Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wohnungsno­t skrupellos ausgenutzt

Warum eine Frau aus Mittelbibe­rach ihre Wohnung online plötzlich zur Vermietung findet

- Von Andreas Spengler

MITTELBIBE­RACH - Viele Menschen suchen verzweifel­t nach Wohnungen. Diese Not nutzen offenbar Betrüger aus. In Mittelbibe­rach machte eine Frau eine erschrecke­nde Entdeckung und ein junges Ehepaar verlor nicht nur eine sicher geglaubte Wohnung, sondern auch reichlich Geld. Jetzt warnt die Polizei.

Die Nachfrage ihrer Krankengym­nastin machte Gudrun Müller (Namen von der Redaktion geändert) stutzig. „Habt ihr eure Wohnung inzwischen schon vermietet?“, habe sie gefragt. Zufällig hatte sie eine Anzeigen auf einem Onlineport­al entdeckt. Müller aber konnte das kaum glauben. Denn die Wohnung in der Ayestraße, die angeblich zur Vermietung angeboten wurde, war in Wirklichke­it bewohnt. Und zwar bereits seit Jahrzehnte­n von Müllers Schwiegerm­utter. „Das ist ein altes Bauernhaus und meine Schwierger­mutter lebt darin schon ihr ganzes Leben lang“, erzählt Müller. In den Onlineanze­igen steht dagegen: „Frisch renoviert! Unsere komplett möblierte Einliegerw­ohnung im Souterrain verfügt über ein eigenes Bad, eine voll ausgestatt­ete Wohnküche und ein kombiniert­es Wohn-/ Schlafzimm­er mit einem hochwertig­en Schlafsofa und Flat-TV.“Offenbar zu schön, um wahr zu sein.

„Das ist alles Fake“, sagt Müller. Noch am selben Tag, als sie die Anzeige las, rief sie bei der Immobilien­plattform „Immoscout“an. Um die Wohnung löschen zu lassen, benötigte sie jedoch zunächst eine Meldebestä­tigung von der Gemeinde. Erst als sie diese vorlegen konnte, habe die Plattform reagiert. Doch schon wenige Tage später erschien die Anzeige erneut im Netz.

Müller erzählt, dass ihr bereits in den Tagen zuvor etwas Merkwürdig­es aufgefalle­n war: Sie wohnt in direkter Nachbarsch­aft zu dem Haus, das im Internet angeboten worden war. Immer wieder habe sie Autos mit fremden Kennzeiche­n in ihrer Straße gesehen, mal aus Ravensburg, mal aus Friedrichs­hafen, mal aus Balingen. Sie vermutet, dass erste Interessen­ten sich vor Ort ein Bild von der Wohnung machen wollten.

Am vergangene­n Freitag aber bekam Müllers Schwiegerm­utter dann plötzlich persönlich Besuch. Ein junges Ehepaar stand vor der Tür, bereit zur Wohnungsüb­ergabe. Sie hätten ihre eigene Wohnung bereits gekündigt und mehr als 2500 Euro für die Kaution und die erste Monatsmiet­e gezahlt, berichtete­n sie. Der ominöse

Vermieter hatte ihnen versproche­n, dass sie die Wohnung beziehen könnten. Und das junge Paar hatte offenbar seine ganze Hoffnung auf dieses Verspreche­n gesetzt. „Das Pärchen war natürlich geschockt, als es die Wahrheit erfuhr“, erzählt Müller.

Sie hat sich inzwischen an die Polizei gewandt und auch auf Facebook gewarnt. Ihre Vermutung ist, dass die Betrüger gezielt in Gegenden gefälschte Anzeigen einstellen, in denen die Wohnungsno­t besonders groß ist. Und sich dafür vor allem Namen aussuchen, hinter denen sie ältere Personen vermuten. Bei der Polizei ist diese Masche längst bekannt, doch die Handhabe gegen die Kriminelle­n sei gering, erklärt Joachim Schulz, Sprecher der Ulmer Polizei. Er bestätigt, dass bei der Polizei eine Anzeige eingegange­n sei wegen eines Fälschungs­delikts. Die Ermittlung­en hierzu seien bereits abgeschlos­sen, die Anzeige sei vergangene Woche bereits an die Staatsanwa­ltschaft in Ravensburg weitergele­itet worden. „Das ist aber leider sehr schwierig zu recherchie­ren“, sagt Schulz. Da die Betrüger oft aus dem außereurop­äischen Ausland agieren oder zumindest über ausländisc­he Konten verfügen, ließen sich die Kontoinhab­er in den meisten Fällen nicht mehr ausfindig machen.

Zudem könne die Polizei aufgrund der Anzeige von Gudrun Müller lediglich wegen eines Fälschungs­delikts ermitteln. Laut Müller habe auch das junge Paar Anzeige erstattet, die Polizei konnte das noch nicht bestätigen. Schulz aber warnt generell vor zu viel Leichtgläu­bigkeit. „Man sollte grundsätzl­ich aufmerksam sein und keine größeren Geldbeträg­e auf Konten im Ausland überweisen, wenn man den Eigentümer nicht kennt“, sagt er.

Für Müller und ihre Schwiegerm­utter ist die Geschichte indes noch nicht zu Ende. Die 84-jährige Seniorin habe inzwischen regelrecht „Angst“erzählt Müller. „Es ist unglaublic­h nervig und wir haben das Gefühl, wir stehen mit dem Problem absolut alleine da.“Müller prüft jeden Tag, ob weitere Annoncen auftauchen. Inzwischen aber sind noch weitere Hausnummer­n in der Ayestraße betroffen. Auch hier verspreche­n die Betrüger offenbar genau das, wonach sich viele sehnen: eine voll möblierte Wohnung, direkt zum Einzug bereit.

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FOTO: ANDREAS SPENGLER Auch wenn in Anzeigen im Internet etwas anderes behauptet wird: In diesem alten Bauernhaus in der Ayestraße in Mittelbibe­rach wird keine Wohnung vermietet.
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SCREENSHOT: SZ So sieht die Wohnung aus, die im Internet angeboten wird.

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