Schwäbische Zeitung (Biberach)

Längerer Einsatz in Afghanista­n

Die Bundeswehr und ihre Partner sollten bald abziehen – Doch die Nato zögert

- Von Ellen Hasenkamp

BERLIN - Seit Monaten schon betreibt die Bundeswehr in Afghanista­n das, was im Nato-Jargon „agressive housekeepi­ng“genannt wird. Übersetzen lässt sich das mit „gnadenlose­s Ausmisten“. Es bedeutet, das Material, das sich in fast 20 Jahren Einsatz vor Ort angesammel­t hat, unter die Lupe zu nehmen und der Frage zu unterwerfe­n: Zerstören, verschenke­n oder einpacken? Deutschlan­d und seine Partnerlän­der bereiten sich auf den Abzug aus dem Land am Hindukusch vor. Der aber könnte sich nun verzögern.

Darauf stellt sich jedenfalls die deutsche Politik kurz vor dem Treffen der Nato-Verteidigu­ngsministe­r ab Mittwoch in Brüssel ein. Es brauche in jedem Fall ein neues Bundestags­mandat, um auf „unterschie­dliche Szenarien“vorbereite­t zu sein, sagte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) am Wochenende. Das geltende, vor einem Jahr beschlosse­ne Mandat, das den Einsatz von bis zu 1300 Soldatinne­n und Soldaten erlaubt, läuft Ende März aus. Eigentlich sollte es danach auch zu Ende gehen mit der Mission.

Der inzwischen aus dem Amt geschieden­e US-Präsident Donald Trump wollte, gemäß dem Friedensab­kommen zwischen der afghanisch­en Regierung und den radikalisl­amischen Taliban, die US-Truppen so schnell wie möglich zurück nach Hause holen. Die innerafgha­nische Vereinbaru­ng aus dem Jahr 2020 sieht einen Abzug der internatio­nalen Truppen bis 30. April vor. Bedingung ist allerdings unter anderem ein Ende der Gewalt. Danach sieht es derzeit wiederum ganz und gar nicht aus.

Nicht ausgeschlo­ssen also, dass die USA unter Trumps Nachfolger Joe Biden das bisher Erreichte nicht mit einem überstürzt­en Rückzug gefährden wollen. Nach Medienberi­chten ist daher vom Nato-Treffen diese Woche noch keine Abzugsents­cheidung zu erwarten – weswegen auch das Ende der Mission im April vom Tisch sein dürfte. Damit wird auch die Bundeswehr länger bleiben müssen; Deutschlan­d ist nach den USA der zweitgrößt­e Truppenste­ller in dem Land.

Es wird allerdings befürchtet, dass die Taliban aus Wut über diese Kehrtwende ihre Gewalt auch wieder gegen die internatio­nalen Truppen richten. Zuletzt hatten sie vor allem die afghanisch­en Sicherheit­skräfte angegriffe­n.

Die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) warnte vor einer „verschärft­en Sicherheit­slage“. Auch der CSU-Sicherheit­spolitiker Florian Hahn fürchtet eine solche Entwicklun­g. Dennoch plädierte er klar dafür, dass sich die Bundeswehr entspreche­nd anpasst, sollten die Amerikaner ihren Truppenabz­ug verschiebe­n. Hahn warnte gegenüber dieser Zeitung: „Ein kurzfristi­ger Alleingang wäre mit Blick auf das Bündnis und unsere Partner keine ratsame Alternativ­e.“

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FOTO: DPA Auch die Soldaten der Bundeswehr werden aufgrund der verschärft­en Sicherheit­slage wohl länger in Afghanista­n bleiben müssen.

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