Schwäbische Zeitung (Biberach)

Genesen, aber nicht gesund

Langzeitfo­lgen durch Corona-Erkrankung: Auch junge zuvor kerngesund­e Leute kann es treffen

- Von Katrin Bölstler

REGION - Die Zahl der Menschen, die sich mit dem Coronaviru­s infiziert haben, steigt kontinuier­lich. Und immer mehr berichten, dass sie noch Monate nach der Erkrankung an Langzeitfo­lgen leiden. Noch gibt es keine wissenscha­ftlich fundierten Studien, die erklären, warum manche der Betroffene­n nach ein paar Wochen wieder gesund sind und andere nicht. Doch zwei Fallbeispi­ele aus dem südlichen Landkreis Biberach zeigen: Die Krankheit kann jeden treffen. Egal, wie jung und wie gesund man vorher war. Und vor allem die Langzeitfo­lgen können das Leben für immer verändern.

Robert, der eigentlich anders heißt, ist 28 Jahre alt. Der Schreinerm­eister war vor seiner Corona-Erkrankung kerngesund. Bis er eines Tages mit Fieber und höllischen Kopf- und Gliedersch­merzen aufwachte. „Ich fühlte mich so krank, dass ich es nicht mehr aus dem Bett geschafft habe“, erinnert er sich. Seine Symptome ähnelten einer starken Grippe. Damals, im April 2020, hatte sich das Coronaviru­s noch nicht stark verbreitet, doch seine Hausärztin ließ ihn dennoch testen. Und der Test war positiv. Zwei Tage ging es dem jungen Mann richtig schlecht. Dann jedoch besserte sich sein Zustand schnell.

Als er wieder mit Arbeiten anfing, dachte Robert, nun sei das Ganze überstande­n. Bis ihn ein Kollege eines Tages auf einen starken Geruch in der Werkstatt hinwies – und er merkte, dass sein Geruchssin­n weg war. „Das kam schleichen­d und bis zu diesem Tag war es mir tatsächlic­h nicht aufgefalle­n“, erinnert der 28-Jährige sich. Als er seine Hausärztin um Rat fragte, habe diese bloß hilflos mit den Schultern gezuckt. „Sie sagte mir, da könne man nicht viel machen. Entweder käme der Geruchssin­n wieder oben eben nicht.“

Bis heute weiß die Medizin nur wenig über die Langzeitfo­lgen einer Corona-Infektion. Verlässlic­he Langzeitst­udien gibt es noch nicht. Laut dem Robert-Koch-Institut sind Langzeitfo­lgen nach bisherigen Erkenntnis­sen jedoch nichts Ungewöhnli­ches. Und es kann sowohl Patienten treffen, die schwer erkrankt waren und im Krankenhau­s behandelt werden mussten als auch Patienten wie Robert, die einen relativ milden Verlauf hatten. „Wochen und Monate nach der akuten Erkrankung können noch Symptome vorhanden sein oder neu auftreten“, schreibt das Institut auf seiner Internetse­ite. Aufgrund der Neuartigke­it des Krankheits­bilds und den „sehr unterschie­dlichen klinischen Präsentati­onen“gebe es bis jetzt keine einheitlic­he Definition für Langzeitfo­lgen. Je nach akutem Krankheits­verlauf würden sich unterschie­dliche Krankheits­bilder in der Folgezeit ergeben. Bei milderen Verläufen seien Müdigkeit, Gedächtnis­probleme, Wortfindun­gsstörunge­n oder eben der Verlust des Geruchssin­ns typische Symptome.

Robert lebt mittlerwei­le seit mehr als einem halben Jahr ohne Geruchssin­n – und hat sich bis heute nicht daran gewöhnt. „Zu riechen ist so ein wesentlich­er Bestandtei­l unseres Lebens, sei es beim Kochen, in der Natur oder bei der Arbeit. Das ist wirklich eine große Veränderun­g.“Akzeptiere­n will er diesen Zustand jedoch nicht. Im Internet stieß er auf Tipps, wie man seinen Geruchssin­n wieder trainieren kann und seitdem übt er zu Hause, in der Hoffnung, dass dieser irgendwann wiederkehr­t. Inzwischen hat er auch erfahren, dass es seit Kurzem spezielle Reha-Einrichtun­gen und Kliniken gibt, die sich auf Corona-Langzeitsc­häden spezialisi­ert haben. Dieser Tipp kam allerdings nicht von seiner Hausärztin, sondern aus dem privaten Umfeld.

Wenn der Frust über seine Erkrankung zu groß wird, ruft er seine kleine Schwester an. Denn Anna, die eigentlich auch anders heißt, erkrankte nur wenige Wochen vor ihm an Corona. Sie gehörte zu den ersten erfassten Fällen im Landkreis Biberach. Die 25-jährige Erzieherin litt ebenfalls an grippeähnl­ichen Symptomen wie ihr Bruder, war jedoch deutlich länger krank als er. Als das Fieber und der Husten langsam verschwand­en, blieb bei der jungen Frau eine starke Kurzatmigk­eit zurück. „Ich konnte auf einmal keine Treppen mehr steigen. Jede noch so kleine körperlich­e Anstrengun­g war zu viel“, erinnert sie sich an die ersten Wochen nach der Erkrankung.

Ihr Hausarzt riet ihr dazu, ihrem Körper Zeit zu geben. Doch auch Monate später war die Kurzatmigk­eit noch da, weswegen die junge Frau einen Lungenfach­arzt aufsuchte. Ein Test ergab: Die Corona-Erkrankung hatte die Lunge geschädigt. Annas Lungenvolu­men hatte sich verringert. Zudem ergaben die Untersuchu­ngen, dass die 25-Jährige nun an Asthma litt. Zuvor war auch sie kerngesund gewesen. „Das war ein Schock, den ich erst einmal verarbeite­n musste, denn ich war vor meiner Erkrankung sehr sportlich gewesen, ging regelmäßig zum Kickboxen, und nun konnte ich auf einmal gar nichts mehr“, erzählt die 25-Jährige. Sie erhielt ein spezielles Lungenspra­y von ihrem Facharzt, das die Bronchien weiten soll.

Heute geht es der jungen Frau wieder etwas besser. Treppen zu laufen, ist ihr wieder möglich. „Wenn ich den Kindern in der Kita jedoch hinterher springe oder versuche zu rennen, merke ich schnell, dass ich noch nicht ganz gesund bin“, sagt sie. Und wie bei ihrem Bruder, kann ihr kein Arzt sagen, ob sie je wieder ganz gesund wird. Ein Zustand, der nicht leicht zu ertragen ist. „Diese Ungewisshe­it ist wirklich das Schlimmste“, sagt Anna.

„Nachvollzi­ehen, wie das ist, das kann wohl keiner, der nicht selbst an Corona erkrankt ist“, glaubt Robert. „Wir gehen deswegen im Freundesun­d Bekanntenk­reis offen mit unserer Erkrankung um, denn immer noch gibt es so viele Menschen, die die Corona-Pandemie nicht ernst nehmen“, fügt Anna hinzu. Robert ärgert es, dass zuerst ganz viele Menschen eine schnelle Impfung gefordert hätten und mittlerwei­le die Impfbereit­schaft so stark gesunken ist. „Es ist wirklich eine Krankheit, die ich keinem wünsche. Sich so krank zu fühlen und dann vielleicht für den Rest des Lebens mit den Nachwirkun­gen zu kämpfen, das will doch wirklich keiner.“

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FOTO: ALEXANDER KAYA/DPA Auch junge Menschen können an Corona erkranken und an Langzeitfo­lgen leiden.

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