Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Die A 96 gehört zu den Jahrhundertbauwerken der Region“
Mehr als 30 Jahre wurde an der Autobahn durchs Württembergische Allgäu gebaut – Jetzt geht die Autobahnverwaltung an den Bund über
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WANGEN - Eine Autofahrt von Wangen nach München führt durch Dörfer und Städte, über Bundesstraßen mit vielen Staus und dauert mindestens drei Stunden: Das ist heute kaum noch vorstellbar. Doch damals, als es im Württembergischen Allgäu noch keine Autobahn gab, war das Alltag. Im Jahr 1976 startete dann der Bau der A 96 zwischen Weißensberg und Aitrach. 2009 war die durchgehende Autobahnverbindung fertig.
Zuständig für das Großprojekt war die Autobahnverwaltung mit Sitz in Wangen. Die ist mit dem Wechsel zum Jahr 2021 Geschichte. Sie geht über in die AutobahnGmbH des Bundes. Edgar Mink aus Wangen war 45 Jahre bei der Autobahnverwaltung beschäftigt, den Bau der A96 bezeichnet er als sein „Lebenswerk“. Erinnerungen daran sind immer noch lebendig.
Edgar Mink kommt ursprünglich aus Rottweil. Schon dort hatte ihn eine Autobahn beschäftigt: Er war beim Bau der A 81 dabei. Als dieses Projekt abgeschlossen war, wechselte der damals 30-Jährige Mitte der 70er-Jahre nach Wangen, wo das Unternehmen Autobahn gerade startete. Im April 1975 wurde die Autobahndienststelle in Wangen gegründet – mit der Aufgabe, die A 96, deren Bau in Lindau schon angefangen hatte, durchs Württembergische Allgäu zu führen. Von der Landesgrenze bei Weißensberg im Süden bis zur Landesgrenze bei Aitrach an der Iller. Insgesamt rund 50 Kilometer in sieben Streckenabschnitten.
„Ich war viel draußen, auf der Baustelle“, berichtet Edgar Mink. Als Bauingenieur war er zunächst in der Planungsgruppe, dann in der Bauleitung tätig. Basis für die neue Autobahn sei die B 18 gewesen, berichtet er. In weiten Teilen wurde die
Bundesstraße durch die Autobahn ersetzt. Geplant waren zu Beginn zehn bis 15 Jahre Bauzeit, erinnert sich Mink. „Aber das war natürlich unrealistisch.“Als die A 96 durchs Allgäu schließlich fertig ist, schreibt man November 2009.
Mink und seine Kollegen haben in diesen Jahrzehnten vieles erlebt. Nach der anfänglichen Begeisterung für den Autobahnbau kam später auch Kritik auf. Im Rahmen von Umweltbewegungen gab es Proteste gegen die Zerstörung der Natur, manch ein Gegner des Projekts zog vor Gericht.
Gleichzeitig habe es großen politischen Termindruck gegeben, erinnert sich Edgar Mink. Vor allem beim letzten Teilstück zwischen Dürren und Gebrazhofen. „Da war die Autobahn oben und unten schon fertig, und alle warteten auf den Lückenschluss“, erinnert er sich. Dieser letzte Streckenabschnitt sei ein stauträchtiges „Nadelöhr“gewesen, weil die Straße am Autobahnende von vier auf zwei Spuren wechselte. „Das war gefährlich, da sind viele schlimme Unfälle passiert.“
Für ihn und seine Kollegen stellten sich unterdessen vor Ort ganz praktische Fragen: „Weil wir quasi die B 18 zur Autobahn erweiterten, mussten wir ja ständig den Verkehr wieder neu umleiten“, berichtet er. Da habe sich so mancher Pendler gewundert, dass er bisweilen täglich einer neuen Streckenführung folgen musste. „Die A 96 gehört zu den Jahrhundertbauwerken in der Region“, sagt Edgar Mink. Einige Kollegen sind damals mit ihm von Rottweil nach Wangen gekommen – und sind geblieben, haben hier eine neue Heimat gefunden. Noch heute halten sie den Kontakt zueinander. Die lange gemeinsame Arbeit am Großprojekt Autobahn verbindet.
Mit drei Mitarbeitern habe im Jahr 1975 alles angefangen, erinnert sich Mink. Mitte der 80er-Jahre seien es mehr als 50 Kollegen gewesen – Beamte, Angestellte, Arbeiter, Landesbedienstete und Auszubildende. 2020 seien dann wiederum drei Mitarbeiter übrig geblieben.
Der Sitz der Autobahndienststelle Wangen war in den 70er-Jahren zunächst in der Lindauer Straße 24, im ehemaligen Polizeigebäude. Als immer mehr Mitarbeiter dazukamen, nutze man auch das BischofSproll-Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Auch im Schlössle am Bahnhof waren Mitarbeiter untergebracht, erinnert sich Mink. Er ging 2013 in Rente, arbeitete aber bis 2017 in Teilzeit noch weiter. Da ging es dann nicht mehr um den Bau, sondern um die Instandhaltung der A 96. Weil das BischofSproll-Haus immer baufälliger wurde, zogen die verbliebenen acht Mitarbeiter im Jahr 2018 in die Friedrich-Ebert-Straße um.
Seit der Verwaltungsreform 2005 gehörte die Autobahnverwaltung in Wangen dem Regierungspräsidium Tübingen an. Zum Jahresende 2020 war damit Schluss. Im Januar hat die neu gegründete Autobahn GmbH des Bundes sämtliche Aufgaben in Bezug auf Autobahnen in Deutschland übernommen – also auch die A 96. Die zuständige Dienststelle wird in Kempten sein.
Für Edgar Mink ändert das nichts an der Tatsache, dass er eine ganz persönliche Verbindung zu dieser Straße hat. Er sagt: „Noch heute, wenn ich mit meiner Familie über die A 96 fahre, sage ich: Ach, ist das schön, dass es damals Leute gab, die hier eine Autobahn gebaut haben. Dann rollen meine Kinder mit den Augen und sagen: Ach, Papa ...“
Eine Bildergalerie mit vielen Impressionen zum Bau der A96 findet sich online unter www.schwaebische.de/A96