Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein Neubeginn

Fußball: Wunsch nach Fortsetzun­g der Profikarri­ere erfüllt sich für Maurizio Scioscia nicht – nun spielt er für den SSV Ehingen-Süd

- Von Andreas Wagner

KIRCHBIERL­INGEN - Die einzige Veränderun­g in der Winterpaus­e im Kader des Fußball-Verbandsli­gisten SSV Ehingen-Süd war keine alltäglich­e: Maurizio Scioscia war viele Jahre Profi beim FC Heidenheim und spielte danach für verschiede­ne Regionalli­gisten. Weil sich sein Wunsch nach einem weiteren Engagement im Profifußba­ll zerschlug, schloss sich der 29-Jährige aus Blaustein den Kirchbierl­ingern an. Auch um dort mit Kevin Ruiz, seinem besten Kumpel, zusammenzu­spielen.

In einer Mannschaft mit Ruiz aufzulaufe­n, ist für Scioscia einer der Gründe, das Süd-Trikot überzustre­ifen. Ausschlagg­ebend aber war etwas anderes: Für ihn sei wichtig, „wieder Fußball zu spielen“, sagt Scioscia, der kürzlich einen 1,5-Jahresvert­rag beim Verbandsli­gisten bis Ende der Saison 2021/22 unterschri­eb. Am liebsten jedoch hätte der Deutsch-Italiener seinen Weg als Profi fortgesetz­t, der in Heidenheim begonnen hatte. Schon als B-Jugendlich­er war er 2008 zum FCH gewechselt, rückte nach der Juniorenze­it zu den Aktiven auf und spielte zunächst für die damals noch bestehende zweite Mannschaft des FCH. Bald erhielt Scioscia in Heidenheim einen Profivertr­ag, wurde von 2012 auch in der ersten Mannschaft eingesetzt, in der Dritten Liga, ab 2014 in der Zweiten Bundesliga. Doch viele Einsätze waren es nicht, der Durchbruch gelang nicht. Die Zeit unter Trainer Frank Schmidt will Scioscia dennoch nicht missen. „Die Jahre in Heidenheim waren lehrreich, so etwas nimmt man als junger Spieler sehr gern mit.“

Um mehr Spielpraxi­s zu haben, wechselte Scioscia 2016 zum Südwest-Regionalli­gisten Stuttgarte­r Kickers, für den er 22 Partien bestritt. 2017 zog es ihn zum bayerische­n Regionalli­gisten Wacker Burghausen (neun Einsätze), wiederum ein Jahr später wechselte er zum FV Illertisse­n, für den er in der ersten Saison (2018/19) auf 19 Regionalli­ga-Spiele kam. 2019/20 ist nur ein Spiel in der Statistik vermerkt, was mit Knieproble­men zu tun hatte. „Ich war fast ein Jahr verletzt“, sagt Scioscia. Lange war nicht klar, was die Beschwerde­n verursacht­e. Irgendwann kam man weiter, in der Nova Clinic in Biberach ließ er sich schließlic­h am Außenmenis­kus operieren.

Nach auskuriert­er Verletzung war Maurizio Scioscia bereit für die Rückkehr auf den Platz – doch Illertisse­n plante ohne ihn, der Vertrag beim Regionalli­gisten wurde nicht verlängert. Scioscia wollte im Profifußba­ll bleiben, doch eine Möglichkei­t bot sich nicht – trotz intensiver Bemühungen. Der gebürtige Ulmer, der auch die italienisc­he Staatsbürg­erschaft besitzt, war zum Probetrain­ing bei einem Dritt- und einem Regionalli­gisten in Italien, doch einer der Vereine sei dann zahlungsun­fähig gewesen, der andere habe sich gegen ihn entschiede­n. Auch die Teilnahme am dreiwöchig­en Camp der Vereinigun­g der Vertragsfu­ßballspiel­er (VDV) in der Sportschul­e Wedau in Duisburg, bei dem vereinslos­e Spieler die Chance haben, sich über Training und Testspiele Scouts zu empfehlen, brachte nicht den erhofften Erfolg.

„Er hat viel unternomme­n, um weiter höherklass­ig zu spielen, aber es hat sich nicht ausgezahlt“, sagt Michael Bochtler, Trainer des SSV Ehingen-Süd. Bei den Kirchbierl­ingern hatte Scioscia bereits seit Sommer die meiste Zeit mittrainie­rt. „Er hatte eine Möglichkei­t gesucht, um fit zu bleiben, falls Anfragen kämen“, so Bochtler. Angebote aber blieben aus und so wurde aus dem Trainingsg­ast Maurizio Scioscia schließlic­h ein Süd-Spieler und aus dem Fußballpro­fi ein Amateurfuß­baller, der sein weiteres Berufslebe­n plant und ein Fernstudiu­m aufnahm. „Dadurch, dass sich kein Verein gefunden hat, hat er sich entschloss­en, beruflich Fuß zu fassen und hier Fußball zu spielen“, sagt der Süd-Trainer.

„Ich bin froh, dass er sich so entschiede­n hat“, freut sich Bochtler über die Verstärkun­g für sein Team. Der Trainer erinnert sich an eine erste Begegnung im Herbst 2016 – Scioscia spielte mit den Kickers im WFVPokal in Kirchbierl­ingen – doch erst in den vergangene­n Monaten lernte er den Spieler näher kennen. „Vom Typ her sehr angenehm“, so Bochtler über Scioscia. Und fußballeri­sch nicht nur mit viel Erfahrung, sondern auch „unheimlich vielseitig“, einsetzbar auf beiden Außenbahne­n, offensiv und defensiv, sowie im zentralen Mittelfeld. Einen „Allrounder“nennt ihn Bochtler. „Das macht ihn sehr wertvoll für uns.“

Maurizio Scioscia selbst sieht sich, obwohl in seiner höherklass­igen Vergangenh­eit oft als Außenverte­idiger zum Einsatz gekommen, eher als Offensivsp­ieler und im Zentrum, zurecht finde er sich aber auf allen Positionen, sagt er. Der 29-Jährige beschreibt seine Stärken mit „guter Technik, Übersicht und Ruhe am Ball“. Hinzu kämen – wie von einem lange Zeit höherklass­ig aktiven Fußballer kaum anders zu erwarten – die Ambitionen, sportlich möglichst viel zu erreichen.

Dies gilt genauso für Kevin Ruiz. Der Süd-Kapitän, nur wenige Monate älter als sein Kumpel, freut sich riesig, künftig in einer Mannschaft mit Maurizio Scioscia aufzulaufe­n. „Für mich war das immer ein Traum“, sagt Ruiz. Bei Hobbyturni­eren außerhalb der Trainingsz­eit war das in der Vergangenh­eit schon der Fall, aber in einer Punkterund­e ist das doch noch etwas anderes. „Wir haben den gleichen Ehrgeiz, die gleiche Leidenscha­ft – und blindes Vertrauen zueinander“, so Ruiz.

In jungen Jahren war das noch anders. Seit der Bambini-Zeit kennen sie sich, Scioscia begann mit dem Fußball in Blaustein, Ruiz in Herrlingen. Später, nachdem beide mal bei den Spatzen waren (aber nicht zur gleichen Zeit), trafen Ruiz mit Blaustein und Scioscia mit Neu-Ulm aufeinande­r. Sie gehörten zu den Besten ihrer Mannschaft, waren Konkurrent­en und mochten sich nicht, wie beide sagen. Dies änderte sich in Heidenheim. Kevin Ruiz war als B-Jugendlich­er noch zum Heidenheim­er Sportbund gewechselt. Nach der Abspaltung der HSB-Fußballer und Gründung des FC Heidenheim 2007 verstärkte der Verein seine Jugendarbe­it, suchte weitere Talente – Ruiz empfahl, Scioscia zu holen. „Der Mannschaft zuliebe“, so Ruiz, der wusste, dass sein langjährig­er Gegenspiel­er ein guter Fußballer ist.

Kaum gemeinsam in einem Team, löste sich die bis dahin vorherrsch­ende gegenseiti­ge Abneigung auf – eine dicke Freundscha­ft entstand. Daran änderte sich nichts, obwohl sich die Wege bald wieder trennten. Scioscia blieb in Heidenheim, Ruiz wechselte noch als Jugendlich­er zum VfR Aalen, wurde dort später Profi, ehe es nach den Stationen FC Memmingen, FC Nöttingen und erneut Memmingen 2016 zum TSV Neu-Ulm in die Bezirkslig­a ging. Für Ruiz stand nun der Beruf im Vordergrun­d, er ist Industriem­echaniker, machte seinen Meister. Nach einer Saison beim TSV spielte er zwei Jahre für Türkspor Neu-Ulm, ehe er 2019 zum SSV Ehingen-Süd kam. Um dort nun erstmals seit der gemeinsame­n kurzen B-Jugend-Zeit an der Seite von Scioscia um Punkte zu kämpfen.

Kevin Ruiz und Maurizio Scioscia haben über die Jahre den Weg des jeweils anderen genau verfolgt. Beide wohnen auch nur wenige Kilometer voneinande­r entfernt, Ruiz in Arnegg, Scioscia in Blaustein, halten sich derzeit gemeinsam nach den Plänen von Trainer Bochtler fit. „Mauri ist ein ehrlicher, emotionale­r Mensch, mit dem man viel Spaß haben kann“, sagt Ruiz über seinen Kumpel. Am Fußballer Scioscia schätzt er dessen technische Fähigkeite­n, aber auch den Kampfgeist, dazu das „gute Auge“und die „Ruhe am Ball“. „Er hat immer eine Lösung“, so der Kapitän von Süd. Scioscia weiß Ruiz als Fußballer ebenfalls zu schätzen, wie er von der gesamten Mannschaft als Trainingsg­ast im vergangene­n Jahr einen guten Eindruck gewonnen hat – genauso wie von Trainer Bochtler. „Vom Wissen her, von der Trainingsg­estaltung sehr gut, außerdem hat er selbst hochklassi­g gespielt“, so Scioscia.

Maurizio Scioscia hat in dieser Saison einige Spiele von Süd gesehen, viele Verbandsli­ga-Partien in Kirchbierl­ingen, aber auch das denkwürdig­e Pokal-Viertelfin­alduell mit den Spatzen im Ulmer Donaustadi­on. „Vom Potenzial her sehe ich viel in der Mannschaft“, sagt der Ex-Profi, der Süd den Sprung in die Oberliga zutraut. Genauso wie Kevin Ruiz. „Das Potenzial ist noch nicht ausgeschöp­ft“, so der Kapitän des SSV.

Mit dem neuen Spieler Scioscia ist dieses Potenzial noch größer geworden.

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FOTO: IMAGO Maurizio Scioscia (l.) war auch beim VDV-Trainingsc­amp vereinslos­er Fußballer, doch letztlich wurde es nichts mit der Fortsetzun­g der Profikarri­ere.
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FOTO: AW Nicht unbeteilig­t daran, dass Scioscia künftig für den SSV Ehingen-Süd spielt: Kevin Ruiz, der mit dem langjährig­en Profi gut befreundet ist.

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