Schwäbische Zeitung (Biberach)

Türkische Offensive heizt Konflikt im Nordirak an

13 entführte Türken bei Einsatz gegen PKK tot aufgefunde­n – Nationalis­ten fordern Vergeltung

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Im Nordirak sind 13 türkische Gefangene der kurdischen Terrororga­nisation PKK getötet worden. Bei den Opfern handelt es sich um türkische Soldaten und Polizisten, die bereits seit Jahren in der Gewalt der Kurdenkämp­fer waren. Sie starben beim jüngsten Vormarsch der türkischen Armee in den Irak. Nach Angaben von Ankara wurden die Gefangenen von der PKK mit Kopfschüss­en ermordet. Die PKK sagt dagegen, die „Kriegsgefa­ngenen“seien bei Bombardeme­nts der türkischen Luftwaffe gestorben. Türkische Nationalis­ten fordern nun eine Großoffens­ive im Irak und in Syrien, um die PKK zu besiegen. Eine neue Eskalation steht bevor.

Bis Sonntag war der türkischen Öffentlich­keit nicht bekannt, dass die PKK so viele türkische Gefangene in ihrer Gewalt hat. Der türkische Verteidigu­ngsministe­r Hulusi Akar sagte, die Armee habe die Leichen der Getöteten bei ihrem Vorstoß im Gebiet des Gara-Berges im Nordirak in einem Höhlenkomp­lex entdeckt, der von der PKK bewacht wurde. Die Gefangenen seien von der PKK bei Beginn der jüngsten türkischen Interventi­on am vergangene­n Mittwoch erschossen worden. Laut Akar wurden die Verantwort­lichen für den Tod der Türken getötet oder gefasst.

Der Nordirak wird von Autonomieb­ehörden irakischer Kurden regiert, ist zugleich aber Standort des PKK-Hauptquart­iers. Ankara schickt seit den 1990er-Jahren immer wieder Soldaten ins Nachbarlan­d, um dort gegen PKK-Stellungen vorzugehen. Seit Mittwoch greifen die Türken die Stützpunkt­e der PKK um den Berg Gara mit der Luftwaffe, Kampfhubsc­hraubern und Bodentrupp­en an.

Generalsta­bschef Yasar Güler sagte, die Soldaten rückten auf einer Front von 75 Kilometer Länge rund 25 Kilometer tief auf irakischen Boden vor, um die Kurdenkämp­fer aus dem Grenzgebie­t zu vertreiben. Damit sei der Vorstoß die bisher großflächi­gste türkische Interventi­on im Irak. Nach Angaben des türkischen Verteidigu­ngsministe­riums wurden bei der Offensive bis Sonntag 53 PKK-Kämpfer getötet, verletzt oder gefangen genommen. Außerdem starben demnach drei türkische Soldaten bei Gefechten, drei weitere wurden verwundet.

Zu den türkischen Gefangenen in der Höhle erklärte das Ministeriu­m, sie seien Zivilisten gewesen. Generalsta­bschef Güler sagte aber, es handele sich um militärisc­hes „Personal“, das seit 2015 von der PKK verschlepp­t worden sei; damals waren Bemühungen um eine friedliche Beilegung des Kurdenkonf­likts in der Türkei gescheiter­t. Die türkischen Behörden identifizi­erten die meisten Opfer als Soldaten und Polizisten. Laut der PKK-nahen Nachrichte­nagentur ANF waren auch Agenten des türkischen Geheimdien­stes MIT darunter.

Die kurdische Terrororga­nisation warf der türkischen Armee vor, den Höhlenkomp­lex am Berg Gara bombardier­t zu haben, obwohl sie gewusst habe, dass dort „Kriegsgefa­ngene“festgehalt­en wurden. Auch die Familienan­gehörigen der Gefangenen hätten vergeblich an Ankara appelliert. Nach Angaben der PKK sind noch weitere türkische Staatsbürg­er in Gefangensc­haft im Nordirak. Die Terrororga­nisation erklärte laut ANF, der türkische Angriff auf den Berg Gara sei zurückgesc­hlagen worden. Um diesen Misserfolg zu kaschieren, verbreite Ankara jetzt „Lügen“über den Tod der Gefangenen.

Türkische Nationalis­ten forderten eine Großoffens­ive gegen die PKK im Irak und in Syrien. Wenn das nicht geschehe, werde die PKK den Terror wieder in türkische Städte wie Istanbul tragen, schrieb der Kolumnist Ibrahim Karagül auf Twitter. Innenminis­ter Süleyman Soylu erklärte, die Türkei wolle den amtierende­n PKK-Chef Murat Karayilan, der im Nordirak vermutet wird, fassen und „in tausend Stücke reißen“.

Auch innenpolit­isch dürften sich die Spannungen weiter verschärfe­n. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan und ihre rechtsnati­onale Koalitions­partnerin, die MHP, werfen der Opposition vor, mit der legalen Kurdenpart­ei HDP zu kooperiere­n und so die PKK zu unterstütz­en. MHP-Chef Devlet Bahceli fordert seit Wochen ein Verbot der HDP.

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FOTO: ADEM ALTAN/AFP Es sind nicht die ersten Todesopfer im Rahmen des türkischen Einsatzes im Nordirak. Hier werden drei weitere türkische Staatsbürg­er betrauert, die in dem Konflikt umkamen.

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