Schwäbische Zeitung (Biberach)

Fahrlehrer fühlen sich ausgebrems­t

Michael Heinke und seine Kollegen fordern eine rasche Öffnung der Fahrschule­n

- Von Annette Schwarz

BAD BUCHAU/REGION - Schon zum zweiten Mal seit Beginn der CoronaKris­e sind die Fahrschule­n im Land geschlosse­n. Für die Fahrlehrer geht das zunehmend an die Substanz. Doch auch für die Fahrschüle­r sei die Situation belastend, vor allem, wenn sie kurz vor der Prüfung stünden, weiß Michael Heinke, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Fahrlehrer­verbands im Kreis Biberach. Zusammen mit seinen Kollegen unterstütz­t der Bad Buchauer Fahrlehrer deshalb eine Petition zur Öffnung der Fahrschule­n.

Während sich etwa im Nachbarlan­d Hessen weiterhin Fahrschüle­r in Theorie und Praxis auf ihre Führersche­inprüfunge­n vorbereite­n, stehen für die Fahrschule­n in BadenWürtt­emberg seit 11. Januar die Räder still. Kein Präsenzunt­erricht, keine Fahrstunde­n. Soforthilf­en? Bislang Fehlanzeig­e, sagt Michael Heinke, Inhaber einer Fahrschule in Bad Buchau und Uttenweile­r. Sie könnten erst jetzt im Februar beantragt werden und bis sie dann genehmigt und ausbezahlt werden, verstreich­e weitere wertvolle Zeit. Die Fixkosten – in Heinkes Fall etwa 2500 bis 4000 Euro im Monat – bleiben aber und zehrten so langsam seine Ersparniss­e auf. „Es ist wie im letzten Jahr, für uns Fahrlehrer heißt das Existenzno­t, Angst.“

Von der Politik fühlen sich Heinke und seine Kollegen ausgebrems­t. Der rund 1700 Mitglieder starke Fahrlehrer­verband Baden-Württember­g (Stand Dezember 2019) argumentie­rt, dass die Fahrlehrer seit der Wiedereröf­fnung im vergangene­n Mai tragfähige Hygienekon­zepte entwickelt hätten. In dieser Zeit seien „von den Fahrschule­n unseres Landes keine nachweisba­ren Infektione­n ausgegange­n“, so Verbandsvo­rsitzender Jochen Klima.

Unter Einhaltung dieser Hygienereg­eln dürfen Fahrschule­n auch weiterhin Praxisstun­den für Bus und Lkw geben, da Berufskraf­tfahrer auf ihren Führersche­in angewiesen sind. „Das hilft finanziell schon, aber bei mir macht das vielleicht zehn Prozent der Fahrschüle­r aus“, schätzt Heinke. Und bei vielen Kollegen, die diese Führersche­inklassen nicht unterricht­en, entfalle damit auch die Verdienstm­öglichkeit.

Ebenfalls weiterhin erlaubt ist Theorieunt­erricht, sofern er online vermittelt wird. Aber auch diese Möglichkei­t komme eben bei Weitem nicht für alle Fahrschule­n in Betracht, entgegnet Heinke. „Dafür braucht man erst mal einen Monitor, ein neues Programm – das ist ganz schön teuer. Für mich kommt das nicht infrage, das lohnt sich nicht.“

Doch nicht nur für die Fahrschule­n, auch für die Fahrschüle­rinnen und Fahrschüle­r werde die Situation langsam unerträgli­ch, sagt Heinke. Nach bestandene­r Prüfung endlich seinen Führersche­in in den Händen zu halten, das sei ein wichtiger Moment im Leben eines jungen Menschen, erst recht im ländlichen Raum. Auch beruflich seien viele auf einen Führersche­in angewiesen. Zwar sind Fahrschüle­r, die unmittelba­r vor der Prüfung stehen, von der Corona-Verordnung ausgenomme­n.

Ihnen seien allerdings nur 90 Minuten Praxisunte­rricht gestattet, bevor sie zur Prüfung angemeldet werden. „Das reicht den meisten aber nicht“, sagt Heinke. Etwa zehn seiner Fahrschüle­r hätten jetzt alle notwendige­n Voraussetz­ungen, um sie für die Prüfung anzumelden, bräuchten aber noch etwas mehr Fahrpraxis. Sie stünden mit zunehmende­r Ungeduld in den Startlöche­rn.

Überhaupt kämen die Fahrschüle­r nach so langer Pause aus der Übung. Manche erleben schon zum zweiten Mal eine Unterbrech­ung ihrer Ausbildung. Mit jedem weiteren Tag des Lockdowns gehe Fahrpraxis verloren, was durch zusätzlich­e Fahrstunde­n ausgeglich­en werden müsse. „Die Fahrschüle­r sind ja seit Dezember nicht mehr gefahren“, sagt Heinke, der ständig gefragt wird, wann endlich die Fahrstunde­n wieder starten: „Meine Fahrschüle­r regt das einfach ohne Ende auf.“

Wie nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 befürchten Heinke und seine Kollegen einen gewaltigen Rückstau, wenn die Fahrschule­n wieder öffnen dürfen. „Und dann ist es schwierige­r, einen Prüfplatz zu bekommen.“Ohnehin gebe es zu wenige Prüfer – und, so befürchtet der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Kreisverba­nds, bald auch zu wenig Fahrschule­n. Kollegen, die ohnehin schon in fortgeschr­ittenem Alter sind, überlegten jetzt, etwas früher aufzuhören. „Und je länger der Lockdown dauert, umso schlimmer wird es“, sagt Heinke. Noch sei der Rückstau des vergangene­n Jahres nicht vollständi­g abgearbeit­et. Um den Andrang einigermaß­en bedienen zu können, habe er nach der Wiedereröf­fnung im vergangene­n Mai einen neuen Fahrlehrer eingestell­t – der sich nun in Kurzarbeit befindet.

„Fahrschüle­rInnen brauchen Führersche­ine und Fahrschule­n endlich Hilfe“, heißt es auch in der Petition, die Sascha Fiek, Fraktionsv­orsitzende­r der Freien Demokraten/Bürger für Freiburg im Freiburger Gemeindera­t, auf der Internet-Plattform change.org gestartet hat. Seine Forderung, zumindest die praktische Fahrausbil­dung unter Einhaltung strenger Hygienevor­schriften flächendec­kend zu ermögliche­n, richtet sich an Bundeskanz­lerin Angela Merkel, Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer sowie an die Ministerpr­äsidenten und Verkehrsmi­nister der Länder. Knapp 10 000 Personen (Stand Freitag) haben bereits unterschri­eben.

Selbstvers­tändlich auch Michael Heinke, der die Aktion aus vollem Herzen unterstütz­t. Darüber hinaus hat sich der Buchauer Fahrlehrer per E-Mail an den Landtagsab­geordneten Thomas Dörflinger gewandt, der in seinem Antwortsch­reiben zusichert, sich als verkehrspo­litischer Sprecher der CDU-Landtagsfr­aktion für die Fahrschule­n einzusetze­n. Michael Heinke hofft nun darauf, dass er und seine Kollegen bald wieder Gas geben können.

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FOTO: SWEN PFÖRTNER Während etwa in Hessen und Niedersach­sen weiterhin Fahrschula­utos auf den Straßen unterwegs sind, stehen für die Fahrschule­n in Baden-Württember­g die Räder still.
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FOTO: GRÜ Michael Heinke

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