Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ein Neubeginn
Fußball: Wunsch nach Fortsetzung der Profikarriere erfüllt sich für Maurizio Scioscia nicht – nun spielt er für den SSV Ehingen-Süd
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KIRCHBIERLINGEN - Die einzige Veränderung in der Winterpause im Kader des Fußball-Verbandsligisten SSV Ehingen-Süd war keine alltägliche: Maurizio Scioscia war viele Jahre Profi beim FC Heidenheim und spielte danach für verschiedene Regionalligisten. Weil sich sein Wunsch nach einem weiteren Engagement im Profifußball zerschlug, schloss sich der 29-Jährige aus Blaustein den Kirchbierlingern an. Auch um dort mit Kevin Ruiz, seinem besten Kumpel, zusammenzuspielen.
In einer Mannschaft mit Ruiz aufzulaufen, ist für Scioscia einer der Gründe, das Süd-Trikot überzustreifen. Ausschlaggebend aber war etwas anderes: Für ihn sei wichtig, „wieder Fußball zu spielen“, sagt Scioscia, der kürzlich einen 1,5-Jahresvertrag beim Verbandsligisten bis Ende der Saison 2021/22 unterschrieb. Am liebsten jedoch hätte der Deutsch-Italiener seinen Weg als Profi fortgesetzt, der in Heidenheim begonnen hatte. Schon als B-Jugendlicher war er 2008 zum FCH gewechselt, rückte nach der Juniorenzeit zu den Aktiven auf und spielte zunächst für die damals noch bestehende zweite Mannschaft des FCH. Bald erhielt Scioscia in Heidenheim einen Profivertrag, wurde von 2012 auch in der ersten Mannschaft eingesetzt, in der Dritten Liga, ab 2014 in der Zweiten Bundesliga. Doch viele Einsätze waren es nicht, der Durchbruch gelang nicht. Die Zeit unter Trainer Frank Schmidt will Scioscia dennoch nicht missen. „Die Jahre in Heidenheim waren lehrreich, so etwas nimmt man als junger Spieler sehr gern mit.“
Um mehr Spielpraxis zu haben, wechselte Scioscia 2016 zum Südwest-Regionalligisten Stuttgarter Kickers, für den er 22 Partien bestritt. 2017 zog es ihn zum bayerischen Regionalligisten Wacker Burghausen (neun Einsätze), wiederum ein Jahr später wechselte er zum FV Illertissen, für den er in der ersten Saison (2018/19) auf 19 Regionalliga-Spiele kam. 2019/20 ist nur ein Spiel in der Statistik vermerkt, was mit Knieproblemen zu tun hatte. „Ich war fast ein Jahr verletzt“, sagt Scioscia. Lange war nicht klar, was die Beschwerden verursachte. Irgendwann kam man weiter, in der Nova Clinic in Biberach ließ er sich schließlich am Außenmeniskus operieren.
Nach auskurierter Verletzung war Maurizio Scioscia bereit für die Rückkehr auf den Platz – doch Illertissen plante ohne ihn, der Vertrag beim Regionalligisten wurde nicht verlängert. Scioscia wollte im Profifußball bleiben, doch eine Möglichkeit bot sich nicht – trotz intensiver Bemühungen. Der gebürtige Ulmer, der auch die italienische Staatsbürgerschaft besitzt, war zum Probetraining bei einem Dritt- und einem Regionalligisten in Italien, doch einer der Vereine sei dann zahlungsunfähig gewesen, der andere habe sich gegen ihn entschieden. Auch die Teilnahme am dreiwöchigen Camp der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV) in der Sportschule Wedau in Duisburg, bei dem vereinslose Spieler die Chance haben, sich über Training und Testspiele Scouts zu empfehlen, brachte nicht den erhofften Erfolg.
„Er hat viel unternommen, um weiter höherklassig zu spielen, aber es hat sich nicht ausgezahlt“, sagt Michael Bochtler, Trainer des SSV Ehingen-Süd. Bei den Kirchbierlingern hatte Scioscia bereits seit Sommer die meiste Zeit mittrainiert. „Er hatte eine Möglichkeit gesucht, um fit zu bleiben, falls Anfragen kämen“, so Bochtler. Angebote aber blieben aus und so wurde aus dem Trainingsgast Maurizio Scioscia schließlich ein Süd-Spieler und aus dem Fußballprofi ein Amateurfußballer, der sein weiteres Berufsleben plant und ein Fernstudium aufnahm. „Dadurch, dass sich kein Verein gefunden hat, hat er sich entschlossen, beruflich Fuß zu fassen und hier Fußball zu spielen“, sagt der Süd-Trainer.
„Ich bin froh, dass er sich so entschieden hat“, freut sich Bochtler über die Verstärkung für sein Team. Der Trainer erinnert sich an eine erste Begegnung im Herbst 2016 – Scioscia spielte mit den Kickers im WFVPokal in Kirchbierlingen – doch erst in den vergangenen Monaten lernte er den Spieler näher kennen. „Vom Typ her sehr angenehm“, so Bochtler über Scioscia. Und fußballerisch nicht nur mit viel Erfahrung, sondern auch „unheimlich vielseitig“, einsetzbar auf beiden Außenbahnen, offensiv und defensiv, sowie im zentralen Mittelfeld. Einen „Allrounder“nennt ihn Bochtler. „Das macht ihn sehr wertvoll für uns.“
Maurizio Scioscia selbst sieht sich, obwohl in seiner höherklassigen Vergangenheit oft als Außenverteidiger zum Einsatz gekommen, eher als Offensivspieler und im Zentrum, zurecht finde er sich aber auf allen Positionen, sagt er. Der 29-Jährige beschreibt seine Stärken mit „guter Technik, Übersicht und Ruhe am Ball“. Hinzu kämen – wie von einem lange Zeit höherklassig aktiven Fußballer kaum anders zu erwarten – die Ambitionen, sportlich möglichst viel zu erreichen.
Dies gilt genauso für Kevin Ruiz. Der Süd-Kapitän, nur wenige Monate älter als sein Kumpel, freut sich riesig, künftig in einer Mannschaft mit Maurizio Scioscia aufzulaufen. „Für mich war das immer ein Traum“, sagt Ruiz. Bei Hobbyturnieren außerhalb der Trainingszeit war das in der Vergangenheit schon der Fall, aber in einer Punkterunde ist das doch noch etwas anderes. „Wir haben den gleichen Ehrgeiz, die gleiche Leidenschaft – und blindes Vertrauen zueinander“, so Ruiz.
In jungen Jahren war das noch anders. Seit der Bambini-Zeit kennen sie sich, Scioscia begann mit dem Fußball in Blaustein, Ruiz in Herrlingen. Später, nachdem beide mal bei den Spatzen waren (aber nicht zur gleichen Zeit), trafen Ruiz mit Blaustein und Scioscia mit Neu-Ulm aufeinander. Sie gehörten zu den Besten ihrer Mannschaft, waren Konkurrenten und mochten sich nicht, wie beide sagen. Dies änderte sich in Heidenheim. Kevin Ruiz war als B-Jugendlicher noch zum Heidenheimer Sportbund gewechselt. Nach der Abspaltung der HSB-Fußballer und Gründung des FC Heidenheim 2007 verstärkte der Verein seine Jugendarbeit, suchte weitere Talente – Ruiz empfahl, Scioscia zu holen. „Der Mannschaft zuliebe“, so Ruiz, der wusste, dass sein langjähriger Gegenspieler ein guter Fußballer ist.
Kaum gemeinsam in einem Team, löste sich die bis dahin vorherrschende gegenseitige Abneigung auf – eine dicke Freundschaft entstand. Daran änderte sich nichts, obwohl sich die Wege bald wieder trennten. Scioscia blieb in Heidenheim, Ruiz wechselte noch als Jugendlicher zum VfR Aalen, wurde dort später Profi, ehe es nach den Stationen FC Memmingen, FC Nöttingen und erneut Memmingen 2016 zum TSV Neu-Ulm in die Bezirksliga ging. Für Ruiz stand nun der Beruf im Vordergrund, er ist Industriemechaniker, machte seinen Meister. Nach einer Saison beim TSV spielte er zwei Jahre für Türkspor Neu-Ulm, ehe er 2019 zum SSV Ehingen-Süd kam. Um dort nun erstmals seit der gemeinsamen kurzen B-Jugend-Zeit an der Seite von Scioscia um Punkte zu kämpfen.
Kevin Ruiz und Maurizio Scioscia haben über die Jahre den Weg des jeweils anderen genau verfolgt. Beide wohnen auch nur wenige Kilometer voneinander entfernt, Ruiz in Arnegg, Scioscia in Blaustein, halten sich derzeit gemeinsam nach den Plänen von Trainer Bochtler fit. „Mauri ist ein ehrlicher, emotionaler Mensch, mit dem man viel Spaß haben kann“, sagt Ruiz über seinen Kumpel. Am Fußballer Scioscia schätzt er dessen technische Fähigkeiten, aber auch den Kampfgeist, dazu das „gute Auge“und die „Ruhe am Ball“. „Er hat immer eine Lösung“, so der Kapitän von Süd. Scioscia weiß Ruiz als Fußballer ebenfalls zu schätzen, wie er von der gesamten Mannschaft als Trainingsgast im vergangenen Jahr einen guten Eindruck gewonnen hat – genauso wie von Trainer Bochtler. „Vom Wissen her, von der Trainingsgestaltung sehr gut, außerdem hat er selbst hochklassig gespielt“, so Scioscia.
Maurizio Scioscia hat in dieser Saison einige Spiele von Süd gesehen, viele Verbandsliga-Partien in Kirchbierlingen, aber auch das denkwürdige Pokal-Viertelfinalduell mit den Spatzen im Ulmer Donaustadion. „Vom Potenzial her sehe ich viel in der Mannschaft“, sagt der Ex-Profi, der Süd den Sprung in die Oberliga zutraut. Genauso wie Kevin Ruiz. „Das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft“, so der Kapitän des SSV.
Mit dem neuen Spieler Scioscia ist dieses Potenzial noch größer geworden.