Schwäbische Zeitung (Biberach)
Jugendliche leiden ohnehin sehr stark unter der Pandemie ...
... richtig, Corona ist insbesondere ein kritisches Ereignis für junge Menschen. Jugendliche sind auch eine Art Fieberthermometer der Gesellschaft. Die kriegen Dinge zuerst mit, reagieren schnell und unverblümt darauf, auch weil es an Selbstkontrolle mangelt. Wenn etwas in der Gesellschaft nicht stimmt, merkt man das bei Jugendlichen als Erstes. Das ist jetzt der Fall.
Corona ist irgendwann vorbei, zieht aber womöglich eine Wirtschaftskrise nach sich. Könnte dadurch der Druck, von dem Sie sprechen, anhaltend sein?
Da bin ich leider gar nicht optimistisch. Man merkt ja jetzt schon, dass wir in diese Wirtschaftskrise kommen. Ich bin der Meinung: Wenn Corona vorbei ist und die Auswirkungen sichtbar werden, wird die Jugendkriminalität zunehmen. Für die nächsten drei Jahre mache ich mir da Sorgen. Es ist jetzt schon feststellbar, dass die Jugend immer unruhiger wird. Sie bleibt nicht zu Hause, schon gar nicht die, die nicht viel zu Hause hat. Wo es im Elternhaus vielleicht nicht stimmt, wo die Räumlichkeiten nicht passen, die werden nach draußen geworfen. Dann entstehen diese Phänomene, die wir jetzt haben. Und das wird noch weiter zunehmen.
Ist es richtig, dass Jugendgewalt ohnehin bereits steigt?
Ja, es gärt sowieso in der Jugend. Das gilt für die Schweiz genauso wie für Deutschland, wo die Jugendgewalt in den vergangenen fünf Jahren um ein Viertel zugenommen hat.
Gibt es dafür eine Erklärung?
Die Jugend lässt sich von gesellschaftlichen und auch politischen Veränderungen beeinflussen. Donald Trump ist da ein gutes Beispiel, mit seinem aggressiven Männlichkeitsgehabe beeinflusst er auch junge Männer in der Schweiz und in Deutschland. Mit seiner Rhetorik ist er für den einfachen Mann eine Identifikationsfigur, an die sie sich festkrallen und die sie nachahmen. Die sie ein Stück weit ermächtigt, aggressiv aufzutreten und den Macho raushängen zu lassen. Mit Corona kommt nun eine Art Beschleuniger dazu. Besonders für die Gruppen, die sowieso gefährdet sind.