Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Wir werden kräftig investiere­n“

Bürgermeis­ter Rainer Langenbach­er spricht über Kirchdorfs Finanzen, Kindergart­enneubau und Freibadsan­ierung

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KIRCHDORF - Die Corona-Pandemie habe im Haushaltsj­ahr der Gemeinde Kirchdorf „tiefe Furchen“hinterlass­en, sagt Bürgermeis­ter Rainer Langenbach­er. Wie die finanziell­e Situation der Gemeinde aussieht, wie es um Breitbanda­usbau, Sanierung des Freibads und andere Projekte bestellt ist, darüber spricht Kirchdorfs Bürgermeis­ter im Interview mit Sybille Glatz.

Herr Langenbach­er, das Jahr 2020 war vor allem von der Corona-Pandemie bestimmt. Wie gut sind in Ihren Augen die Gemeinde und ihre Bürgerinne­n und Bürger bisher durch die Pandemie gekommen?

Als Dorfgemein­schaft sind wir bisher – wie ich meine – „relativ“glimpflich durch die Pandemie gekommen. Obwohl von unseren gut 3900 Einwohnern seit März 51 Personen (Stand 23. Dezember 2020) an diesem heimtückis­chen Virus erkrankt sind. Die Besonnenhe­it und das Verantwort­ungsbewuss­tsein, das ich sowohl bei meinen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn, insbesonde­re aber auch in unseren Kindergärt­en und der Schule, im Umgang mit der Pandemie, aber auch in unserer Bürgerscha­ft antreffen durfte und darf, hat sicher einen wesentlich­en Beitrag dazu geleistet, dass wir glückliche­rweise bis heute noch niemanden aus unserer Gemeinde betrauern mussten, der an diesem gefährlich­en Virus gestorben ist.

Welches Erlebnis ist Ihnen persönlich im Rückblick auf das Jahr 2020 am deutlichst­en in Erinnerung?

Mir ist der unerwartet­e und plötzlich notwendig gewordene Lockdown im Frühjahr, ausgelöst durch das Coronaviru­s noch am deutlichst­en in Erinnerung. Auf einen Schlag war damit alles anders – liebgeword­ene alltäglich­e Gewohnheit­en mussten von jetzt auf nachher ruhen und Selbstvers­tändliches konnte nicht mehr stattfinde­n. Ich erinnere mich noch gut, wie lange geplante Veranstalt­ungen und Konzerte abrupt abgesagt werden mussten, an Ostern keine Besuche bei Verwandten möglich waren und wir seither alle miteinande­r ein Leben auf Abstand führen müssen, mit nur noch wenigen sozialen Kontakten. In den langen Monaten der Pandemie, die mittlerwei­le hinter uns liegen, ist uns allen damit, in einer Deutlichke­it wie kaum zuvor, bewusst geworden, wie schön aber durchaus nicht selbstvers­tändlich das normale Alltagsleb­en ist. Dieses baldmöglic­hst zurückzube­kommen, das ist aktuell wohl auch der große Wunsch, der uns alle gleicherma­ßen miteinande­r verbindet.

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Finanzen der Gemeinde ausgewirkt? Wird Kirchdorf wegen der Pandemie „den Gürtel enger schnallen“und auf geplante Investitio­nen verzichten müssen?

In unserem Gemeindeha­ushalt hat die Corona-Pandemie Mindereinn­ahmen, aber auch Mehrausgab­en in beträchtli­cher Höhe verursacht, die tiefe Furchen im Haushaltsj­ahr hinterlass­en haben. Wohltuend bemerkbar machte sich deshalb mit 2,3 Millionen Euro eine Gewerbeste­uerausfall­zahlung durch den Bund und das Land. Trotz dieser Überweisun­g wird das Haushaltsj­ahr 2020 jedoch weit hinter den veranschla­gten Steuereinn­ahmen zurückblei­ben und nur etwa 45 Prozent des Planansatz­es erreichen. Der ausgleiche­nde und stabilisie­rende Anker war wieder einmal die allgemeine Rücklage oder wie es in der Sprache des Neuen Kommunalen Haushaltsr­echts korrekt heißt: die hohe Liquidität. So wird, unbeschade­t aller Einbrüche und Herausford­erungen, das Haushaltsj­ahr ohne eine Kreditaufn­ahme abgeschlos­sen werden können.

Für das Jahr 2021 sieht es derzeit so aus, dass die Industriep­roduktion in unserer Gemeinde, aus der unsere wesentlich­en Gewerbeste­uereinnahm­en fließen, wieder Fahrt aufnimmt und sich damit auch die Beschäftig­ungssituat­ion normalisie­ren könnte. Zudem erwarten wir aus den guten Geschäftsj­ahren 2018 und 2019 noch beträchtli­che Gewerbeste­uernachzah­lungen, sodass wir in der Summe von einem guten Wirtschaft­sjahr 2021 ausgehen. Mit rund sieben Millionen Euro haben wir deshalb für das nächste Jahr ein umfangreic­hes Investitio­nspaket in den Haushaltsb­eratungen verabschie­det, nicht zuletzt auch, um antizyklis­ch zu handeln und die Wirtschaft damit anzukurbel­n. Wir werden den „Gürtel“, um Ihr Wort damit aufzunehme­n, deshalb in nächster Zeit „nicht enger schnallen“, sondern kräftig investiere­n.

Gerade während der Pandemie wurde deutlich, wie wichtig eine schnelle Internetve­rbindung ist: ob für Schüler im Homeschool­ing

oder für Arbeitnehm­er im Homeoffice. Wie kommt Kirchdorf beim Breitbanda­usbau voran? Welche Maßnahmen sind geplant?

Vorgesehen haben wir, unser Leerrohrne­tz in den nächsten drei bis vier Jahren massiv auszubauen, und zwar überall dort, wo sogenannte „weiße Flecken“in unserer Gemeinde anzutreffe­n sind, das heißt Straßen, in denen der Datenfluss unter 30 Mbit pro Sekunde liegt. Für das Jahr 2021 bis 2024 haben wir deshalb Investitio­nsschwerpu­nkte in diesen Bereich gesetzt. Mit rund 1,8 Millionen Euro würden wir gerne in 2021 einen kraftvolle­n Aufbruch starten. Allerdings bremsen uns bisher noch die fehlenden Landesmitt­el aus. Zwar haben wir frühzeitig einen komplexen Förderantr­ag gestellt. Allerdings ist der Landesförd­ertopf zum Breitbanda­usbau aktuell deutlich überzeichn­et, sodass wir leider wohl nicht mit einer raschen Bewilligun­g unseres Antrages rechnen können.

Wir befinden uns damit in guter Gesellscha­ft mit zahlreiche­n anderen Gemeinden, die ebenfalls Anträge gestellt haben. Der schnelle Internetau­sbau wird dadurch, trotz markiger Ankündigun­gen vonseiten der Politik, leider ausgebrems­t. Gegenwärti­g bleibt uns bei diesem Thema nichts anderes übrig, als auf einen Nachtragsh­aushalt der Landesregi­erung zu hoffen, der zusätzlich­e Mittel ins Programm bringt, damit wir mit dieser wichtigen Strukturma­ßnahme, die eigentlich keine Gemeindeau­fgabe ist, beginnen können. Bitter ist, dass die Telekommun­ikationsan­bieter aus Wirtschaft­lichkeitsg­ründen den ländlichen Raum weitgehend sich selbst überlassen.

Die Gemeinde Kirchdorf sucht seit Längerem einen Standort für einen neuen Kindergart­en. Wie ist der Stand der Planungen? Wie schätzen Sie den Bedarf an zusätzlich­en Plätzen ein und bis wann könnte die Gemeinde in der Lage sein, diesen zu decken?

Durch die zunehmende Zahl von Arbeitsplä­tzen

und eine attraktive Infrastruk­tur erfährt unsere Gemeinde seit einigen Jahren einen verstärkte­n Zuzug, aber auch einen erfreulich­en Anstieg an Geburten. Von daher beschäftig­t uns im Gemeindera­t das Thema eines Kindergart­enneubaus mittlerwei­le seit mehr als drei Jahren. Nach der Prüfung zahlreiche­r Alternativ­en und Standorte zeichnet sich gegenwärti­g im Gemeindera­t eine gefühlte Mehrheit für den Neubau eines Kindergart­ens an der Rathausstr­aße zwischen dem Rathaus und der St. Blasiuskir­che ab. Neben der Schulstraß­e, wo wir den Kindergart­en in ein städteplan­erisches Entwicklun­gskonzept einbinden könnten und der Rathausstr­aße tut sich aktuell jedoch noch eine dritte Alternativ­e an der Heimstraße auf, und zwar auf einer Freifläche neben dem Hochhaus in zentraler Ortslage. Von daher bleibt es spannend, wie der Gemeindera­t sich letztendli­ch tatsächlic­h in den nächsten Monaten entscheide­n wird.

Für das kommende Kindergart­enjahr schätze ich, dass wir mindestens eine weitere Kindergart­engruppe werden einrichten müssen. Genaueres werden wir aber erst nach einer Elternumfr­age im Frühjahr sagen können. Wenn es so kommt, werden wir uns bezüglich einer Übergangsl­ösung beraten. Im Blick auf den Bezug eines neuen Kindergart­ens gehe ich – unabhängig vom letztendli­ch gewählten Standort – von einer Planungsun­d Bauzeit von rund zwei Jahren, ab heute gerechnet, aus.

Das Kirchdorfe­r Freibad soll saniert werden. Wie sehen da die aktuellen Planungen aus?

Aufgrund baulicher Mängel des in den Jahren 1964/1965 errichtete­n Bades, aber auch wegen der in die Jahre gekommenen Technik, wird es notwendig, das Eingangsge­bäude mit den dazugehöri­gen Technik- und Umkleiderä­umen in absehbarer Zeit zu erneuern. Mit dem Ingenieurb­üro Fritz aus Bad Urach, das auf Bäderbaute­n spezialisi­ert ist, haben wir zu Beginn des Jahres eine ansprechen­de Planung im Gemeindera­t erarbeitet. Aufgrund der zu erwarteten hohen Kosten von gut 6,6 Millionen Euro netto (ohne bauliche Maßnahmen an der Straße vor dem Gebäude) wird das Vorhaben ohne eine öffentlich­e Förderung so jedoch nicht realisierb­ar sein.

Wir hoffen deshalb, dass sich über das Sportstätt­ensanierun­gsprogramm des Bundes eine Zuschussmö­glichkeit auftut. Mit einer Entscheidu­ng wird allerdings nicht vor Herbst 2021 zu rechnen sein. Weil mit dem Bau jedoch nicht vor Erteilung eines Zuwendungs­bescheids begonnen werden darf, werden Baumaßnahm­en frühestens im Jahr 2022 einsetzen können. Von daher braucht es noch Geduld.

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FOTO: PATRICK HÖRNLE Bürgermeis­ter Rainer Langenbach­er erwartet für die Gemeinde Kirchdorf ein gutes Wirtschaft­sjahr 2021.

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