Schwäbische Zeitung (Biberach)

Vor Fukushima bebt die Erde

Dutzende Verletze, aber kein Tsunami nach heftigen Erdstößen in Japan

- Von Lars Nicolaysen

FUKUSHIMA (dpa) - Bei einem der stärksten Erdbeben seit der Tsunami-Katastroph­e 2011 im Nordosten Japans sind am Wochenende mindestens 150 Menschen verletzt worden. Tote gab es diesmal keine, auch bestand keine Gefahr durch einen Tsunami. Die Erschütter­ung vor der Küste Fukushimas und Miyagis vom Samstag gegen 23.08 Uhr (Ortszeit) hatte eine Stärke von 7,3. Die lang andauernde Erschütter­ung war auch in Tokio sowie in vielen anderen Gebieten Japans zu spüren, von Hokkaido im Norden bis Hiroshima im Westen.

Nach Einschätzu­ng der nationalen Meteorolog­ischen Behörde handelte es sich um ein Nachbeben des schweren Seebebens der Stärke 9,0, das am 11. März 2011 in derselben Region einen massiven Tsunami ausgelöst hatte. An „3/11“waren damals 18 500 Menschen in den Tod gerissen worden, im Atomkraftw­erk Fukushima Daichi kam es zu einem SuperGau. Diesmal schwappte laut dem Betreiber zwar Wasser in einem Abklingbec­ken über, Radioaktiv­ität sei aber nicht ausgetrete­n. Auch aus anderen derzeit stillgeleg­ten Atomkraftw­erken gab es keine Berichte über Schäden. In fast einer Million Haushalten fiel infolge der Erschütter­ung vorübergeh­end die Stromverso­rgung aus, die bis zum Sonntagmor­gen (Ortszeit) jedoch weitgehend wiederherg­estellt war. Es gab seit der Nacht mehrere Nachbeben. Das Erdbeben von Samstagnac­ht sei das stärkste vor der Küste im Nordosten des Landes seit dem 7. April 2011 gewesen, so die Wetterbehö­rde.

Auf TV-Bildern waren Schäden an einigen Gebäuden und ein Erdrutsch zu sehen. In einigen Geschäften fielen die Waren aus den Regalen. In Miyagi und Fukushima wurde in Tausenden von Haushalten die Wasservers­orgung durch das Beben unterbroch­en. Die Regierung ordnete die Streitkräf­te an, bei der Wasservers­orgung der Bürger zu helfen. Wettkampfs­tätten für die im Sommer geplanten Olympische­n Spiele seien offenbar unbeschade­t geblieben, berichtete­n lokale Medien weiter. Dazu gehört das Azuma Stadion in Fukushima, wo Baseball und Softball

ausgetrage­n werden sollen, und das Fußballsta­dion in Miyagi.

Der Betrieb von Hochgeschw­indigkeits­zügen wurde vorübergeh­end gestoppt. Zu meist leichten Verletzung­en infolge von Stürzen oder Glassplitt­ern kam es in Fukushima und Miyagi sowie im Großraum Tokio.

Viele Menschen fühlten sich schlagarti­g an die Katastroph­e vor fast genau zehn Jahren erinnert. „Es war unheimlich“, sagte ein Bewohner, in dessen Haus Bilder von den Wänden fielen, in Fukushima Reportern. Die Erschütter­ung habe sich länger angefühlt als vor zehn Jahren, schilderte ein anderer Bewohner und fügte hinzu: „Ich fragte mich, ob das wohl nie aufhört.“Dutzende von Notunterkü­nften wurden in der Region blitzschne­ll eingericht­et. Nach Angaben der Behörden suchten rund 200 Menschen dort Schutz. Dabei galt es zugleich, sich gegen eine Ausbreitun­g des Coronaviru­s zu schützen.

Ein Regierungs­sprecher sagte, eine am Freitag eingetroff­ene erste Ladung von Impfstoffe­n des US-Konzerns

Pfizer und seines deutschen Partners Biontech sei nach Angaben des Hersteller­s von den zeitweisen Stromausfä­llen infolge des Erdbebens nicht beeinträch­tigt gewesen. Am Sonntag genehmigte die Regierung den Impfstoff, womit nun auch in Japan in den kommenden Tagen mit der Impfung begonnen werden kann.

Das Erdbebenze­ntrum lag vor den beiden Provinzen Fukushima und Miyagi in einer Tiefe von rund 55 Kilometern unter dem Meeresbode­n. Da es sich am 11. März 2011 um ein enormes Beben gehandelt habe, sei es „nicht überrasche­nd“, dass es selbst zehn Jahre danach zu einem Nachbeben dieser Stärke komme, wurde Kenji Satake vom Erdbebenfo­rschungsze­ntrum der Universitä­t Tokio zitiert. Das Inselreich Japan gehört zu den am stärksten von Erdbeben gefährdete­n Ländern weltweit. In seiner Nähe treffen vier tektonisch­e Platten zusammen, die Pazifische, die Nordamerik­anische, die Eurasische und die Philippini­sche Platte. Dies verursacht immer wieder Beben.

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FOTO: DPA Gewaltige Kräfte: Das Beben setzte Erdmassen in Bewegung, wie hier auf einer Straße bei der Stadt Nihonmatsu.

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