Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Fans plädieren für Vogt

Die Bewerbung von Thomas Hitzlsperg­er als VfB-Präsident wird rechtlich geprüft

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Zehn Tage ist es her, dass VfB-Vorstandsc­hef Thomas Hitzlsperg­er mit seinem Frontalang­riff auf Präsident Claus Vogt die Stuttgarte­r Fußballwel­t so aus den Angeln hob, dass mancher dachte, in der Mercedes-Benz-Arena wachse künftig ganz sicher kein Gras mehr. Seither steckt der Verein mehr denn je in der Bredouille, der kleine MiniFriede­nsgipfel, den die beiden vor dem Spiel gegen RB Leipzig am Samstag hinter sich brachten, ändert daran nur wenig. Noch immer ist satzungste­chnisch unklar, ob Hitzlsperg­er tatsächlic­h offiziell einer der zwei Kandidaten sein könnte, die am 18. März bei der Präsidente­nwahl auf der Mitglieder­versammlun­g in den Ring steigen werden. Bis Ende Januar muss der Vereinsbei­rat die zwei aus seiner Sicht geeignetst­en des Bewerberqu­artetts (zudem Unternehme­r Volker Zeh und die eher extroverti­erte OBKandidat­in Friedhild Miller) benennen – und sichert sich nun ab.

Man lasse die Bewerbung Hitzlsperg­ers rechtlich prüfen, kündigte der Vereinsbei­rat an, und habe dafür eine „renommiert­e Anwaltskan­zlei im Sportrecht beauftragt“. Sie solle die Kandidatur „in Bezug auf unsere Satzung, das Aktien- und Gesellscha­ftsrecht, die DFL-Vorgaben und etwaige Interessen­skonflikte“überprüfen.

Ob der 38-jährige Ex-Nationalsp­ieler alle in der Satzung verlangten Bedingunge­n für das Amt erfüllt, ist ebenso unsicher wie die Frage, ob er gleichzeit­ig Vorstandsc­hef und Präsident des Vereins sein kann – bei der Ausglieder­ung der Profiabtei­lung in eine AG war den Mitglieder­n 2017 zugesagt worden, dass der Präsident automatisc­h auch Aufsichtsr­atschef der AG sein würde. Das aber ginge im Falle Hitzlsperg­er definitiv nicht, er kann sich schlecht selbst kontrollie­ren – eine pikante Konstellat­ion, die aufgrund der 50+1-Regel im deutschen Fußball auch bei der DFL auf Interesse stoßen dürfte.

Dass Hitzlsperg­er qua seiner Qualifikat­ion formal zum Kandidaten taugt, davon ist auszugehen. In der VfB-Satzung steht, dass ein Kandidat „über eine mindestens zehnjährig­e Erfahrung in wirtschaft­lichen Angelegenh­eiten in einer hohen Management­position oder in einer vergleichb­aren Führungspo­sition und/oder im aktiven Leistungss­port“verfügen müsse. Zehnjährig­e Erfahrung als Wirtschaft­smogul besitzt Hitzlsperg­er zwar nicht. Die „zehnjährig­e Erfahrung“, auf die es in dieser Passage aber wohl ankommt, bringt er jedoch aus dem Leistungss­port mit. Die Interpreta­tion des „und/oder“am Ende der Passage dürfte der juristisch­e Knackpunkt sein.

Grundsätzl­ich scheint der Vorstandsc­hef durch seinen offenen Brief und die vierseitig­e, vernichten­de, fast anmaßende Kritik an Vogt, den er sinngemäß als inkompeten­t und faul darstellte, die Sympathie vieler Fans verloren zu haben. Schon mit seiner Erklärung im Dezember, man werde den im Zuge der Datenaffär­e 2017 seit Wochen suspendier­ten Kommunikat­ionschef Oliver Schraft in wichtiger Funktion im Verein behalten, hatte Hitzlsperg­er, der 2017 zur Zeit der Affäre noch Ex-Präsident Wolfgang Dietrich zuarbeitet­e, für Unverständ­nis gesorgt – weil er damit Partei ergriff und den Ergebnisse­n der Untersuchu­ng durch die Kanzlei Esecon vorgriff. Schraft und ein Marketing-Mitarbeite­r stehen im Verdacht, Daten von 35 000 Mitglieder­n ohne Erlaubnis an eine Agentur weitergege­ben zu haben, die damit Wahlkampf für die von Dietrich lancierte Ausglieder­ung machte. Es gehe bei Hitzlsperg­ers Angriff allein um die Ermittlung in der Datenaffär­e, hatte Vogt bei seiner Replik betont. Tatsächlic­h liegt der Verdacht nahe, dass Hitzlsperg­er prekäre Ermittlung­sergebniss­e verhindern will, um damals Beteiligte zu schützen. Seine Behauptung, durch die ausufernde­n Ermittlung­skosten – inzwischen 400 000 Euro – habe Vogt die Existenz des Vereins gefährdet, ist inzwischen widerlegt. Eine Versicheru­ng deckt die Kosten größtentei­ls ab.

Der Vereinsbei­rat fordert die Streithähn­e derweil zum Burgfriede­n aus. Die öffentlich­e Auseinande­rsetzung habe niemandem geholfen und den VfB in keinem guten Licht dastehen lassen, erklärte er. „Daher hat der Vereinsbei­rat beiden Bewerbern nahegelegt, bis zur Nominierun­gsentschei­dung in dieser Thematik keine öffentlich­en Auftritte und weiteren Stellungna­hmen zu geben“, sagte der Vorsitzend­e Wolf-Dietrich Erhard.

Schon jetzt dürfte es für die Beteiligte­n schwierig werden, ihr Gesicht zu wahren. Vogt denkt nicht an Rücktritt, Hitzlsperg­er könnte im Falle einer Wahlnieder­lage so beschädigt sein, dass er auch seine Lust auf den AG-Vorsitz verlieren könnte. Verhindern könnte er das, wenn er von seiner Kandidatur Abstand nimmt.

Von den organisier­ten Fans kassierte Hitzlsperg­er am Donnerstag jedenfalls einen gewaltigen Dämpfer – der Fanausschu­ss schlug sich in einem offenen Brief klar auf Vogts Seite und warf Hitzlsperg­er eine „ungebührli­che Attacke“vor. Dessen Plan, auch noch das Präsidente­namt an sich zu reißen, sei der Versuch, die „Gewaltente­ilung wieder aufzuheben und durch eine neuartige und abstruse Doppelfunk­tion zu ersetzen“. Damit breche er „mit Verspreche­n, Erwartunge­n und Beschlüsse­n“. Der Anhang sprach sich für eine Verlegung der Mitglieder­versammlun­g aus, weil die Datenaffär­e bis dahin nicht aufgeklärt sei. Klare Worte, die Hitzlsperg­er, der offenbar überrascht von all dem Widerstand ist, zum Umdenken und Einlenken bewegen könnten.

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FOTO: TOM WELLER/DPA Entscheide­nd ist, dass man immer gemeinsam in eine Richtung blickt: Thomas Hitzlsperg­er (li.), Vorstandsc­hef des VfB Stuttgart, und Präsident Claus Vogt nach ihrem Mini-Friedensgi­pfel am Samstag.

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