Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wohnungsnot skrupellos ausgenutzt
Warum eine Frau aus Mittelbiberach ihre Wohnung online plötzlich zur Vermietung findet
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MITTELBIBERACH - Viele Menschen suchen verzweifelt nach Wohnungen. Diese Not nutzen offenbar Betrüger aus. In Mittelbiberach machte eine Frau eine erschreckende Entdeckung und ein junges Ehepaar verlor nicht nur eine sicher geglaubte Wohnung, sondern auch reichlich Geld. Jetzt warnt die Polizei.
Die Nachfrage ihrer Krankengymnastin machte Gudrun Müller (Namen von der Redaktion geändert) stutzig. „Habt ihr eure Wohnung inzwischen schon vermietet?“, habe sie gefragt. Zufällig hatte sie eine Anzeigen auf einem Onlineportal entdeckt. Müller aber konnte das kaum glauben. Denn die Wohnung in der Ayestraße, die angeblich zur Vermietung angeboten wurde, war in Wirklichkeit bewohnt. Und zwar bereits seit Jahrzehnten von Müllers Schwiegermutter. „Das ist ein altes Bauernhaus und meine Schwiergermutter lebt darin schon ihr ganzes Leben lang“, erzählt Müller. In den Onlineanzeigen steht dagegen: „Frisch renoviert! Unsere komplett möblierte Einliegerwohnung im Souterrain verfügt über ein eigenes Bad, eine voll ausgestattete Wohnküche und ein kombiniertes Wohn-/ Schlafzimmer mit einem hochwertigen Schlafsofa und Flat-TV.“Offenbar zu schön, um wahr zu sein.
„Das ist alles Fake“, sagt Müller. Noch am selben Tag, als sie die Anzeige las, rief sie bei der Immobilienplattform „Immoscout“an. Um die Wohnung löschen zu lassen, benötigte sie jedoch zunächst eine Meldebestätigung von der Gemeinde. Erst als sie diese vorlegen konnte, habe die Plattform reagiert. Doch schon wenige Tage später erschien die Anzeige erneut im Netz.
Müller erzählt, dass ihr bereits in den Tagen zuvor etwas Merkwürdiges aufgefallen war: Sie wohnt in direkter Nachbarschaft zu dem Haus, das im Internet angeboten worden war. Immer wieder habe sie Autos mit fremden Kennzeichen in ihrer Straße gesehen, mal aus Ravensburg, mal aus Friedrichshafen, mal aus Balingen. Sie vermutet, dass erste Interessenten sich vor Ort ein Bild von der Wohnung machen wollten.
Am vergangenen Freitag aber bekam Müllers Schwiegermutter dann plötzlich persönlich Besuch. Ein junges Ehepaar stand vor der Tür, bereit zur Wohnungsübergabe. Sie hätten ihre eigene Wohnung bereits gekündigt und mehr als 2500 Euro für die Kaution und die erste Monatsmiete gezahlt, berichteten sie. Der ominöse
Vermieter hatte ihnen versprochen, dass sie die Wohnung beziehen könnten. Und das junge Paar hatte offenbar seine ganze Hoffnung auf dieses Versprechen gesetzt. „Das Pärchen war natürlich geschockt, als es die Wahrheit erfuhr“, erzählt Müller.
Sie hat sich inzwischen an die Polizei gewandt und auch auf Facebook gewarnt. Ihre Vermutung ist, dass die Betrüger gezielt in Gegenden gefälschte Anzeigen einstellen, in denen die Wohnungsnot besonders groß ist. Und sich dafür vor allem Namen aussuchen, hinter denen sie ältere Personen vermuten. Bei der Polizei ist diese Masche längst bekannt, doch die Handhabe gegen die Kriminellen sei gering, erklärt Joachim Schulz, Sprecher der Ulmer Polizei. Er bestätigt, dass bei der Polizei eine Anzeige eingegangen sei wegen eines Fälschungsdelikts. Die Ermittlungen hierzu seien bereits abgeschlossen, die Anzeige sei vergangene Woche bereits an die Staatsanwaltschaft in Ravensburg weitergeleitet worden. „Das ist aber leider sehr schwierig zu recherchieren“, sagt Schulz. Da die Betrüger oft aus dem außereuropäischen Ausland agieren oder zumindest über ausländische Konten verfügen, ließen sich die Kontoinhaber in den meisten Fällen nicht mehr ausfindig machen.
Zudem könne die Polizei aufgrund der Anzeige von Gudrun Müller lediglich wegen eines Fälschungsdelikts ermitteln. Laut Müller habe auch das junge Paar Anzeige erstattet, die Polizei konnte das noch nicht bestätigen. Schulz aber warnt generell vor zu viel Leichtgläubigkeit. „Man sollte grundsätzlich aufmerksam sein und keine größeren Geldbeträge auf Konten im Ausland überweisen, wenn man den Eigentümer nicht kennt“, sagt er.
Für Müller und ihre Schwiegermutter ist die Geschichte indes noch nicht zu Ende. Die 84-jährige Seniorin habe inzwischen regelrecht „Angst“erzählt Müller. „Es ist unglaublich nervig und wir haben das Gefühl, wir stehen mit dem Problem absolut alleine da.“Müller prüft jeden Tag, ob weitere Annoncen auftauchen. Inzwischen aber sind noch weitere Hausnummern in der Ayestraße betroffen. Auch hier versprechen die Betrüger offenbar genau das, wonach sich viele sehnen: eine voll möblierte Wohnung, direkt zum Einzug bereit.