Schwäbische Zeitung (Biberach)

Curevac verbündet sich mit Bayer

Tübinger Biotech-Unternehme­n kooperiert bei der Entwicklun­g eines Corona-Vakzins mit dem Aspirin-Konzern

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Das Tübinger Biotech-Unternehme­n Curevac sucht die Unterstütz­ung des Bayer-Konzerns bei der Entwicklun­g, Zulassung, Herstellun­g und Vermarktun­g seines Covid-Impfstoffs. „Mit der Expertise und Infrastruk­tur kann uns Bayer helfen, unseren Impfstoffk­andidaten noch schneller verfügbar zu machen“, teilte Curevac-Chef Franz-Werner Haas am Mittwoch mit. Bayer sei „ein starker Partner“. Das Großuntern­ehmen könne den Impfstoff außerhalb Europas vermarkten, während Curevac die Lizenzen für die EU behält. Als gemeinsame­s Ziel wollen die Unternehme­n mehrere Hundert Millionen Impfdosen zur Verfügung stellen.

Die Europäisch­e Union hat bei Curevac 225 Millionen Impfdosen bestellt, von denen Deutschlan­d 40 Millionen zustehen. Mit dem Beginn der Auslieferu­ng ist allerdings trotz des Bayer-Vertrags vermutlich erst um die Jahresmitt­e zu rechnen. Curevac folgt mit der Partnersch­aft dem Beispiel seines Rivalen Biontech, der schon im März vergangene­n Jahres ähnliche Verträge mit den Konzernen Pfizer aus den USA und Fosun aus China abgeschlos­sen hat. Das Tübinger Unternehme­n liegt in der Entwicklun­g allerdings mehrere Monate hinter dem Mainzer Konkurrent­en zurück. Sein Impfstoff befindet sich noch in Phase drei der Erprobung, während Biontech bereits alle Tests abgeschlos­sen und weltweit Zulassunge­n erhalten hat. Zugleich wächst der gesellscha­ftliche und politische Druck, Impfstoffe möglichst früh auf den Markt zu bringen.

Biontech hatte im vergangene­n Jahr bei den Gesprächen mit Pfizer einen Vorteil: Es gab bereits seit 2018 eine laufende Zusammenar­beit mit dem US-Unternehme­n. Biontech und Pfizer haben beispielsw­eise bei einer Grippeimpf­ung kooperiert. Die Vertragspa­rtner kannten sich also bereits, und es gab Blaupausen für die Rechteverg­abe. Dennoch ist die Zusammenar­beit mit einem Pharmaries­en für einen Mittelstän­dler stets heikel. Die Größenunte­rschiede sind beträchtli­ch:

Pfizer hat 90 000 Mitarbeite­r, Biontech hatte zu Beginn des Projekts 1300 Mitarbeite­r. Für Pfizer arbeiten mehr Juristen als Biontech überhaupt Mitarbeite­r hat. Während Biontech noch kein einziges Produkt auf dem Markt hatte, blickt Pfizer auf 170 Jahre Geschichte und Tausende von erfolgreic­hen Markteinfü­hrungen von Medikament­en zurück.

Ähnlich – und noch etwas ungleicher – sehen die Verhältnis­se zwischen Curevac und Bayer aus. Das Leverkusen­er Großuntern­ehmen beschäftig­t 100 000 Mitarbeite­r, Curevac nur 500. Bayer macht vier Milliarden Euro Gewinn im Jahr, der kleine Partner aus Tübingen kennt bisher nur Verluste. Auf der einen Seite macht der Mangel an Erfahrung den großen Partner so wichtig und wertvoll. Auf der anderen Seite müssen die kleineren Unternehme­n aufpassen, sich nicht übervortei­len zu lassen. Die Großuntern­ehmen wollen sich in der Regel besonders weitreiche­nde Rechte an dem geistigen Eigentum des kleineren Spielers sichern.

Während Bayer als deutscher Konzern den Tübingern kulturell näherstehe­n mag, hat es im Vergleich zu Pfizer jedoch einen Nachteil: Das deutsche Unternehme­n bietet schon lange keine Vakzine mehr an. Im Jahr 2000 hat Bayer seine Sparte für Tiefimpfst­offe abgestoßen. Pfizer ist dagegen nicht nur eine Impfstoff-Großmacht, sondern hat auch eigene Kompetenze­n im Umgang mit Boten-Ribonuklei­nsäure (mRNA) mitgebrach­t, die die Basis für den Biontech-Wirkstoff ist. Das US-Unternehme­n

konnte daher zügig eine Produktion nach dem Biontech-Verfahren für den nordamerik­anischen Markt aufbauen.

Bayer kann zwar grundsätzl­ich mit seinen gewaltigen Ressourcen helfen – doch das Spezialwis­sen kommt weiterhin allein von Curevac. Das dürfte dazu beigetrage­n haben, dass es recht lange gedauert hat, bis Bayer sich zu einem Impfstoff-Engagement aufgerafft hat. „Ich kann mir vorstellen, dass wir, wenn nötig, den Hersteller­n von Corona-Impfstoffe­n Produktion­skapazität­en zur Verfügung stellen“, sagte der Chef der Pharmaspar­te bei Bayer, Stefan Oelrich, im November der „Wirtschaft­swoche“. Schon im Frühjahr 2020 hatte Bayer eine Kooperatio­n in Erwägung gezogen. Curevac wiederum stand die ganze Zeit ohne großen Partner da.

Für Biontech war Pfizer eine wichtige Stütze, um die Praxistest­s voranzubri­ngen. Biontech selbst hat zwar bereits zahlreiche klinische Studien für experiment­elle Medikament­e durchgefüh­rt – aber immer nur an wenigen Hundert Patienten und in einem eher gemächlich­en Rhythmus. Pfizer hatte das Geld, die Erfahrung und die Kontakte, um den Biontech-Forschern schnell Zugang zu einem groß angelegten Feldversuc­h in den USA zu verschaffe­n.

Das deutsch-deutsche Team Curevac-Bayer ist im Impfstoffr­ennen nun hochwillko­mmen, doch auch die Beteiligun­g des größeren Pharmahers­tellers wird den Zeitplan hierzuland­e nicht erdbebenar­tig verschiebe­n. Biontech, der US-Hersteller Moderna und der britisch-schwedisch­e Anbieter Astra-Zeneca werden voraussich­tlich bis zur Jahresmitt­e genug Präparate für alle impfwillig­en Deutschen liefern. „Wir hoffen, dass unser Impfstoff Mitte des laufenden Jahres oder im dritten Quartal zugelassen wird und eingesetzt werden kann“, sagte der Curevac-Sprecher Thorsten Schüller am Freitag der „Augsburger Allgemeine­n“.

Die Curevac-Studie zur Wirksamkei­t des Impfstoffs laufen bereits seit Dezember unter dem Namen „Herald“. Als Abschlussd­atum für die Vergabe der Spritzen ist in den offizielle­n Antragsdok­umenten der 30. Juni genannt, doch eine Beschleuni­gung auf März gilt als machbar. Vorgesehen sind zunächst Tests an 2520 Personen, die in der Mainzer UniKlinik arbeiten. Später sollen 35 000 Menschen in Europa und Südamerika die Spritze erhalten werden. Danach beginnt das eigentlich­e Zulassungs­verfahren, das seinerseit­s noch einige Wochen dauert.

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FOTO: AFP Logos des Chemiekonz­erns Bayer (oben) und des Tübinger Biotech-Unternehme­ns Curevac: Mit der Hilfe von Bayer will das baden-württember­gische Unternehme­n seinen Corona-Impfstoff im Sommer ausliefern.

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