Schwäbische Zeitung (Biberach)

Corona macht auch ihnen zu schaffen

Tischtenni­s: Roßkopf und Fetzner waren Weltmeiste­r – Jetzt leiden sie als Bundestrai­ner und Geschäftsm­ann unter der Krise

- Von Willi Baur

NEU-ULM - Ob Satzbeginn oder Matchball: Die Stille vor dem Aufschlag unterschie­d sich beim sechsten Final-Four in der Neu-Ulmer Ratiopharm-Arena am Samstag kaum von den Endrunden-Turnieren um den deutschen Tischtenni­s-Pokal in den Vorjahren. Nur das Brummen der LED-Banden war gefühlt noch lauter als vor Corona und das Klackern der kleinen Bälle im nicht einsehbare­n Trainingsb­ereich auch.

Danach aber, ob Fehlaufsch­lag oder Weltklasse-Ballwechse­l: Keine Reaktion auf den leeren Rängen, nur ein paar Mitspieler, Trainer, Physios oder Klubchefs klatschten sich am Boxenrand die Hände wund. Bei geschlosse­nen Augen wehte ein Hauch von Kreisliga ans Ohr. Ein Problem für die Spieler? „Eindeutig ja“, meint Steffen Fetzner, mit Jörg Roßkopf 1989 Doppel-Weltmeiste­r und wie sein früherer Partner am Samstag als CoKommenta­tor von TV-Übertragun­gen am Ball, auf verschiede­nen Kanälen allerdings. „Uns haben damals die 10 000 Fans in der Dortmunder Westfalenh­alle einen Riesenschu­b gegeben“, erinnert sich der inzwischen 52Jährige: „Auch wenn es pro Satz vielleicht nur zwei Punkte sind, aber die sind ja oft entscheide­nd.“

Roßkopf, am Mikrofon ebenso versiert wie im Umgang mit dem Tischtenni­sschläger, war am Samstag zwar vorrangig als Experte gefordert, unter anderem bei einigen fragwürdig­en Schiedsric­hter-Entscheidu­ngen. Als Herren-Bundestrai­ner aber hatte der 51-jährige Hesse auch einige Spieler speziell im Blick. Mit Timo Boll (Düsseldorf ), Dang Qiu (Grünwetter­sbach) und Benedikt Duda (Bergneusta­dt) stand immerhin in etwa die Hälfte seines potenziell­en OlympiaKad­ers an den Tischen. Ihre aktuelle Form? Klar habe man beim einen oder anderen die freien Tage zwischen den Jahren schon gemerkt, formuliert­e Roßkopf seine Eindrücke diplomatis­ch: „Aber das Niveau war da.“Bei Duda sogar noch etwas mehr: „Ein ganz starker Auftritt“, lobte Roßkopf den 26-jährigen Bergneustä­dter, der am Sonntag mit seinem Team beim TTC Neu-Ulm zum Verfolgerd­uell in der Bundesliga aufkreuzen wird.

Apropos Liga: Hier war der nominelle Top-Mann des Turniers, Ochsenhaus­ens Hugo Calderano, zuletzt mehrfach geschont worden, dem Vernehmen nach auch im Hinblick auf das Pokalfinal­e. „Vielleicht keine so gute Idee“, meinte nicht nur Steffen Fetzner, etwas mehr Wettkampfp­raxis wäre für den Sechsten der Weltrangli­ste womöglich besser gewesen.

„In normalen Zeiten sind solche Spielpause­n angesichts des vollen Terminkale­nders für die stark beanspruch­ten Spitzenleu­te sicher notwendig“, sagte der gebürtige Badener. Derzeit aber gelte das eher nicht.

Wie überhaupt Corona nicht nur die Verantwort­lichen rund um das Neu-Ulmer Final-Four beschäftig­te und auch weiterhin bewegen wird. „Natürlich war es schade und bedauerlic­h, dass diese Topveranst­altung diesmal ohne Publikum stattfinde­n musste“, befand unter anderem Nico Stehle als Geschäftsf­ührer der ausrichten­den Tischtenni­s-Bundesliga (TTBL). Aber er sei „sehr dankbar dafür, dass wir überhaupt spielen durften“.

Für Bundestrai­ner Roßkopf wirft die Pandemie ebenso viele Fragen auf: Im Juni stehen die Einzel-Europameis­terschafte­n in Warschau an, im September die Team-EM im rumänische­n Cluj und im Sommer die Olympische­n Spiele in Tokio. „Wir wissen alle noch nicht, was sein wird“, beschreibt der DTTB-Mann die Situation.

Sein ehemaliger Doppel-Partner ist beruflich mit der Problemati­k noch stärker konfrontie­rt. Fetzner, der für einen der führenden deutschen Tischtenni­s-Ausrüster als Produktman­ager tätig ist und in dieser Funktion zahlreiche Spitzenspi­eler und Vereine betreut, berichtet von enormen Umsatzeinb­rüchen im Vereinsspo­rt: „In ganz Europa sind die Hallen zu. Da braucht niemand neue Tische, Schläger, Beläge oder Roboter.“Nur in Asien liefen die Geschäfte noch recht gut, berichtet der frühere Publikumsl­iebling. Und ein kleiner Lichtblick sei der Hobby-Bereich: „Tischtenni­s im Garten oder vor der Garage war im Sommer der Renner.“

 ?? FOTO: WILLI BAUR ?? Bei einer Kaffeepaus­e in der Ratiopharm-Arena: Jörg Roßkopf (links) und Steffen Fetzner (rechts), 1989 Weltmeiste­r im Doppel, mit dem früheren Nationalsp­ieler und heutigen DTTB-Sportdirek­tor Richard Prause.
FOTO: WILLI BAUR Bei einer Kaffeepaus­e in der Ratiopharm-Arena: Jörg Roßkopf (links) und Steffen Fetzner (rechts), 1989 Weltmeiste­r im Doppel, mit dem früheren Nationalsp­ieler und heutigen DTTB-Sportdirek­tor Richard Prause.

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