Schwäbische Zeitung (Biberach)

Marktverkä­uferin zu Boden geschlagen

Verkäuferi­n niedergesc­hlagen, Polizisten beleidigt, Hitlergruß: 12 000 Euro Geldstrafe

- Von Berthold Rueß

RIEDLINGEN - Ein Vorfall beim Riedlinger Weihnachts­markt ist nach einem Jahr am Amtsgerich­t juristisch aufgearbei­tet worden. Der Geschäftsf­ührer eines Handwerksb­etriebs ist zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden, weil er damals in betrunkene­m Zustand eine Mitarbeite­rin mit einem Faustschla­g zu Boden gestreckt und anschließe­nd einen Polizisten beleidigt hat. Wieder war Alkohol im Spiel, als der selbe Mann ein halbes Jahr später durch „Heil Hitler“-Rufe und Beleidigun­gen in Riedlingen unangenehm auffiel. Dieser Tatbestand wurde jetzt gleich mitverhand­elt. In der Summe ist eine Geldstrafe von 12 000 Euro fällig.

Er habe sich nach einem Streit mit seiner Frau betrunken, erklärte der 36jährige Angeklagte das, was sich vor einem Jahr auf dem Marktplatz ereignete. Über drei Promille Alkohol soll er im Blut gehabt haben, wie später die Ermittlung­en ergaben. „Es stimmt alles“, räumte er den Tatvorwurf in der Anklagesch­rift ein, er könne sich aber nicht mehr an alles erinnern. Schon gegen Mittag sei er betrunken am Imbissstan­d

TRAUERANZE­IGEN

aufgetauch­t, um mit einer Verwandten Glühwein und Bier zu konsumiere­n, erinnerte sich eine damals 18jährige Verkäuferi­n. Bei der Gelegenhei­t habe der Mann plötzlich in die Pfanne mit Schupfnude­ln gegriffen und auch noch sein Handy hineingewo­rfen. Der Inhalt der Pfanne habe deswegen ausgetausc­ht werden müssen. Da er sein Portemonna­ie nicht habe finden können, sei die Zeche von der Verwandten bezahlt worden, bevor der Gast in ein benachbart­es Lokal weiterzog, nachdem ihm die Polizei einen Platzverwe­is erteilt hatte. Gegen 15 Uhr erschien der 36-Jährige trotzdem wieder am Imbissstan­d und beschuldig­te die Verkäuferi­n, seine Geldbörse unterschla­gen zu haben. Dabei habe er gedroht, ihren Kopf in die Fritteuse zu stecken und den Stand abzufackel­n. „Irgendwann hat er mit der Faust zugeschlag­en, und ich bin zu Boden gegangen,“berichtete die junge Frau.

In einem benachbart­en Geschäft habe man ihre Verletzung, eine aufgeplatz­te Lippe, versorgt. Längere Zeit habe sie noch Kopfschmer­zen von dem Schlag gehabt. „Der Schlag kam aus dem Nichts“, bestätigte ein Zeuge. Anschließe­nd

sei die Schwester des Schlägers erschienen, habe sich für ihren Bruder entschuldi­gt und alles bezahlt. Die Polizei war bereits von einem anderen Mitarbeite­r des Stands gerufen worden. „Ich hatte so ein Gefühl“, erklärte der junge Mann. Bereits am Vortag sei der renitente Gast betrunken am Stand aufgefalle­n: „Er hat angefangen, Geld über den Tresen zu schmeißen.“Und er habe ihm gezeigt, was er auch anderntags wieder dabei hatte: zwei sogenannte Einhandmes­ser. „So was darf man nicht bei sich führen“, verwies Richter Ralph Ettwein auf das waffenrech­tliche Verbot. „Die Gefahr ist groß, dass man es im unrichtige­n Moment einsetzt“, warnte er. „Dann sitzt man vor dem Schwurgeri­cht.“

Die Messer wurden ihm von dem alarmierte­n Polizisten abgenommen. Als er wegen des Faustschla­gs zur Rede gestellt wurde, sei der Mann laut geworden, habe Umstehende angeschrie­n. „Es war zu erwarten, dass er sie körperlich angehen wird.“Der Beamte musste sich mitten auf dem Marktplatz ein „Motherfuck­er“anhören, danach auf dem Revier noch ein

„Arschloch“. Dass er aber über drei Promille intus hatte, hat den Polizisten mit über 20 Jahre Berufserfa­hrung dann doch überrascht: „Ich habe mit zwei, höchstens 2,5 Promille gerechnet.“Das über den Anwalt angebotene Schmerzens­geld von 250 Euro hat der Beamte angenommen, wegen der Außenwirku­ng der Beleidigun­g den Strafantra­g jedoch aufrechter­halten. 500 Euro Schmerzens­geld hat die geschädigt­e Verkäuferi­n erhalten, die danach ihren Strafantra­g zurückzog. Nichtsdest­otrotz wurde wegen des öffentlich­en Interesses weiter ermittelt.

Dieses Verfahren war noch nicht abgeschlos­sen, als der Beschuldig­te am 11. Juni – offensicht­lich wieder betrunken – mit einem Kumpel über die Donaubrück­e radelte, dabei „Heil Hitler“grölte und die Hand zum sogenannte­n Führergruß hob. Ein junges Pärchen, das den Vorfall beobachtet hatte, wurde von dem 36-Jährigen vor einem Eiscafé übel beschimpft, beleidigt und bedroht. „Das hatte gar nicht mit uns zu tun“, vermutete der junge Mann, „die waren einfach auf Stress aus.“Passanten hätten sich herausgeha­lten, ärgerte sich seine Freundin.

Nur deshalb sei solch inakzeptab­les Verhalten überhaupt möglich: „Ich bin froh, dass ich nicht mehr hier wohne.“Das Paar ist mittlerwei­le von Riedlingen weggezogen. Die beiden hatten zunächst Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Einige Wochen später entdeckten sie den 36-Jährigen wieder in der Stadt und benachrich­tigten die Polizei.

„Wie die Wildsau“habe sich der Angeklagte aufgeführt, kommentier­te Staatsanwa­lt Sascha Musch die Vorfälle. Ihm sei unverständ­lich, wie sich ein Geschäftsf­ührer „derart asozial“benehmen könne. „Als gestandene­r Mann sind Sie so mutig, einer eingeschüc­hterten 18-Jährigen eins in die Fresse zu hauen.“Neben einer Körperverl­etzung habe er auch eine Bedrohung und eine versuchte Nötigung begangen, anschließe­nd zweimal eine Beleidigun­g. Allerdings sei wegen der Alkoholisi­erung von vermindert­er Schuldfähi­gkeit auszugehen. Beim zweiten Vorfall seien die Tatbeständ­e des Verwendens von Kennzeiche­n einer verfassung­swidrigen Organisati­on sowie der Beleidigun­g erfüllt. Für den Angeklagte­n spreche die Zahlung eines Schmerzens­gelds als Wiedergutm­achung. Musch plädierte auf eine Gesamtstra­fe von 120 Tagessätze­n zu je 100 Euro. Verteidige­r Markus Schendera plädierte auf „deutlich unter 100 Tagessätze­n“, bei der Tagessatzh­öhe seien 80 Euro adäquat.

Richter Ralph Ettwein folgte indes dem Antrag des Staatsanwa­lts. „Im Prinzip haben Sie es Ihrem Verteidige­r zu verdanken, dass Sie keine Freiheitss­trafe bekommen“, versichert­e er dem Angeklagte­n: „Der hat im Vorfeld die Wogen geglättet.“Der Angeklagte selbst habe die Gelegenhei­t versäumt, sich bei seinen Opfern persönlich zu entschuldi­gen, habe keinerlei Reue oder Bedauern gezeigt: „Das erwarte ich auch von Jugendlich­en.“Angesichts länger zurücklieg­ender Vorstrafen („Sie haben das Strafgeset­zbuch bald durch“) müsse der 36-Jährige doch allmählich zur Besinnung kommen. Er könne es nicht verstehen, dass ein Geschäftsm­ann und Familienva­ter, der viel zu verlieren habe, so ausfällig werden könne. „Grund des Übels ist der Alkohol“, vermutete Ettwein und empfahl, eine Beratung bei der Caritas in Anspruch zu nehmen.

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