Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wie ein Biberacher Corona in China erlebt
Harte Regeln bestimmen die Arbeit von Wolfgang Rudischhauser und seine privaten Pläne
BIBERACH - Was waren das für Bilder, als die chinesische Regierung die Stadt Wuhan Ende Januar vergangenen Jahres wegen eines Corona-Ausbruchs abriegelte. Ein Shutdown im Kreis Biberach? Damals unvorstellbar. Ein Jahr später erleben die Menschen hierzulande ein zweites Mal strikte Ausgangsbeschränkungen. Der in Biberach aufgewachsene Wolfgang Rudischhauser hat den Beginn der Corona-Pandemie in China miterlebt (SZ berichtete). Er arbeitet in Chengdu als Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland. Im Interview mit Daniel Häfele spricht der 61-Jährige darüber, wie er auf die Entwicklung in Deutschland blickt und unter welchen Bedingungen sich das Leben in China normalisiert.
Als wir vor fast einem Jahr miteinander sprachen, war Corona in China schon sehr präsent, in Europa dagegen noch eine Randnotiz. Nun scheint es andersherum zu sein. Wie ist die Lage bei Ihnen?
Im Frühjahr war hier der Höhepunkt an Corona-Infektionen erreicht. Seitdem sind laut offiziellen Angaben kaum neue Fälle und Tote hinzugekommen. Das Leben hat sich weitestgehend normalisiert, wobei viele Menschen immer noch sehr vorsichtig mit Kontakten sind. Das Tragen einer Maske gehört hier weiter zum Straßenbild. Treten ein paar wenige neue Fälle auf, reagiert der Staat mit harten Maßnahmen und ordnet Tausende Testungen an. Zudem gibt es strenge Quarantäneregeln für Einreisende. Eine zweite Welle wie in Europa soll verhindert werden.
Der Shutdown in Deutschland wurde verlängert, es gibt hitzige Diskussionen um die Impfstrategie – wie erleben Sie Ihr Heimatland von außen betrachtet?
In den Augen vieler meiner chinesischen Gesprächspartner wirkt die deutsche Politik vielleicht etwas zu zögerlich. Natürlich beobachten wir, wie andere Länder mit der Pandemie umgehen. Es ist eine meiner Aufgaben, die hier gemachten Erfahrungen nach Deutschland zu berichten. Aufgrund ihrer unterschiedlichen politischen Systeme und unterschiedlicher rechtlicher und geografischer Rahmenbedingungen lässt sich nicht alles eins zu eins übernehmen. Dennoch lohnt sich selbstverständlich der Blick auf erfolgreiche Maßnahmen anderer Länder. Australien, Korea, Taiwan oder Neuseeland zum Beispiel gelang es mit dekommen. mokratischen Mitteln, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen.
Wie hat Corona Ihre Arbeit als Generalkonsul geprägt?
Für unsere Arbeit war die Pandemie in mehreren Hinsichten einschneidend. In kulturellen, wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Bereichen waren Begegnungen kaum bis gar nicht mehr möglich. Es wird dauern, all dies wieder ins Laufen zu be
● Zudem hat uns die Einreise von Arbeitskräften aus Deutschland und deren Angehörigen nach China schwer beschäftigt. Fehlende Flugverbindungen und Quarantäneregeln sind hierfür Gründe. Ich habe die Sorge, China könnte sich weiter verschließen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Europa die Pandemie in den Griff bekommt.
Wie meinen Sie das?
Je höher die Infektionszahlen in Europa, desto härter die Einreisebestimmungen der chinesischen Regierung, um das Virus draußen zu halten. Unser Ziel muss sein, dass China für ausländische Firmen weiter offen bleibt. China bleibt ein wichtiger Handelspartner und Absatzmarkt für deutsche Firmen, beispielsweise den baden-württembergischen Autobauer Daimler. Viele Unternehmen verdienen nach wie vor blendend in China. Gute Kooperationen müssen weiter möglich bleiben.
Sie versuchen, zweimal im Jahr nach Biberach zu kommen, um Ihre Familie zu besuchen. Blieb Ihnen das 2020 verwehrt?
Als die Infektionszahlen im Sommer gering waren, bin ich in Biberach gewesen. Das hat glücklicherweise geklappt. Eigentlich bin ich auch an Weihnachten immer gerne nach Hause geflogen, doch jetzt ging es nicht. Einerseits wäre eine Rückreise nach China kompliziert gewesen, andererseits hatte ich die Sorge, mir eine Corona-Infektion auf der Reise einzufangen und möglicherweise meine Eltern zu infizieren. Also bin ich diesmal in China geblieben.
Wie haben Sie Weihnachten in China gefeiert? Dort hat das demnächst anstehende Neujahrsfest eine deutlich größere Bedeutung.
Man kann in China durchaus ein schönes Weihnachtsfest verbringen. Aber es bedarf einiges an Vorbereitung. So habe ich mir im Vorfeld einen echten Weihnachtsbaum von Shanghai nach Chengdu liefern lassen. Dekoration wie Weihnachtspyramide beziehungsweise Weihnachtsbogen gibt es hier zuhauf, wird das meiste für den europäischen Markt doch hier hergestellt. Bereits im Sommer habe ich mir Lebkuchen und anderes haltbares Weihnachtsgebäck in Deutschland bestellt, damit es pünktlich hier eintrifft.
Mit welchen Hoffnungen sind Sie ins neue Jahr gestartet?
Ich gehe mit Zuversicht in dieses Jahr. Die nun startenden Impfungen geben mir Hoffnung, dass es aufwärts geht und Reisen wieder einfacher möglich sein werden. Vermisst habe ich vor allem, Familie und Freude persönlich treffen zu können. Spannend für meine Arbeit wird, wie gut sich die deutsche Wirtschaft erholen und ob sich China wieder mehr für ausländische Investoren öffnen wird.