Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Erleichtert, dass das Thema vom Tisch ist“
Ummendorfer Bürgermeister Klaus B. Reichert: Bauplatzvergabe unter Dach und Fach
UMMENDORF (mad) - Der Ummendorfer Bürgermeister Klaus B. Reichert spricht im Interview mit Markus Dreher über das Thema Bauplatzvergabe, Corona, die Südbahn, Tiny Houses und was 2020 sonst brachte. Und über die Pläne für 2021.
Herr Reichert, wie steht’s um die Bauplatzvergabe?
Die 25 verbliebenen Bauplätze im Baugebiet Heidengäßle/Mühlbergle II sind nun verkauft. Die Käufer werden ins Grundbuch eingetragen, sobald der Kaufpreis sowie die Grunderwerbsteuer bezahlt sind. Danke an den Gemeinderat, dass er bereits vor der Sommerpause 2019 einstimmig festgelegt hat, dass wir nicht den vermeintlich einfachen Weg gehen, sprich die Plätze verlosen, versteigern oder das Windhundprinzip anwenden, sondern dass wir uns klar und deutlich für überarbeitete Richtlinien ausgesprochen haben. Ich bin sehr stolz, dass das Gremium dem eingeschlagenen Pfad treu geblieben ist. Professionell begleitet wurden wir von dem Fachanwalt für Verwaltungsrecht Andreas Staudacher sowie dem Gemeindetag Baden-Württemberg, an dessen Handreichung wir uns sehr eng angelehnt haben. Ein dickes Lob geht an meine Mitarbeiter für die zeitraubende Vorbereitung des Vergabeverfahrens. Ich bin froh, dass wir all jenen Bewerbern, die vor mehr als zwei Jahren eine Zusage durch die Gemeinde hatten und die sich seither nicht anderweitig orientiert haben, jetzt auch einen Platz zuschreiben konnten. Was diese Personen an Höhen und Tiefen durchgemacht haben, das kann man wirklich nur ermessen, wenn man es miterlebt hat. Ich bin sehr erleichtert, dass das Thema jetzt vom Tisch ist.
In der Corona-Pandemie haben Sie stets für eine gesunde Portion Vorsicht plädiert, nicht nur beim Badesee. Wie beurteilen Sie die Lage?
Ich bin kein Virologe, daher kann ich nicht beurteilen, wie sich das Virus verbreitet. Für mich ist erschreckend, mit welcher Dynamik sich das Infektionsgeschehen nun entwickelt. Aus meiner Sicht halten sich sehr viele Bürgerinnen und Bürger an die Vorgaben der Corona-Verordnung. Natürlich gibt es einige wenige, die das alles nicht so genau nehmen, und es bleibt zu hoffen, dass diese Nachlässigkeit nicht andere büßen müssen. Keinerlei Verständnis habe ich für die Menschen, die mit Verschwörungstheorien andere Menschen verwirren. Erschreckend waren in der Tat manche Reaktionen auf die Maßnahmen, die wir an unserem Badesee getroffen haben. Statt für mehr Sicherheit dankbar zu sein, wurden wir mit einem Shitstorm überzogen. Offenbar ist es für viele unmöglich geworden, Verzicht zu üben, auch wenn dadurch andere gefährdet werden. Für mich wird spannend, wann und wie eine gewisse Normalität wieder eintritt. Es stellt sich die Frage, ob diese aus meiner Sicht zwangsweise vorgeschriebene, aber unmenschliche Distanz zu den Mitmenschen wieder ganz verschwinden wird. Die finanziellen Folgen kann ich nicht abschätzen. Ich wundere mich nur, welche Summen auf allen Ebenen eingesetzt werden und wer das alles und vor allem wann zurückzahlen soll. Ich habe Verständnis für die Notwendigkeit dieser Hilfen und hoffe, dass sie auch zielgerichtet eingesetzt werden. Noch haben wir die Gemeindefinanzen im Griff, die Frage ist halt, wie lange diese Pandemie noch anhält.
Vor Kurzem hat der Ehinger OB beklagt, dass bei der Regio-S-Bahn sichtbare Fortschritte auf sich warten lassen. Auch wenn es an der Südbahn besser aussehen mag als im Donautal, ist ein Fahrplan ja in weiter Ferne.
Mein Vorgänger Hermann Dörflinger hat sich schon mit dem Halt in Ummendorf beschäftigt. Als ich ins Amt kam, haben wir die dafür im Umfeld notwendigen Grundstücke erworben und bereits vor mehr als 20 Jahren Pläne geschmiedet. Ich gehe davon aus, dass die Zusagen stimmen und der Haltepunkt in den nächsten Jahren angedient wird. Aber in der Verkehrspolitik braucht man einen sehr langen Atem, das sieht man beim Ausbau der B 312 zwischen dem Jordanbad und Ringschnait (40 Jahre), beim Aufstieg Mettenberg und eben auch bei der Bahn. Meistens liegt es nicht an den Planungsbehörden, sondern an den vielen Beteiligten, die sich mit allen Mitteln wehren, um solche Projekte zu verhindern. Trotzdem finde ich es beachtlich, wie die Elektrifizierung jetzt umgesetzt wurde und auch die Verbindung Stuttgart-Ulm mit einem gewaltigen Aufwand optimiert wird.
Bei der Werkrealschule scheidet ein Neubau wohl aus, jetzt sollen die Kosten einer Sanierung ermittelt werden. Wie weit ist das Pflichtenheft für die Planer gediehen?
Der Gemeinderat hat ja in einem ersten Schritt eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Das Raumprogramm wurde fristgerecht von der Schulleitung übermittelt und die Planungsaufträge hierfür vergeben. Wir haben allerdings keine Eile, wie wir dies auch bei anderen Projekten in der Vergangenheit durchexerziert haben. Gut Ding will Weile haben.
Wie ist der Stand beim Anbau an den kirchlichen Kindergarten St. Maria gemeinsam mit der bürgerlichen Gemeinde und wie geht es bei der Kinderbetreuung insgesamt weiter?
Durch eine hervorragende Kraftanstrengung des Landratsamts Biberach konnte ich die Baugenehmigung Herrn Pfarrer Sauter am 16.12.2020 unter Corona-Bedingungen persönlich überreichen, dafür gebührt dem Kreisbaumeister Hubert Baur und seinem Team Lob. Dies war die Voraussetzung, dass die Kindergartengruppe im September 2021 hoffentlich öffnen kann. Mit den Verantwortlichen der Evangelischen Kirche wurde wie geplant eine Begehung des gemeindeeigenen Kindergartens Villa Regenbogen durchgeführt. Der Architekt hat nun den Auftrag, ein Angebot für eine Machbarkeitsstudie zur Erweiterung des Raumprogramms auszuarbeiten. Wir wollen nicht immer auf die Kinderzahlen reagieren, sondern vorausschauend agieren, damit wir rechtzeitig die Weichen für einen Um- und Neubau – sofern notwendig – in die Wege leiten können.
Die größte Investition 2020 und gewiss ein arbeitsreiches Projekt war der Starkregenschutz im Kesseltal bei Fischbach.
Das ist korrekt. Die Ortsvorsteherin Karin Schraivogel hat unglaublich viel Zeit und Energie in das Projekt gesteckt, flankiert von der Verwaltung, dem Ortschaftsrat und ihrem Stellvertreter Eugen Kloos. Das war schon eine umfangreiche Aufgabe. Die Baufirma Gräser und das Ingenieurbüro RSI (Ummendorf) haben hervorragende Arbeit geleistet, Susan Dreibholz vom Wasserwirtschaftsamt war stets bei den Baustellenbesprechungen vor Ort und stand uns mit Rat und Tat zur Seite. Ein wirklich großes Kompliment an alle Beteiligten.
Ein angedachtes Tiny-HouseQuartier steht noch am Anfang. Ein ähnliches Projekt in Kißlegg, ebenfalls mit der Landsiedlung als Partner, wurde vor Kurzem fallen gelassen.
Wir wissen, dass bei den Tiny-Häusern eine überregionale Nachfrage vorhanden ist. Kißlegg hatte nach meinen Informationen Gründe, die mit der Erschließung des Geländes zu tun hatten. Eine Projektgruppe mit den Gemeinderäten Simon Özkeles, Ulf Politz, Wolfgang Rundel und Rolf Schrodi hat sehr viel Zeit in die Ermittlung der Rahmenbedingungen gesteckt. Schlussendlich entscheidet der Gemeinderat, ob man versuchen soll, das Projekt zu realisieren. Sie kennen ja die durchaus kontroverse Diskussion aus dem Gemeinderat. Die Landsiedlung wird für zwei Standorte Skizzen als Grundlage für weitere Abstimmungen entwerfen. Zudem sollen wir den örtlichen Bedarf ermitteln. Das Thema soll anschließend mit der Bürgerschaft
diskutiert werden. Aus meiner ganz persönlichen Sicht ist es immer noch schade, dass das Land den Versuch nicht unterstützt hat, einen Standort an der Hammerschmiede als Pilotprojekt zu realisieren.
Sie haben anlässlich eines Personalwechsels im Gemeinderat davon gesprochen, dass Bürgermeister und Räte heute in sehr emotionaler Weise angesprochen würden. Wie hat sich das Klima verändert?
Ach wissen Sie, zu einer Demokratie gehört eben, dass man im Streit um die beste Lösung ringt. Solange diese Auseinandersetzung offen, fair und ehrlich ist, entspricht das exakt dem, was wir ja wollen. Hier hat sich allerdings bei einem Bruchteil der Bürgerinnen und Bürger allerorten ein Wandel ergeben. Offenbar geht es uns so gut, dass wir es uns leisten können, uns selbst sehr wichtig zu nehmen. Da ich doch schon sehr lange in meiner beruflichen Laufbahn zurückblicken kann, weiß ich, dass diese Art der emotionalen und egoistischen Betrachtung von Themen stark zugenommen hat. Hinzu kommt dieser Dokumentations- und Bürokratiewahn, den viele Berufssparten erleben müssen, und die Verlagerung des persönlichen Lebensrisikos auf die öffentliche Hand.
Was waren 2020 sonst noch wichtige Ereignisse?
Corona, Corona, Corona – ach ja, und die Umstellung auf die Doppik, die alles zum Guten führen wird (lacht). Im Ernst: Wenn die Gemeinde zum Beispiel alle ihre Straßen bewerten muss, erfordert das einen hohen Arbeitsaufwand, aber ich glaube nicht, dass uns das wirklich weiterbringt. Unbedingt erwähnen will ich das neue Heimatbuch, das ganz unterschiedliche Aspekte behandelt. Die Autoren um Johannes Lutz haben ein Werk vorgelegt, das die Zeit überdauern wird.
Welche Projekte stehen 2021 auf dem Zettel?
Zunächst haben wir zwei wichtige Wahlen im Jahr 2021. Dann wollen wir die 2020 begonnenen Projekte weiterführen, sprich den Umbau des Gemeindehauses in der Bachstraße für einen Teil der Vereine und die Investitionen in Erziehung und Bildung, die für uns im Vordergrund stehen. Dann ist die Erschließung des Gewerbegebiets Espach IV angedacht. Davor werden wir prüfen, ob die mehrfach überzeichnete Flächennachfrage noch gilt. Entscheidend wird aus meiner Sicht sein, ob und wie schnell wir weltweit diese Corona-Pandemie so in den Griff bekommen, dass eine gewisse Normalität eintritt. Vorher ist jede Prognose ein Blick in eine Glaskugel. Daher ein Appell an alle: Achten Sie auf sich und Ihre Mitmenschen!