Schwäbische Zeitung (Biberach)
Jobs für Arbeitslose durch Amazon-Ansiedlung?
Arbeitsagentur und Vizepräsident der IHK Schwaben sehen positive Aspekte in den Plänen
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MEMMINGEN - Über die Pläne des Versandhandel-Riesen Amazon, nahe dem Allgäu-Airport ein Verteilzentrum für seine Pakete zu errichten, gehen die Meinungen weit auseinander. Vor allem Kommunalpolitiker wehren sich dagegen, weil sie den heimischen Einzelhandel zunehmend bedroht sehen. Doch es gibt auch Stimmen für eine Ansiedlung.
Nachdem bereits der schwäbische stellvertretende IHK-Präsident und Memminger Unternehmer Gerhard Pfeifer durchaus Vorteile für die Region durch die Pläne sieht, liefert ein weiterer Firmenchef Argumente pro Amazon. „Eigentlich sind der Onlinehandel und der Einzelhandel nur bedingt Konkurrenten – beide haben unterschiedliche Geschäftsmodelle“, sagt Albert Schultz, der auch Vizepräsident der IHK Schwaben ist. Etwa bei Büchern, Musik und Filmen sei die Konkurrenz speziell mit Amazon groß. Er selbst kaufe diese Artikel oft. „Da schaue ich zuerst im Fachhandel in Memmingen. Erst wenn es dort nicht schnell verfügbar ist, bestelle ich online.“
Vor Ort in Memmingen genieße er das reale Einkaufserlebnis, betont Schultz. Daher findet er den noch frischen Beschluss des Memminger Stadtrats, den Weinmarkt bis 2025 autofrei zu machen, schlimmer als eine Amazon-Ansiedlung. „Dann werden die Menschen ausgesperrt, das schadet unserem Einzelhandel.“Im Gegensatz zu urbanen Ballungsräumen hätten die Menschen in der schwäbischen Provinz oftmals keine Alternative zum Auto, um die Oberzentren zu erreichen.
Umstritten ist Amazon auch, weil das Unternehmen ein Grundstück nutzen will, das die Kritiker als zu wertvoll für ein Verteilzentrum erachten. „In unserer schönen Region sind schon diverse HochtechnologieFirmen angesiedelt und weitere sind herzlich willkommen! Wir brauchen aber auch in Zukunft starke Arbeitgeber im Niedriglohnsektor“, kontert Schultz. Und das wäre zum Beispiel Amazon – während des Jahres für rund 140 Menschen, zu den PaketeHochzeiten im November und Dezember etwa 200.
Unterstützung in Sachen Amazon bekommen Pfeifer und Schultz von der Agentur für Arbeit KemptenMemmingen. „Die Beschäftigungsstruktur in Memmingen und dem Unterallgäu könnte von Amazon bedient werden“, sagt Armin Iqbal. Er meint damit die 106 Arbeitsuchenden in Memmingen und 247 im Unterallgäu (Stand November), die wegen fehlender Ausbildung oder für andere Berufe nicht ausreichender Qualifizierung für die Arbeit in einem Versandzentrum infrage kämen. „Das wäre eine Chance für diesen Personenkreis“, sagt Iqbal.
Einig mit den Amazon-Kritikern ist sich Schultz beim Thema Unternehmens-Steuern. „Das Thema kann nur auf EU-Ebene geklärt werden“, sagt der Firmenchef. Die Gewerbesteuer und Lohnsteueranteile würden aber sehr wohl vor Ort gezahlt und man könne sich nun überlegen, ob dies im Unterallgäu oder woanders stattfinden werde.
Es nutze nichts, Amazon dauernd als „böse“darzustellen, wie das beispielsweise die Gewerkschaft Verdi mache. „Der Digitalhandel lässt sich nicht aufhalten und wird durch die Pandemie noch beschleunigt“, sagt Schultz. Wenn das US-Unternehmen in Memmingerberg sein Verteilzentrum bauen lasse, würden davon auch heimische Firmen profitieren, die daran beteiligt wären. Amazon plant, ein Gebäude nach neuesten ökologischen Standards bauen zu lassen, und will es für mindestens 15 Jahre mieten.
Über den Verkauf des Grundstücks wollen die Eigentümer – eine Gesellschaft aus Landkreisen, Kommunen, Banken und dem Airport – voraussichtlich Mitte Januar entscheiden.