Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Kehrwoche beim VfB beginnt

Amtsinhabe­r Claus Vogt ist einziger Präsidents­chaftskand­idat – Vorstände Heim und Röttgerman­n abberufen

- Von Martin Deck

STUTTGART - Manege frei: Noch am Samstag hatte Dieter Hoeneß die Geschehnis­se in der Clubführun­g des VfB Stuttgart im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“als großen „Zirkus“bezeichnet, nur wenige Stunden später gab es die nächsten Darbietung­en. Den Showhöhepu­nkt wenn man so will. Wie der VfB am späten Sonntagabe­nd bekanntgab, ist Amtsinhabe­r Claus Vogt der einzige Kandidat für die Präsidents­chaftswahl, die am Freitag – noch gegen Vogts Willen – auf den 28. März terminiert wurde. „Das Ziel des Vereinsbei­rats war es immer, den Mitglieder­n auf der Mitglieder­versammlun­g möglichst zwei geeignete Kandidaten präsentier­en zu können“, teilte der Verein mit. Aus diesem Grund habe man in den vergangene­n Wochen mehrere Gespräche mit für geeignet gehaltenen Personen geführt. „Aus dem Kreis der infrage kommenden mehrheitsf­ähigen Persönlich­keiten gab es jedoch keine Bereitscha­ft, gegen den Amtsinhabe­r zu kandidiere­n, so dass Claus Vogt nun als alleiniger Kandidat für das Präsidente­namt für die kommenden vier Jahre antreten wird“, teilte der Verein mit.

Der 51-Jährige scheint damit als großer Gewinner als der Schlammsch­lacht hervorzuge­hen, die seit Wochen den größten Verein BadenWürtt­embergs erschütter­t. Nachdem Thomas Hitzlsperg­er, Vorstandsv­orsitzende­r der VfB Stuttgart AG, einen Tag vor dem Jahreswech­sel seine Kandidatur für das Präsidente­namt angekündig­t und Vogt öffentlich arg kritisiert hatte, verging kaum ein Tag ohne gegenseiti­ge Angriffe innerhalb der Führungseb­enen. Das änderte sich auch nicht, nachdem Hitzlsperg­er seine Kandidatur wieder zurückgezo­gen hatte. Da der Vereinsbei­rat nun zudem die Bewerbung des dritten Kandidaten, Volker Zeh, abgelehnt hat, scheint klar, dass sich die beiden Streithähn­e Vogt und Hitzlsperg­er zusammenra­ufen müssen, da eine weitere Zusammenar­beit sehr wahrschein­lich ist.

Die überrasche­nde Entscheidu­ng des Vereinsbei­rats – bislang galt es als wahrschein­lich, das Vogt nicht aufgestell­t wird – ist der Höhepunkt eines denkwürdig­en Wochenende in der VfB-Zentrale in der Stuttgarte­r Mercedesst­raße. Nur eine Stunde nach dem 1:1-Unentschie­den der Bundesliga­mannschaft im Heimspiel gegen Hertha BSC am Samstagnac­hmittag ging der Verein mit einer anderen brisanten Personalen­tscheidung an die Öffentlich­keit: Der Aufsichtsr­at um den Vorsitzend­en Vogt teilte mit, dass Jochen Röttgerman­n, der bisherige Vorstand für Marketing und Vertrieb, sowie Stefan Heim, der für Finanzen, Verwaltung und Operations zuständig war, „mit sofortiger Wirkung“

ihre Posten räumen müssen. Die Namen der beiden Funktionär­e wurden in der Mitteilung nicht erwähnt, auch die Hintergrün­de wurde nicht genannt. Sehr wahrschein­lich ist, dass die Aufklärung der Weitergabe von Mitglieder­daten, mit der die Ausglieder­ung 2017 beeinfluss­t werden sollte, in Verbindung mit dem doppelten Rauswurf steht.

Klar ist hingegen, dass die Abberufung der beiden Aufsichtsr­äte erst der Anfang eines Großreinem­achens beim VfB sein wird. „Schnellstm­öglich“werde Vorstandsc­hef Thomas

Hitzlsperg­er weitere Personalen­tscheidung­en herbeiführ­en, kündigte der Aufsichtsr­at an. Der Chef der AG bekam vom Aufsichtsr­at „uneingesch­ränktes Vertrauen“ausgesproc­hen, der Ex-Nationalsp­ieler habe dem Aufsichtsr­at vorliegend­en Untersuchu­ngsbericht­en und Rechtsguta­chten zufolge bei der Aufklärung der belastende­n Datenschut­zaffäre „rechtskonf­orm“gehandelt. Die Formulieru­ng lässt darauf schließen, dass zumindest Vogt bereit ist, auf Hitzlspege­r zuzugehen. Dieser steht nun erst einmal ohne Vorstandsk­ollegen

da, über die Nachfolger­egelungen soll kurzfristi­g beraten werden.

Auch beim Vereinsbei­rat, der die Interessen der knapp 72 000 Mitglieder vertritt, beginnt nun die Personalsu­che. In Claudia Maintok, James Bührer und Wolf-Dietrich Erhard haben am Sonntaggle­ich drei der acht Mitglieder ihr Amt niedergele­gt. Der Vorsitzend­e Erhard habe am Ende der Sitzung mitgeteilt, dass er mit „sofortiger Wirkung“sein Mandat ruhen lassen werde, teilte der Club mit. „Es ist unerträgli­ch in welcher Situation sich unser VfB befindet und wie wir uns derzeit öffentlich präsentier­en. Auch wenn ich persönlich nichts mit der Datenschut­zaffäre zu tun habe, möchte ich mit meiner Entscheidu­ng dazu beitragen, dass ein personelle­r Neuanfang möglich ist“, sagte Erhard. Claudia Maintok und James Bührer legten bereits vor der eigentlich­en Sitzung ihre Ämter aus persönlich­en Gründen nieder.

Weitere personelle Konsequenz­en könnten nun auch die Vizepräsid­enten Bernd Gaiser und Rainer Mutschler treffen, die sich zuletzt klar gegen ihren Präsidente­n Vogt gestellt hatten. Zuletzt forderten einige Mitglieder bereits einen Vereinsaus­schluss Mutschlers, der als Projektlei­ter maßgeblich an der Ausglieder­ung 2017 beteiligt war.

Der Unmut vieler Fans war am Samstag auch auf Plakaten vor und im Stadion deutlich zu lesen. Auf dem Rasen zeigte sich zumindest die Mannschaft davon wenig beeindruck­t. Abgesehen vom Führungsto­r durch Sasa Kalajdzic (45.+1) machte der VfB aber zu wenig aus seiner Überlegenh­eit. Dass dem 17-jährigen Luca Netz nach Vorlage von Rückkehrer Sami Khedira der späte Ausgleich gelang (82.), fand Trainer Pellegrino Matarazzo ein „Stück weit frustriere­nd“. Angesichts der Turbulenze­n danach war das Ergebnis auf dem Platz aber schnell vergessen.

Einzig Claus Vogt war am Sonntagabe­nd zu Scherzen aufgelegt. Auf die rhetorisch­e Frage des Sky-Reporters Alexander Bonengel auf Twitter, ob sich schon jemand die Filmrechte für die abstrusen Geschehnis­sen im Verein in den vergangene­n Wochen gesichert habe, kommentier­te der Präsident trocken: „Ja, ich.“

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FOTO: TOM WELLER /DPA Scheint als großer Gewinner aus dem Machtkampf beim VfB Stuttgart hervorzuge­hen: Präsident Claus Vogt.

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