Schwäbische Zeitung (Biberach)
Amazon-Projekt: geteiltes Echo zum Kurswechsel
Wie Politik und Handel den neuen Standort des Verteilzentrums bewerten
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MEMMINGEN - Die aktuelle Rochade bei der Ansiedlung eines AmazonVerteilzentrums am Memminger Flughafen löst im Allgäu unterschiedliche Reaktionen aus. Das Echo reicht von unverhohlener Kritik am Schachzug der Flughafen-Gesellschaft bis zur deutlichen Zustimmung. Wie berichtet, will die Allgäu Airport GmbH (AAP) die regionale Niederlassung des Versandriesen nicht mehr auf dem Grundstück errichten lassen, bei dem Städte und Landkreise Miteigentümer sind. Wegen der anhaltenden Proteste von Politik und Einzelhandel nimmt die Flughafen-Gesellschaft vielmehr einen anderen Standort ins Visier: Das Verteilzentrum soll in nur 50 Meter Entfernung auf flughafeneigenem Gelände entstehen.
Der Unternehmer und AirportGründungsgesellschafter Gerhard Pfeifer wehrt sich dagegen, diesen Kurswechsel als „Taschenspielertrick“zu sehen: Es sei immer das Ansinnen der AAP gewesen, das Projekt auf kommunalem Grund zu verwirklichen – „damit die Gemeinden, die dort ihr Geld investiert haben, auch wieder Geld aus dem Verkauf bekommen.“Amazon dauernd schlecht zu machen, helfe nicht weiter, sagt der Vize-Präsident der IHK Schwaben. Der US-Handelsriese schaffe in Memmingerberg Hunderte Arbeitsplätze und bringe die Digitalisierung voran. „Die Ansiedlung von Amazon hat mit dem Einzelhandel in Memmingen nichts zu tun.“Die Entscheidung, wo man einkaufe, treffe jeder für sich. Der Einzelhandel müsse sich dem Strukturwandel stellen – dabei wolle auch die IHK helfen. Anders Hermann Oßwald, Chef des Memminger Stadtmarketings: „Der wachsende Versandhandel führt zu noch mehr Druck auf den stationären Handel, gerade im Lockdown.“Die Folge: weitere
Schließungen und verödende Innenstädte. Für diesen Negativ-Wandel stehe in öffentlicher Wahrnehmung sinnbildlich Amazon.
„Die aktuelle Entscheidung ist keine vertrauensbildende Maßnahme“, sagt Elmar Stegmann (CSU). „Und sie ist kein gutes Signal an die Kommunen, die dem Airport in wirtschaftlich schwerer Zeit geholfen haben.“Der Lindauer Landrat verweist dabei auf die über sechs Millionen Euro, die Allgäuer Städte und Landkreise in die Gewerbefläche investiert hatten. Er bleibt bei der Position: „Wir als Kommunen sollten nicht Steigbügelhalter für ein Unternehmen sein, das dazu beiträgt, dass der örtliche Einzelhandel verödet.“Kemptens OB Thomas Kiechle (CSU) sieht die Rochade ebenfalls skeptisch: Auch wenn die Entscheidung nachvollziehbar sei – „mit meiner Zustimmung wäre das nicht geschehen“. Kiechle räumt ein, dass Amazon irgendwo im Umkreis sicher ein Grundstück gefunden hätte. Die Antwort der Kommunen müsse nun lauten: „Den örtlichen Handel stärken und die Innenstädte zum Erlebnis machen.“Pragmatisch auch Kaufbeurens OB Stefan Bosse (CSU): „Ich finde es gut, dass das Thema jetzt nicht mehr das ganze Allgäu verunsichert, sondern vor Ort entschieden wird.“
Einig sind sich die Politiker, dass sich auf dem kommunalen Gewerbegebiet am Airport regionale Unternehmen ansiedeln sollten – am besten aus dem Bereich neue Technologien, Fahrzeugforschung oder Luftfahrt. Memmingens OB Manfred Schilder (CSU) wünscht sich, dass die Grundstücks-Gesellschaft definiert, wie das Gelände am Airport zu vermarkten ist, zudem soll sie auf Interessenten zugehen. Übers Knie brechen sollte man aber nichts, findet OB Kiechle. Und Stegmann ergänzt: „Es geht nicht darum, um jeden Preis Flächen zu verkaufen. Da geht Qualität vor Schnelligkeit.“