Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wer Corona hatte, wird wohl doch geimpft
Untersuchung soll zeigen, ob die Impfstrategie in Altenheimen geändert werden muss
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WEIHUNGSZELL/ULM (ry) - Die Geißel Corona hat auch das Seniorenheim St. Josef in Weihungszell geschlagen. 23 Bewohner und Beschäftigte wurden Ende Januar positiv auf Covid-19 getestet, zwei Bewohner sind im Zusammenhang mit der Infektion gestorben. Aktuell seien noch sieben Bewohner positiv und sechs Mitarbeiter in Quarantäne, berichtete der Leiter der Einrichtung, Pater Burkhard Kaldenbach, am Freitag der SZ.
„Tragisch“aus seiner Sicht: Am 28. Januar hätten die Seniorinnen und Senioren und die Belegschaft geimpft werden sollen. Doch wegen des Corona-Ausbruchs habe das mobile Impfteam den Termin abgesagt. „Man konnte uns auf Nachfrage keinen neuen Termin nennen und meinte, eher vage: ,vielleicht Ende März, eher noch im April’“, bedauerte Kaldenbach.
Wie es aussieht, wird in St. Josef nun aber deutlich früher geimpft. Der Grund dafür ist eine Untersuchung, die in Absprache mit dem Leiter der Ständigen Impfkommission, Professor Thomas Mertens, ehemals Institutsleiter der Virologie am Universitätsklinikum Ulm, durchgeführt wird. Die Untersuchung wird von Professor Guido Adler geleitet. Er ist der Koordinator der mobilen Impfteams des Zentralen Impfzentrums Ulm, die in den Landkreisen Göppingen, Heidenheim, Alb-Donau, Biberach und Ravensburg sowie in der Donaustadt Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen und deren Personal das Vakzin verabreichen.
„Die aktuelle Empfehlung der Ständigen Impfkommission wie auch die Handlungsanweisung des Sozialministeriums lauten, dass Heimbewohner, die vor Kurzem Corona hatten, zunächst nicht geimpft werden“, erklärt Adler. Diese Regelung stehe jetzt auf dem Prüfstand. Den Anstoß gaben Fälle, in denen alte Menschen, die eine Corona-Infektion überstanden hatten, sich erneut infizierten und starben. Die Konzentration an Antikörpern in ihrem Blut erreiche offenbar nicht den gleichen Level wie bei Jüngeren.
Im Rahmen der Untersuchung sollen von Ulm aus operierende mobile Impfteams nun auch Bewohner und Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen impfen, die erst vor Kurzem eine Covid-19-Infektion durchgemacht haben. „Wer positiv war, muss einen negativen PCR-Test vorweisen; er darf nicht mehr in Quarantäne sein und keine klinischen Symptome zeigen“, nennt Adler Voraussetzungen für die Teilnahme. „Außerdem muss dieser Personenkreis zustimmen, dass wir sowohl vor der ersten als auch vor der zweiten Impfung Blut abnehmen.“Auf diese Weise ließen sich Erkenntnisse gewinnen, wie die Antikörper-Konzentration sich bei alten Menschen und im Vergleich dazu bei jüngeren verändert und welche Risiken das im Besonderen für Senioren birgt.
Adler geht davon aus, „dass wir aufgrund der Untersuchung sagen können: Es ist sinnvoll, alte Menschen nach überstandener Covid-19Infektion früher zu impfen, als dies bisher praktiziert wird“. Die bisherige Handlungsanleitung, er nennt sie „eine Empfehlung, die nicht auf ausreichend wissenschaftlichen Daten basiert“, wäre dann entsprechend zu korrigieren. Die Untersuchung lohne vor allem in Einrichtungen, in denen viele Corona-Fälle aufgetreten sind. Im gleichen Zug werde auch allen bisher Nichtinfizierten in den Heimen ein Impfangebot gemacht.
Es komme vor, dass Infektionen völlig unbemerkt und ohne positiven PCR-Test ablaufen.
Startschuss für die Untersuchung soll Anfang März sein. Die Ethikkommission der Uni Ulm muss noch zustimmen, mit einem „Ja“wird gerechnet. Mit dem Seniorenheim St. Josef hat Adler noch am Freitag Kontakt aufgenommen. Dort werde nun voraussichtlich am 5. März geimpft.
Die Corona-Impfungen in Altenund Pflegeheimen kommen voran. Nach Angaben von Professor Guido Adler haben von den 174 Einrichtungen im Bereich des Zentralen Impfzentrums Ulm bis jetzt etwa 90 Prozent die erste und 50 Prozent die zweite Impfung erhalten.