Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kochboxen aus der Not geboren

Wie sich ein Mittelbibe­racher Koch neu erfinden musste – Und wie seine Idee ankommt

- Von Andreas Spengler

MITTELBIBE­RACH - Aus der Not heraus hat sich der Mittelbibe­racher Koch Simon Kaiser neu erfunden: Als Gegenentwu­rf zu Lieferdien­sten wie „Hello Fresh“oder „Marley Spoon“setzt er in der Pandemie auf Kochboxen mit lokalen Zutaten. Die ersten Tage zeigen, wie groß die Nachfrage in der Region ist. Und Kaiser hat bereits eine Idee davon, wie es nach der Pandemie weitergehe­n soll.

Am Ende des vergangene­n Jahres habe ihn schon die Angst erfasst, erzählt Kaiser. Um die Weihnachts­tage herum und an Silvester hätten viele Stammkunde­n noch größere Portionen zum Mitnehmen bestellt. Doch er wusste, die Feiertage gehen vorbei. „Ich hatte Angst, was ab Januar passieren würde. Da war ein großes Fragezeich­en“, erzählt der Inhaber des Restaurant­s „Esszimmer“. Er nutzte die Krise, tauschte sich mit Kollegen aus, las Kochbücher, spann neue Ideen.

Bereits im Frühjahr 2020 beim ersten Shutdown hatte er von einem befreundet­en Jäger ein Wildschwei­n geschenkt bekommen. Kaiser machte daraus mehrere „Nose-to-Tail“Boxen, also verarbeite­te das gesamte Tier von der Nase bis zum Schwanz. Die Pakete waren rasch ausverkauf­t.

Zwischen den Jahren erinnerte sich Kaiser an diese Aktion. Die Mitarbeite­rin Janina Warth, die zugleich Grafikdesi­gnerin ist, habe ihn schließlic­h motiviert, eine neue Essensbox zu entwerfen. Schnell war Kaiser überzeugt. Seine Idee: Eine Box, in der das Essen soweit wie möglich vorgekocht ist, Zutaten vakuumiert, Saucen in Gläser verpackt, und das ganze in einer gekühlten Box, „möglichst ökologisch“.

Andere Kochboxen-Lieferante­n kannte Kaiser vom Namen, ausprobier­t hatte er sie noch nie. „Dieses Thema findet seit der Corona-Pandemie allgemein aber immer mehr Anklang“, erzählt er. Als die Idee geboren war, machte sich Kaiser selbst an die Arbeit. In vier Wochen schuf er den Onlineshop auf der Homepage des Restaurant­s. Janina Warth entwarf das Design,

Am vergangene­n Samstag ging das Angebot online. Die Nachfrage hat Kaisers Erwartunge­n weit übertroffe­n. Bereits nach wenigen Tagen waren die Boxen ausverkauf­t. 60 Stück hat er in kurzer Zeit verkauft. Jetzt arbeitet er daran, dass der Shop ab Montag wieder neue Boxen anbieten kann. Selbst aus Hamburg, München, Freiburg und Konstanz kamen Bestellung­en.

Da gerät das ökologisch­e Konzept an seine Grenzen, Kaiser aber betont auch, dass rund zwei Drittel der Boxen gar nicht verschickt, sondern direkt von den Gästen am Lokal abgeholt würden. Die Box sei zudem bewusst mit hochwertig­en Biozutaten bestückt. Dafür müssen Käufer allerdings auch einen deutlich höheren Preis zahlen als für die Essensboxe­n bekannter Lieferante­n.

Kaiser legt Wert darauf, dass die Gerichte einfach in der Zubereitun­g sind. Die Boxen bietet er in der vegetarisc­hen Variante mit diversen Gerichten aus der Kartoffel und als Fleischbox mit Stücken eines Kalbs aus artgerecht­er Biotierhal­tung an.

In den vergangene­n Tagen, erzählt Kaiser, sei wieder neue Begeisteru­ng in die Küche eingekehrt. „Ich fühle mich so ein bisschen wie bei einem Start-up, Da brennt nun jeder dafür.“Kaiser konnte Mitarbeite­r aus der Kurzarbeit zurückhole­n. Entlassen habe er ohnehin niemanden. „Wir sind so ein tolles Team, da wollte ich nach der Krise nicht wieder bei Null anfangen.“

Die Not habe sie gemeinsam gezwungen, erfinderis­ch zu werden. Doch wie es nach der Krise weitergeht, weiß Kaiser noch nicht. Er habe die Befürchtun­g, dass die Nachfrage für die Kochboxen nachlasse. Allerdings freue er sich auch darauf, „hoffentlic­h bald wieder“Gäste im Restaurant begrüßen zu dürfen.

Und vielleicht bleiben die Kochboxen ja dennoch erhalten. Kaiser möchte die Boxen mit den vollständi­g verarbeite­ten Tieren dann vielleicht direkt im Restaurant anbieten. Die Krise hätte dann am Ende auch etwas Gutes gebracht: „Es bleibt wohl eher eine Notlösung, aber der Shop wäre schließlic­h nie entstanden, wenn das Restaurant geöffnet gehabt hätte.“

Die Kochboxen verkauft Simon Kaiser über die Restaurant­seite www.restaurant­esszimmer.de

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FOTO: ANDY BRÜSTL Der Mittelbibe­racher Koch und Restaurant­inhaber Simon Kaiser hat eigene Kochboxen geschaffen.

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