Schwäbische Zeitung (Biberach)
Hoch Siegfried überm Bosporus
Für Aufsehen sorgte einst eine Winzergenossenschaft im südlichen Breisgau. „Macht die Frau ein Donnerwetter, trink ein Viertel Ehrenstetter“stand bis Ende der 1980er auf ihren Weinflaschen. Manche fanden das witzig, manche überhaupt nicht, vor allem Frauen. Und so starteten sie eine Demarche, die letztlich für eine frauenpolitisch korrekte Etikettierung sorgte – mit Recht.
Nun scheint die problematische Verbindung von weiblichen Wesen mit Wetterphänomenen ein Charakteristikum zu sein. Von 1900 an war es weltweit über lange Zeit üblich, Wirbelstürmen nur weibliche Namen zu geben. Das blieb später auch so bei der Benennung von Hochs und Tiefs. Hochs waren männlich, Tiefs weiblich – was dann aber zusehends Unmut erzeugte. Denn Tiefs bringen in der Regel schlechtes Wetter, bei Hochs hingegen strahlt meist die Sonne. Da wollten die Frauen mitstrahlen. So wurde in den USA schon seit Mitte der 1970er jährlich abgewechselt. Bei uns, wo seit 1954 das Meteorologische Institut der FU Berlin die Namen vergibt, dauerte es länger, aber 1998 kam dann doch der Genderproporz – mit Recht.
2002 wurde zudem eine
ins Leben gerufen. Will heißen: Man kann sich einen Namen kaufen: 240 Euro kostet ein Tief, 360 ein Hoch, weil die länger dauern. Eine hübsche Idee – wenn man sie nicht missbraucht. „Wir kapern das Wetter“, verkündeten unlängst die
eine Organisation von Medienleuten vornehmlich mit Migrationshintergrund. Sie kauften für 2021 auf Vorrat 14 Namen von Hochs und Tiefs – mehr ging nicht. Sinn und Zweck der Kampagne unter dem Titel ist es laut der Vorsitzenden der Organisation, Ferda Ataman, die Vielfalt in der Bevölkerung sichtbar zu machen. So heißen die ersten Tiefs des Jahres Ahmed, Bartosz, Cemal, Dimitrios, Erhan, Flaviu, Goran, Hakim, Irek und Jussuf. Nun freuen sich sicher manche Zeitgenossen mit türkischen Wurzeln, wenn im Wetterbericht – wie vor zwei Wochen – vom die Rede ist. Es sei ihnen gegönnt. Aber schauen wir einmal die Argumentation dieser näher an: Bisher hätten die Hoch- und Tiefdruckgebiete fast nur urdeutsche
● Namen getragen, obwohl sie jedes Jahr neu getauft würden. Aber das Wetter gehöre allen, und die Namen dieser Wetter-Patenschaften sollten nicht so klingen, als wäre Deutschland ein Germanen-Reservoir… Im Januar und Februar 2020 zogen die Tiefs
und zum
Also Übertreibung als Prinzip. Das verwundert auch nicht bei Ferda Ataman, die Konfliktpotenzial stets lustvoll ausschöpft bis zur Neige. So forderte sie etwa 2018 die Abschaffung des Begriffs
weil Menschen mit diesem Hintergrund in Deutschland „doch längst in der Mehrheit“seien. Dabei zählte sie
über uns hinweg. So viel
Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
stillschweigend die Millionen Deutschen mit, die nach dem Krieg aus ihrer alten Heimat vertrieben wurden – und das ist laut Bundesgesetz unstatthaft, was sie genau wusste. So etwas nennt man Provokation ohne Rücksicht auf die Flurschäden – und das ist allenfalls Munition für rechte Kreise.
Mal eine ketzerische Überlegung: Wenn nicht gerade Corona die Saison verdirbt, tummeln sich alljährlich rund fünf Millionen Deutsche in der Türkei. Käme je einer auf die Idee, dort einmal zur Abwechslung für ein Hoch namens Siegfried auf der Wetterkarte zu plädieren? Natürlich nicht. Eben.
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