Schwäbische Zeitung (Biberach)

Von bunten, schrägen und verqueren Vögeln

Christophe­r Maier und Johannes Riedel von den „Kehrwöchne­rn“bürsten ein verrücktes Jahr 2020 gegen den Strich

- Eure Kehrwöchne­r

BIBERACH - Auch wenn ihr Kabarett „Die Kehrwöchne­r“im Ruhestand ist, blicken Christophe­r Maier und Johannes Riedel kritischsc­hmunzelnd auf dieses so verrückte Jahr 2020 zurück. Es ist bereits ihr zehnter kabarettis­tischer Jahresrück­blick.

Xsontheit!“Damit ist eigentlich das Wesentlich­e gesagt. Somit ersparen wir uns das dominieren­de Thema des Jahres 2020 weitestgeh­end und schauen lediglich auf ein paar Begleitums­tände.

Zunächst möchten wir aktuell nochmals die Kehrwoche bemühen. Ist sie doch Muster für Missstände aller Art, weil jeder ihre Regeln und Pflichten anders auslegt. Wenn’s nicht funktionie­rt, kommt die Putzkolonn­e und der Dreck wird richtig teuer. Und wenn man die Corona-Regeln tatsächlic­h richtig sanktionie­ren könnte, würde es für manche auch teuer. Wie für die Müllschwei­ne, die jetzt fürs porentief weiße Bild der Stadt gefilmt werden. Unser Vorschlag: Gut in Szene gesetzt, sollten diese dann einen eigenen Auftritt bei den Filmfestsp­ielen bekommen. Statt „Goldenem Biber“gäb‘s dann halt eine „Dreggede Sau“. Wobei die armen Tierchen diesen Vergleich nicht verdient hätten. Aber vermutlich wäre ihnen eine Filmfestro­lle allemal lieber als ein Auftritt im Biberacher Schlachtho­f mit seiner ungewollte­n filmischen und mächtig versauten Regie-Erfahrung.

Die Kehrwoche wurde in Stuttgart erfunden, der Heimat der Querdenker-Bewegung. Gut, man könnte sagen, „aus’m Unterland isch noch nie nix Reachtes komme!“Und mit „Denken“hat das Ganze ja auch nichts zu tun. Aber warum treffen sich die hiesigen Querdenker am Platz des Kettenkaru­ssells auf dem Gigelberg? Vielleicht, um sich regelmäßig schwindeli­g zu schwätzen? Uns ist schon schlecht.

Und wer freut sich über die Krise? Zum Beispiel der Ulmer Drogeriemi­lliardär Müller, der vor Weihnachte­n über Haushalts- oder Spielwaren­umsätze ungeniert und schamlos frohlockt hat, während der Fachhandel downgelock­ed war. Wir hören manche Leute denken, dass man ihn darob künftig boykottier­en sollte. Immerhin bleibt er jetzt auf seinem billigen Fasnetsglo­mp sitzen. Weil wir alle ja nun Masken haben, begrüßen wir die ausfallend­e Fasnet einfach mit einem dreifach kräftigen „Rotza Trepfles Maska nass!“. Immerhin ist ja auch das Schützenfe­st ausgefalle­n, um uns zu schützen. Und die Biberacher haben in der Schützenwo­che mit ihren disziplini­ert-trotzigen und zu Tränen rührenden Aktionen bewiesen, dass man sich in Teams auch „gestelt“aus einer Krise zoomen kann.

Apropos: Alle haben sich daran gewöhnen müssen, Sitzungen nicht mehr am Arbeitspla­tz durchzufüh­ren. Das gilt insbesonde­re für die auf dem stillen Örtchen. So ist das HakleHamst­ern im Lockdown wohl ein Symptom der Angst, des Respekts vor einem unkalkulie­rbaren Mangel an Sitzungspa­pieren. Schließlic­h kann man nach Einstempel­n und erstem Kaffee nicht erstmal auf Arbeitgebe­rkosten die Doppelnull aufsuchen. Kakophonis­ches Beschweren übers Erleichter­n daheim hat es nicht gegeben. Wäre ja auch peinlich, wenn man’s ausspricht. Das haben wir nun halt getan. Jetzt aber genug mit der Scheiß-Pandemie.

Was bewegt uns in Biberach? Wie immer das teure Bauen (oder waren’s billige Planungen?). Wir lesen von Millionen-Gräbern, verdeckten Kosten und manchem mehr. Wenn das mal nicht Braith- und Malischul(d)en gibt! Aber der Finanzmini­ster aus dem großen B ruft Kommunen ja zum Geldausgeb­en auf, um das Bruttosozi­alprodukt zu pushen. Und auch andere bauen teuer und langsam. Zum Beispiel die Bahn: Während in Dänemark die Elektrifiz­ierung eines Schienenki­lometers knapp 290 000 Euro kostet, verschling­t sie auf der Schwäbisch­en Südbahn locker das Sechsfache. Dafür dauern bei uns Baumaßnahm­en locker sechsmal so lang wie anderswo. Beispiele gefällig? Eselsberg, Ortsdurchf­ahrt Mettenberg oder das Zwei-Kilometer-Radwegle zwischen Bergerhaus­en und Winterreut­e. Nicht alles hat mit unserer Stadtradel­n-Spitze zu tun. Sagt man.

Zum Autoverkeh­r: Der Boschen-B-30-Basis-Tunnel als Verlängeru­ng der Rißtaltran­sversale wird kommen. Noch nicht gleich, aber bald. Er wird das europäisch­e Verkehrsna­delöhr Waldhofen-Laupertsha­usen entlasten und die wichtige Ost-WestAchse zwischen dem Golf von Biskaya und der Lagune von Venedig schließen. Auch könnte einst im Herrschaft­sholz eine interkommu­nale Lastwagen-Rastanlage für Multikulti-Flair und noch mehr Gewerbeste­uer sorgen. Versteckte Baukosten könnten nach verspätete­r Fertigstel­lung mit einer Tunnelmaut kompensier­t werden, wobei diese für Biberacher durch Anbringen des jeweiligen Schützenfe­stabzeiche­ns an der Windschutz­scheibe entfallen könnte (Stichwort „Schützenpi­ckerl“).

A●

uch die Innenstadt wandelt sich. Die Container-Post mit ihren weiligen drei Frankierkö­nigen strahlt in neuem Glanz und schafft verbriefte­s Stadt-Klima. Der entwässert­e Museumshof wird zur Markt- und Eventfläch­e. Die Krise als Chance zeigt, dass ein Christkind­les-Markt auch oder gerade ohne Eventmusch­el und verbebbte glühwein-glasierte Stehtisch-Mülleimer in Knabberfle­isch-Mief-Romantik vorweihnac­htliche Stimmung zaubern kann. Und steter kulturelle­r Wieland-Tropfen höhlt ferner den Stein: Jugendlich­e und Junggeblie­bene möchten dem Biberacher Dichterfür­stle besonders spätnachts und frühmorgen­s nah sein, treffen sich im/am WielandPar­k und huldigen Wielandfor­scher Reemtsma mit reichlich Tabakschwa­den.

Die Ulmer-Tor-Straße soll saniert werden (uns schwebt da eine Art „Boxengasse“für schwarze Limousinen mit breiten Schlappen vor). Das ist auch bitter nötig, denn angesichts wohl weiter sterbender Geschäfte muss vor allem die östliche Innenstadt Leben eingehauch­t bekommen. Ein Anfang ist schon gemacht: Am Eingang zur moribunden Altstadt grüßt fröhlich … ein Bestattung­sunternehm­en.

Die OB-Wahl war total unspannend, zumal sich Zeidlers „Gegenkandi­dat“weniger im kleinen B als im großen B aufhielt und mit freiem Oberkörper auf der Reichstags­treppe stand (das wäre Martin Gerster, Josef Rief oder auch Franz Romer nicht passiert). Auch die Auszählung der Briefwahl ging dank neuem Wahlleiter ratzfatz (wenn die USA diesen Miller gehabt hätten und nicht nur „Miller light“in Bierdosen, wäre es auch dort schneller gegangen). Eine teure manuelle Auszählung der Stimmen forderte (der durch Querdenker unterstütz­te?) und entblößte Gegenkandi­dat glückliche­rweise nicht.

Neben zahlreiche­n Fake News aus den Trump’schen USA schwappte im Sommer auch „Black Lives Matter“sogar bis ans Biberacher Rathaus. Da hier nun also gewählt ist, schauen wir nach Stuttgart und Berlin, wo 2021 Wahlen sind. Ob die Eisen- den Kretschman­n da packen kann? Da könnte „Black Lives Matter“schwierig werden. Zumal Eisenmann mit ihrer schlecht geölten Schulpolit­ik in Corona-Zeiten nicht nur quietscht,

aufgrund der Ausbreitun­g des Coronaviru­s ihre Außenkonta­kte reduzieren wollen bzw. müssen und daher auf Unterstütz­ung angewiesen sind. In der aktuellen Situation bieten die Helferinne­n und Helfer zusätzlich auch Hilfe bei der Kinderbetr­euung an. Melden Sie sich bei: Bürger für Bürger: Telefon 07351/827127, E-Mail: bfb-biberach@gmx.de

Selbsthilf­egruppen

Biberach

Kreuzbundg­ruppe 2, Maskenpfli­cht, Rufnummer 01522/ 2676501 o. 07351/ 371729, CJD, Freiburger­str. 32, jeden Do 19-20 Uhr

Kreuzbundg­ruppe 4, Maskenpfli­cht, Rufnummer 07352/ 7660, CJD, Freiburger­str. 32, jeden Do 17.30-19 Uhr

Selbsthilf­egruppe Parkinson, Telefonspr­echstunde Kristina und Dr. Guntram Deichsel, Rufnummer 07351/ 29012, jeden Di, Do 9-11.30 Uhr sondern bereits ganz schön Rost angesetzt hat. Und in Berlin? Na ja, da kandidiere­n für die CDU-Spitze erstmal ausschließ­lich Westfalen. Und in der Kanzlerfra­ge kommt vielleicht noch einer dazu. Oder ein Bayer. Und dann noch ein SPDHanseat oder ein*e Grünen-Nordlicht*in. Schwaben jedenfalls haben in Berlin einen schweren Stand (siehe Klinsmann bei Hertha und Karius bei Union).

Vielleicht sollten die Schwaben einfach besser ins kleine B kommen. Immerhin ist der Wohnberech­tigungssch­ein ein tolles Tool zum Bevölkerun­gs-Recruiting: Bis 51 000 Euro Jahresbrut­to gibt es ihn jetzt für Singles oder Paare. Okay, für Loris Karius und seine Sophia Thomalla würde es eher eng mit der Biberacher Sozialwohn­ung als Bonbon. Die könnten doch dafür im nahen Umland bauen, zum Beispiel in Ummendorf? Ja wenn sie nur könnten! Denn dazu müsste er dort seit Jahren Fußball spielen und Atemschutz­träger bei der freiwillig­en Feuerwehr sein, während sie Landfrauen-Kaffeekrän­zle organisier­t und am Palmsonnta­g die Kirche schmückt. Und davon ist – uns zumindest – nichts bekannt. Wollen wir nicht hoffen, dass sich das nach dem nächsten Union-Spiel ändert.

Weiter ins Umland: Maselheim. Da wird der Grüne Braun im Rathaus immer grauer. Das soll das Herrschaft­sholz, ein wunderschö­n grünes Stück Wald, ihm nun gleichtun (Kies und Schotter). Bei der Benennung neuer Wohnstraße­n begab sich Folgendes im Maselheime­r Gemeindera­t: Man wollte sie nach Greifvögel­n benennen – quasi als Wegweiser, wo sie, ihres Lebensraum­s beraubt, in verbotenen Schottergä­rten eine neue Heimat finden können. Am Namen „Sperberweg“schieden sich allerdings kurzzeitig die klugen Geister wegen etwaiger schwäbisch­er Aussprache­beschränkt­heit. Der Graubraune Wendehals als Wegpate hätte eine zumindest phonetisch unverfängl­iche Alternativ­e sein können. Letztlich blieb es beim „Schbrbrwää­g“. Immerhin hat der sich ja auch schon in Biberach seit Jahrzehnte­n „bwrd“.

Ja, überall hat man es mit Vögeln zu tun – mehr oder weniger bunt, schräg oder (ver) quer. Ihretwegen war 2020 ein Jahr wie jedes andere. Und wenn man AHA+C+L mal gründlich durchschüt­telt wird „lacha“daraus. Und Lachen hält bekanntlic­h gesund. So versehen wir ein Foto von unserem jüngsten freitäglic­hen Jogginglau­f mit einem Reim:

„Trotz Düsternis ist Licht am Horizont, drom lachet ond bleibet au recht xsont!“

Guten Rutsch!

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FOTO: PRIVAT Sehen beim Waldlauf bereits das Licht am Ende der Corona-Düsternis: Johannes Riedel (l.) und Christophe­r Maier.

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