Schwäbische Zeitung (Biberach)

Amazon-Projekt: geteiltes Echo zum Kurswechse­l

Wie Politik und Handel den neuen Standort des Verteilzen­trums bewerten

- Von Markus Raffler und Thomas Schwarz

MEMMINGEN - Die aktuelle Rochade bei der Ansiedlung eines AmazonVert­eilzentrum­s am Memminger Flughafen löst im Allgäu unterschie­dliche Reaktionen aus. Das Echo reicht von unverhohle­ner Kritik am Schachzug der Flughafen-Gesellscha­ft bis zur deutlichen Zustimmung. Wie berichtet, will die Allgäu Airport GmbH (AAP) die regionale Niederlass­ung des Versandrie­sen nicht mehr auf dem Grundstück errichten lassen, bei dem Städte und Landkreise Miteigentü­mer sind. Wegen der anhaltende­n Proteste von Politik und Einzelhand­el nimmt die Flughafen-Gesellscha­ft vielmehr einen anderen Standort ins Visier: Das Verteilzen­trum soll in nur 50 Meter Entfernung auf flughafene­igenem Gelände entstehen.

Der Unternehme­r und AirportGrü­ndungsgese­llschafter Gerhard Pfeifer wehrt sich dagegen, diesen Kurswechse­l als „Taschenspi­elertrick“zu sehen: Es sei immer das Ansinnen der AAP gewesen, das Projekt auf kommunalem Grund zu verwirklic­hen – „damit die Gemeinden, die dort ihr Geld investiert haben, auch wieder Geld aus dem Verkauf bekommen.“Amazon dauernd schlecht zu machen, helfe nicht weiter, sagt der Vize-Präsident der IHK Schwaben. Der US-Handelsrie­se schaffe in Memmingerb­erg Hunderte Arbeitsplä­tze und bringe die Digitalisi­erung voran. „Die Ansiedlung von Amazon hat mit dem Einzelhand­el in Memmingen nichts zu tun.“Die Entscheidu­ng, wo man einkaufe, treffe jeder für sich. Der Einzelhand­el müsse sich dem Strukturwa­ndel stellen – dabei wolle auch die IHK helfen. Anders Hermann Oßwald, Chef des Memminger Stadtmarke­tings: „Der wachsende Versandhan­del führt zu noch mehr Druck auf den stationäre­n Handel, gerade im Lockdown.“Die Folge: weitere

Schließung­en und verödende Innenstädt­e. Für diesen Negativ-Wandel stehe in öffentlich­er Wahrnehmun­g sinnbildli­ch Amazon.

„Die aktuelle Entscheidu­ng ist keine vertrauens­bildende Maßnahme“, sagt Elmar Stegmann (CSU). „Und sie ist kein gutes Signal an die Kommunen, die dem Airport in wirtschaft­lich schwerer Zeit geholfen haben.“Der Lindauer Landrat verweist dabei auf die über sechs Millionen Euro, die Allgäuer Städte und Landkreise in die Gewerbeflä­che investiert hatten. Er bleibt bei der Position: „Wir als Kommunen sollten nicht Steigbügel­halter für ein Unternehme­n sein, das dazu beiträgt, dass der örtliche Einzelhand­el verödet.“Kemptens OB Thomas Kiechle (CSU) sieht die Rochade ebenfalls skeptisch: Auch wenn die Entscheidu­ng nachvollzi­ehbar sei – „mit meiner Zustimmung wäre das nicht geschehen“. Kiechle räumt ein, dass Amazon irgendwo im Umkreis sicher ein Grundstück gefunden hätte. Die Antwort der Kommunen müsse nun lauten: „Den örtlichen Handel stärken und die Innenstädt­e zum Erlebnis machen.“Pragmatisc­h auch Kaufbeuren­s OB Stefan Bosse (CSU): „Ich finde es gut, dass das Thema jetzt nicht mehr das ganze Allgäu verunsiche­rt, sondern vor Ort entschiede­n wird.“

Einig sind sich die Politiker, dass sich auf dem kommunalen Gewerbegeb­iet am Airport regionale Unternehme­n ansiedeln sollten – am besten aus dem Bereich neue Technologi­en, Fahrzeugfo­rschung oder Luftfahrt. Memmingens OB Manfred Schilder (CSU) wünscht sich, dass die Grundstück­s-Gesellscha­ft definiert, wie das Gelände am Airport zu vermarkten ist, zudem soll sie auf Interessen­ten zugehen. Übers Knie brechen sollte man aber nichts, findet OB Kiechle. Und Stegmann ergänzt: „Es geht nicht darum, um jeden Preis Flächen zu verkaufen. Da geht Qualität vor Schnelligk­eit.“

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