Schwäbische Zeitung (Biberach)
Einen Lieferkrieg verhindern
Was vor wenigen Monaten als unmöglich galt, ist geschafft: Zwei wirksame Impfstoffe von Biontech und Moderna sind in der EU zugelassen, ein dritter von Astra-Zeneca soll in Kürze folgen. Während ein Teil der Bürger den sehr rasch entwickelten Produkten skeptisch gegenübersteht, verlangen andere von Bundesregierung und EU-Kommission, dass sie möglichst sofort genug Serum für alle bereitstellen – als hätte man im Sommer 2020 schon wissen können, welches Produkt sich als wirksam erweisen würde.
Berlin und Brüssel haben auf mehrere Karten gesetzt, die erfolgversprechendsten Kandidaten gefördert und bürokratische Hürden niedrig gehalten. Das kann man ihnen ebenso wenig zum Vorwurf machen wie die Verschwiegenheitsklauseln in den Verträgen. Hier völlige Transparenz zu fordern, ist realitätsfern. Sehr wohl aber kann die Öffentlichkeit Aufklärung verlangen, warum mit Astra-Zeneca nun schon der zweite Produzent Lieferschwierigkeiten ankündigt und warum die Konsequenzen ausschließlich die EU-Vertragspartner zu spüren bekommen.
Die Begründung, dass Störungen in belgischen Produktionsstätten aufgetreten seien, ist fadenscheinig. So wie von EU-Standorten aus Länder in aller Welt die ihnen vertragsgemäß zustehenden Impfdosen erhalten, muss das umgekehrt auch für die europäischen Kunden gelten. Es ist richtig, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihren Unmut im Gespräch mit dem AstraZeneca-Chef Pascal Soriot zum Ausdruck brachte. Es ist auch angebracht, dass die EU Impfstoffexporte aus europäischen Produktionsstätten in Drittländer registrieren und im Notfall sogar reglementieren will.
Hoffentlich lenken die säumigen Produzenten ein, bevor Brüssel Exportbeschränkungen verhängen muss. Einen Lieferkrieg zwischen der EU und ihrem Ex-Mitglied Großbritannien, mit den USA oder mit Israel kann keiner wollen. Diese Krise betrifft den gesamten Planeten und kann nur friedlich bewältigt werden, wenn der Impfstoff gerecht und vertragstreu verteilt wird.