Schwäbische Zeitung (Biberach)
Woran liegt es, dass die Linke aktuell mit ihren Themen nicht so durchdringt?
STUTTGART - Diesmal soll es klappen: Sahra Mirow will als Spitzenkandidatin die Linke endlich in den baden-württembergischen Landtag führen. Im Interview mit Theresa Gnann und Kara Ballarin spricht sie von einer sozial-ökologischen Wende. Vor allem Unternehmen will sie stärker in die Pflicht nehmen, um diese zu finanzieren.
Frau Mirow, die Linke kam in den jüngsten Umfragen zur Landtagswahl auf maximal vier Prozent. Damit würde Ihre Partei wieder nicht ins Parlament einziehen. Wie wollen Sie das Ruder noch mal rumreißen?
Mit vier Prozent sind wir auf einem guten Weg zu den fünf Prozent plus X. Wir machen einen Wahlkampf, der der Pandemie angepasst ist: Wir machen unglaublich viele Digitalveranstaltungen, inserieren in Zeitungen und treten in die Öffentlichkeit durch große Plakate – etwa zum Thema Pflegenotstand.
Noch nie konnte die Linke im Südwesten in den Landtag einziehen. Warum soll es diesmal klappen?
Wir sind bisher zweimal angetreten zur Landtagswahl. 2011 wurden wir in einem polarisierten Lagerwahlkampf zerrieben. 2016 erhofften sich viele Menschen noch etwas von einer grünen Landesregierung. Nach fünf Jahren Grün-Schwarz ist das jetzt anders. Es ist klar, dass das Land uns als sozial-ökologische Kraft braucht.
Vor fünf Jahren führte mit Bernd Riexinger ein erfahrener Gewerkschaftsfunktionär die Linke in den Landtagswahlkampf – und scheiterte. Warum sind Sie die bessere Spitzenkandidatin?
Wir haben einen Generationenwechsel bei uns. Mein Landesverband hat mich aufgestellt, weil er überzeugt ist, dass ich eine gute Spitzenkandidatin bin, und ich freue mich, dass Bernd mich unterstützt.
Die Themen, die jetzt eine große Rolle spielen, sind genau die Themen, die wir seit Jahren in den Fokus rücken: bezahlbarer Wohnraum, Pflegenotstand, ausreichend Lehrkräfte und Erzieherinnen. Gerade die Menschen mit kleinerem Einkommen sind von der Pandemie am meisten betroffen.
Wie bewerten Sie das Handeln der Landesregierung in der CoronaKrise? Wo hätten Sie anders gehandelt?
Es gibt vieles, das ich nicht verstehe. Man hätte die Herbst- und Winterferien nutzen müssen, um die Schulen fit zu machen für Präsenzunterricht. Warum zahlt der Bund etwa Milliardass den zur Rettung von Flugunternehmen, aber nicht für Luftfilter in allen Schulen? Ich verstehe auch nicht, warum Sozialminister Lucha weiter Krankenhäuser schließen will.
Sein Credo ist ja, den Menschen die beste Versorgung zu bieten. Das ist nicht unbedingt das Krankenhaus, das am nächsten liegt.
Es ist sicher sinnvoll, bestimmte medizinische Leistungen an einigen Standorten zu konzentrieren. Aber die Grundversorgung muss sichergestellt sein, gerade im ländlichen Raum. Die darf nicht aus wirtschaftlichen Gründen entfallen. Das Problem im Gesundheitssystem ist, dass die Krankenhäuser als Betriebe gesehen werden, die wirtschaftlich handeln müssen.
Sie fordern im Land unter anderem kostenfreie Kitas und Nahverkehr. Wie soll das finanziert werden?
In Frankreich ist es Standard, dass sich Firmen ab zehn Beschäftigten an der ÖPNV-Finanzierung beteiligen. Darüber müssen wir nachdenken. Überdies verstehe ich nicht,
über Kita-Gebühren überhaupt diskutiert wird. Und natürlich müssen wir über Umverteilung sprechen. Ein Hebel wäre die Erbschaftsteuer, gegen die sich Ministerpräsident Kretschmann vehement gestellt hat – auch gegen den Willen seiner Grünen. Wir wollen mehr Steuerfahnder einstellen, die vor allem Steuertricks der großen Konzerne aufdecken.
Sie fordern eine Vermögensabgabe für Superreiche. Meist geht es dabei doch um Vermögen, das Unternehmer in ihre Firmen investiert haben. Ab welcher Grenze wollen Sie diese Steuer einführen?
Wir wollen eine gestaffelte Sonderabgabe ab zwei Millionen Euro. Bei Betriebsvermögen legen wir deutlich höhere Freibeträge an.
Die Wirtschaft ist durch die Krise gebeutelt. Können die Unternehmen so viele weitere Belastungen tragen – etwa eine 30-StundenWoche bei vollem Lohnausgleich, wie Sie es fordern?
Die Wirtschaftsstruktur in BadenWürttemberg
prägen vor allem kleine und mittelständische Unternehmen. Gerade die wollen wir mit Freibeträgen entlasten und sie gestaffelt besteuern. Wir haben vor allem die großen Unternehmen und ihre Steuertricks im Fokus. Denn klar ist: Wir brauchen eine Sanierungsoffensive für Schulen und Krankenhäuser. Ein solches Investitionsprogramm würde auch die Wirtschaft, vor allem das Handwerk, ankurbeln. In der jetzigen Nullzinsphase ist es fraglich, warum der Staat diese Investitionen nicht tätigt. Durch die Digitalisierung haben wir enorme Produktivitätszuwächse. Die Frage ist: Wer profitiert davon? Deshalb fordern wir die 30-StundenWoche für Arbeitnehmer bei vollem Lohnausgleich.
Die Landesregierung hat einen zweistelligen Milliardenbetrag auch dank Krediten investiert, um die Corona-Folgen abzufedern. Ist das nicht ein Lob von Ihnen wert?
Die Landesregierung hat nur gemacht, was absolut notwendig war. Aber: Warum sollen die Kredite so schnell getilgt werden? Warum setzt