Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wieland erhält ein neues Denkmal
Neue Figur ist in mehrerlei Hinsicht ungewöhnlich – Ist der Standort richtig gewählt?
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BIBERACH - Christoph Martin Wieland, Biberachs großer Dichtersohn, wird im Sommer mit einer neuen Bronzefigur geehrt. Gestaltet hat sie der Mittelbiberacher Künstler Tobias Wedler im Auftrag der Wieland-Gesellschaft. Der Großteil wird durch Spenden finanziert, die Stadt gibt einen Zuschuss von 5000 Euro und genehmigt den Standort. Zu diesem gab es im Hauptausschuss allerdings einige Fragen.
Barbara Leuchten, die Präsidentin der Wieland-Gesellschaft, weiß, wie man provokante Kunstprojekte hartnäckig gegen alle Widerstände durchsetzt. So ist es vor allem ihrer Beharrlichkeit zu verdanken, dass im Mai 2000 die Eselskulptur des Künstlers Peter Lenk auf dem Marktplatz aufgestellt wurde. Diese hatte in den Jahren davor für zum Teil erbitterte Diskussionen in der Stadt gesorgt.
Im Gegensatz dazu mutete es für sie wohl wie ein Spaziergang an, die Stadträte von Tobias Wedlers neuer Wielandfigur zu überzeugen. Der Künstler hatte dazu ein Modell in Originalgröße und -farbe in der Gigelberghalle aufgestellt.
Im Sommer 2019 sei Wedler mit seiner Idee an die Wieland-Gesellschaft herangetreten, sagte Leuchten. Das Präsidium habe sich daraufhin aus mehrerlei Gründen für das Projekt begeistert. Die Figur trägt den Titel „Wieland übersetzt den Sturm“und bezieht sich damit auf die 1761 erstmals erfolgte Übersetzung eines Shakespeare-Dramas ins Deutsche, die Wieland in Biberach vornahm.
Wieland habe in seiner Biberacher Zeit aber selbst im Sturm gestanden, woraus sich die schräge Haltung der Figur erkläre, die sich gegen den Wind stemme, erläuterte Barbara Leuchten. „Wieland machte in Biberach Stürme des Lebens durch, sei es in privaten Affären, sei es in beruflicher Hinsicht.“Und dass unter der gepuderten weißen Perücke ein moderner Mann steckt, das hat der Künstler dadurch angedeutet, indem er den Wind die Perücke leicht „anlupfen“lässt. So kommt Wielands normales Haar zum Vorschein.
Ein weiterer Aspekt des Kunstwerks überzeugte die Wieland-Gesellschaft: So soll der Sockel der Figur fast komplett im Boden versenkt werden. Wieland solle so im übertragenen Sinne „vom Sockel geholt werdern“, erklärte Barbara Leuchten die Intention des Künstlers. „Das ist es ja, was wir mit der Wieland-Gesellschaft auch wollen: Wieland den Menschen von heute auf Augenhöhe näherbringen und ihnen zeigen, dass er ihnen auch heute noch etwas zu sagen hat“, meinte Leuchten.
Modern ist neben der Botschaft auch die Gestaltung der Figur. Das Grundmaterial ist zwar Bronze. Diese ist aber farbig lackiert und gibt Wieland eine fast Comic-artige Erscheinungsweise. Diese wiederum ist prägend für das Schaffen von Tobias Wedler. So hat er in vergleichbarer Art eine Figur des HollywoodGründers Carl Laemmle geschaffen, die vor dem Kulturhaus in Laupheim steht. Außerdem wird eine Figur des Biberacher Komponisten Justin Heinrich Knecht, ebenfalls aus Wedlers Hand, schon bald im Innenhof der Bruno-Frey-Musikschule aufgestellt (SZ berichtete).
Rund 21 000 Euro, hauptsächlich von Biberacher Bürgern und Firmen, sind laut Barbara Leuchten aktuell an Spenden für die Wieland-Figur eingegangen, weitere 5000 Euro kommen nach dem einstimmigen Beschluss des Hauptausschusses von der Stadt. Dieser hat auch dem von der Wieland-Gesellschaft favorisierten Standort zugestimmt: am Rand des Wieland-Parks zur Saudengasse hin. „Er kommt dort besser zur Geltung als am ursprünglich von mir favorisierten Platz vor dem Komödienhaus“, sagte Barbara Leuchten. HansDieter Schaal, Gestalter des Wielandparks, habe dafür seine Zustimmung erteilt. „Darüber haben wir uns sehr gefreut.“
Bei den Ratsfraktionen kam die neue Figur gut an. Die Gestaltung passe hervorragend zu Wieland, fand Johannes Walter (CDU). Sie werde zwar nicht für solche Kontroversen sorgen wie der Esel, meinte Peter Schmid (Grüne), „aber sie trifft in ihrer Gestaltung den Zeitgeist“. Wieland vom Sockel zu holen und den Menschen näherzubringen, sei ein wichtiges Anliegen.
Die Wieland-Figur werde zusammen mit der Knecht-Figur eine Bereicherung für die Stadt, fand Ulrich Heinkele (Freie Wähler). Wieland wirke in Wedlers Arbeit lebendig, sagte Rudolf Metzger (SPD). „Es ist ein Wieland zum Anfassen.“Zustimmung kam auch von Christoph Funk (FDP).
Alle Fraktionsvertreter trieb allerdings die Sorge um, ob die Figur an ihrem Standort im Wielandpark nicht zu sehr „angefasst“und Opfer von Vandalismus werde, weil es dort doch immer wieder zu Vermüllung und Schmierereien komme.
Bronze selbst sei schon mal ein sehr stabiles Material, antwortete Barbara Leuchten. Der Künstler habe bei der Gestaltung außerdem darauf geachtet, dass nichts so einfach abgebrochen werden könne. „Außerdem wird die Figur in der Gießerei an bestimmten Stellen noch mit Stahl verstärkt“, sagte Barbara Leuchten. Auch ein Beschmieren sei nicht so einfach. Für die Bemalung werde ein besonderer Lkw-Lack verwendet, von dem eventuelle Schmierereien entfernt werden könnten. „Außerdem steht die Laemmlefigur in Laupheim mittlerweile seit drei Jahren, und da wurde noch nie etwas beschädigt“, so Leuchten. Geplant sei, beim Aufstellen im Juni/Juli ein Event zusammen mit Jugend Aktiv zu veranstalten. „Ich glaube, dass sich die Ausstrahlung der Figur positiv auf junge Leute auswirkt und sie nicht beschädigt wird. Man muss das einfach wagen.“
Auch Linken-Stadtrat Ralph Heidenreich hielt diese Sorge für unbegründet. „Figuren besprüht man nur, wenn man sie nicht mag, zum Beispiel den Hindenburg. Mit Wieland gehen wir da eher ein geringes Risiko ein“, so Heidenreich.