vorwürfe mutmaßlich viel Geld „verdient“.
Dass andere Anleger die Aktien aber wie eine heiße Kartoffel fallen ließen, hat wiederum auch einen triftigen Grund: Fraser Perring war nämlich der Erste, der bereits im Jahr 2016 dem mittlerweile insolventen Finanzdienstleister Wirecard zwielichtige Geschäfte unterstellte. Damals hatte die Recherche-Abteilung seines Hauses einen 100 Seiten starken Bericht veröffentlicht, der detailliert von zirkulären Scheingeschäften und Bilanzfälschungen erzählte.
Das Echo dieses Skandals war hörbar, als der Grenke-Bericht kam. Vielleicht auch deswegen verfehlte er seine gewünschte Wirkung nicht. Grenke jedenfalls bestreitet die Vorwürfe nach wie vor, hat aber reagiert und will für mehr Klarheit und Transparenz sorgen: In den kommenden Monaten will Grenke die bislang eigenständigen Franchise-Gesellschaften in den Konzern integrieren; der Vorstand erweitert sich durch die Person eines Risikochefs und Firmenchefin Antje Leminsky übernimmt künftig zusätzlich die Verantwortung für die interne Revision.