Schwäbische Zeitung (Biberach)

Um Kunst wird’s still in der Corona-Krise

Kunstschaf­fende aus der Region sprechen über ihre aktuelle Situation – Finanziell­e Unterstütz­ung fehlt

- Von Tanja Bosch

BIBERACH - Ein Leben ohne Kunst und Kultur war noch vor der CoronaPand­emie kaum vorstellba­r. Aktuell steht das kulturelle Leben nahezu still. Alles spielt sich online ab, es gibt weder Livekonzer­te, Ausstellun­gen, Theaterauf­führungen noch Workshops oder Kinobesuch­e. Künstler und Kulturscha­ffende haben es in Corona-Zeiten besonders schwer. Wie es freischaff­enden Künstlerin­nen und Künstlern aus der Region geht und wie sie durch die Krise kommen.

Einfach mal wieder auf der Bühne stehen und ein Konzert geben, das wünscht sich der Sänger und Songwriter Fabio Battista aus Biberach. Seinen letzten Liveauftri­tt hatte er im September. „Alles, was danach gekommen wäre, wurde abgesagt und auf Anfang/Mitte 2021 verlegt“, sagt der 32-jährige Musiker. „Aber auch diese Termine müssen nun voraussich­tlich wieder verschoben werden.“Und ohne Auftritte kommt auch kein Geld rein.

Die finanziell­e Unterstütz­ung vom Staat fehle in dieser schwierige­n Zeit. „Ich habe das Gefühl, dass die Arbeit der vielen Künstlerin­nen und Künstler nicht als richtiger Beruf angesehen wird“, sagt Fabio Battista. „Das, was viele jahrzehnte­lang machen und für das viele hart gearbeitet haben, wird jetzt plötzlich eher als Hobby angesehen. Für mich fehlt da die Wertschätz­ung.“Mit einer einmaligen Soforthilf­e sei die finanziell­e Lage nicht gelöst.

Ähnlich geht es auch der freischaff­enden Fotografin Laura Zalenga, sie musste im Jahr 2020 auf ihre Ersparniss­e zurückgrei­fen. „Bei mir war für 2020 so viel Tolles geplant: mehrere Foto-Workshops, die ich geleitet hätte, mehrere Vorträge auf wichtigen Konferenze­n der Industrie, die fast immer Aufträge nach sich ziehen, und Fotoshoots mit spannenden Menschen“, erzählt die 30-jährige Biberacher­in, die aktuell in Rotterdam lebt. „Im März 2020 wurde dann alles abgesagt. Ich glaube, das war bisher der frustriere­ndste Monat in meiner berufliche­n Laufbahn.“

„Als selbststän­dige Künstlerin und selbststän­diger Künstler ist man es natürlich gewohnt, dass es sowohl Phasen mit so vielen Anfragen gibt, dass man sich verdoppeln müsste, um zu allem Ja sagen zu können, aber natürlich gibt es auch Durststrec­ken“, sagt Laura Zalenga. Nur würden die Durststrec­ken normalerwe­ise höchstens ein paar Wochen andauern und nicht viele Monate so wie jetzt. In ihrem Bekanntenk­reis gibt es einige Menschen, die ihre Kunst, zumindest was das Hauptberuf­liche angeht, jetzt in der Corona-Krise aufgeben mussten.

Dass Künstlerin­nen und Künstler bei finanziell­en Hilfen des Staats durchs Raster fallen, weiß auch Schauspiel­erin, Kabarettis­tin und Moderatori­n Kathi Wolf aus Weißenhorn. „Das einzige Angebot, das Soloselbst­ständigen beim ersten Lockdown gemacht wurde, war Hartz IV“, sagt die 33-Jährige. Weil das für sie aber nicht infrage kommt, hat sie sich einen anderen Job gesucht. „Ich arbeite seit 1. Januar für einen psychologi­schen Fachdienst und bin da in der Jugendhilf­e tätig.“Glückliche­rweise hatte sich die Moderatori­n, die ihren letzten öffentlich­en Auftritt bei den Biberacher Filmfestsp­ielen im November hatte, mit ihrem abgeschlos­senen Psychologi­e-Studium ein zweites Standbein geschaffen.

Dabei geht es ihr nicht ausschließ­lich darum, Geld zu verdienen: „Ich hatte 2020 wirklich Glück und viele tolle Jobs. Finanziell muss ich mir deshalb gerade keine Sorgen machen, es geht aber darum, eine Aufgabe im Leben zu haben und vor allem eine Tagesstruk­tur“, sagt Kathi Wolf. Denn auch das dürfe in Zeiten der Corona-Krise nicht vernachläs­sigt werden. „Irgendwann fällt einem zu Hause die Decke auf den Kopf. Zudem ist der Winter auch eine schwierige Jahreszeit, viele kämpfen ohnehin mit Depression­en.“Bei der Volkshochs­chule Ulm gibt es deshalb aktuell ein kostenlose­s OnlineCoac­hing für Kulturscha­ffende aus Ulm und Umgebung, Dozentin des sogenannte­n „Mad Monday“(„verrückter Montag“) ist Kathi Wolf.

Laura Zalenga und Fabio Battista versuchen, der Krise auch etwas Positives abzugewinn­en. „Ich war zum Beispiel sehr produktiv und habe die freie Zeit so kreativ wie möglich genutzt“, sagt der Sänger. Dabei seien viele neue Songs entstanden: „Ich freue mich schon auf die Zeit, wenn es wieder losgeht und ich meine neuen Sachen dem Publikum präsentier­en kann“, sagt er. „Ich hoffe nur, dass die Menschen nicht vergessen haben, wie wichtig Kunst ist.“

Auch Laura Zalenga war produktiv: „Selbstvers­tändlich sitze ich nicht zu Hause und starre die Wand an. Ich habe unter anderem einen Onlinekurs für Einsteiger­innen und Einsteiger zu Selbstport­rät und Porträt aufgenomme­n, und online Portfolio-Beratungen angeboten“, so die Fotografin. „Außerdem darf ich natürlich auch nicht aus dem Blick verlieren, dass ich das Glück habe, drei

Mahlzeiten am Tag, eine Wohnung, meine Gesundheit und die Gesundheit der Menschen, die mir wichtig sind, nicht verloren zu haben.“So lerne man auch wieder die kleinen Dinge zu schätzen. „Zudem habe ich neue digitale Wege meiner Kunst erforscht und eine wunderbare alte Katze adoptiert“, erzählt sie. „Wahrschein­lich wird 2020 und der erste Teil von 2021 nicht die Lieblingsz­eit in meinen Erinnerung­en werden, aber ich bin überzeugt, dass die Zeit mir etwas unglaublic­h Wichtiges beigebrach­t hat: in ganz vielen Bereichen, geht es mit viel weniger auch noch sehr gut.“

Weitere Infos zum kostenlose­n Online-Beratungsp­rojekt mit

Kathi Wolf an der Volkshochs­chule Ulm gibt es im Internet unter: www.vh-ulm.de

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FOTO: PRIVAT Fotografin Laura Zalenga hofft auf ein besseres Jahr 2021.
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FOTO: GEORG KLIEBHAN Kathi Wolf wartet sehnsüchti­g auf ihren nächsten Autritt.
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FOTO: ANDY BRÜSTL Musiker Fabio Battista hat die Krise trotz allem kreativ genutzt.

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