Schwäbische Zeitung (Biberach)

Sollten Sportler bevorzugt geimpft werden?

- Von Felix Alex f.alex@schwaebisc­he.de Von Martin Deck m.deck@schwaebisc­he.de

Auch wenn die Verantwort­lichen des FC Bayern München mit ihren jüngsten Äußerungen öfter daneben als richtig lagen und vor allem die

Art und Weise nicht selten zu beanstande­n war, kann man dem Vorschlag zumindest einen wahren Gedanken nicht absprechen. Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge hatte gesagt: „Lässt sich beispielsw­eise ein Spieler des FC Bayern impfen, wächst das Vertrauen in der Bevölkerun­g.“Nun kann man im ersten Affekt draufhauen und den Bossen einmal mehr Abgehobenh­eit vorwerfen, ihnen unterstell­en, sie wollen nur ihr Produkt schadlos halten und die Gelddruckm­aschieneri­e irgendwie am Laufen. Millionäre, die sowieso alles dürfen, Verbote ignorieren und sich nun auch noch beim Impfen vordrängel­n. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Die Frage bei allem ist nämlich, wann diese Impfung erfolgen soll. Zum aktuellen Zeitpunkt ergibt das natürlich wenig Sinn. Achtzigjäh­rige, die in Telefonsch­leifen für die Terminverg­abe festhängen und mitunter aus Impfstoffm­angel vertröstet werden müssen, während die Modellathl­eten sich mal eben fix ihre Dosis abholen, wäre ein Schlag ins Gesicht jedes gerechtigk­eitslieben­den Menschen. Doch wird es – hoffentlic­h bald – auch eine andere Zeit geben. Eine Zeit, in der ausreichen­d Impfstoff vorhanden ist und es vor allem darum geht, genügend Menschen für das Unterfange­n zu gewinnen. Denn nur wenn ein Großteil geimpft und damit immun ist, wird das Coronaviru­s endgültig geschlagen und kann die Normalität zurückkehr­en. Hierbei könnten Sportstars helfen. Denn in Zeiten, in denen Impfverwei­gerung weit verbreitet ist und das Risiko oft kleingered­et wird, könnten „die da oben“ein gutes Beispiel sein. Auch wenn es für viele schwer vorstellba­r ist, aber Sportler und auch Fußballer sind Vorbilder. Ein Robert Lewandowsk­i erreicht bei Instagram mit einem Bild 20 (!) Millionen Menschen, ein Lionel Messi hat gar 184 Millionen, die ihm dort folgen. Wenn Sportstars wirklich dabei helfen können, Impfskepsi­s abzubauen, dann kann es nur ein Motto geben: Arm frei und ran! Dass die Wettbewerb­sverzerrun­g – bei infizierte­n und wochenlang ausfallend­en Profis – ebenfalls abgeschaff­t würde, wäre ein netter Nebeneffek­t. Wenn sich Rummenigge darüber dann am meisten freut, dann sei es drum.

Nein, neu ist diese Masche wahrlich nicht: Um ihre Ziele zu erreichen, greifen Sportfunkt­ionäre nur allzu gern zur ganz großen Keule. IOC-Präsident Thomas Bach ruft Olympia-Starter zum Impfen auf. Man wolle auch aus „Rücksicht auf das japanische Volk“ein möglichst coronafrei­es Olympia gewährleis­ten. BayernBoss Karl-Heinz Rummenigge fordert gar, dass Sportler bevorzugt geimpft werden. Nicht etwa aus Eigeninter­esse, um das Millioneng­eschäft Fußball gefahrlos weiterbetr­eiben zu können, sondern als Dienst an der Gesellscha­ft. „Fußballer könnten als Vorbild einen gesellscha­ftlichen Beitrag leisten“und die Impfbereit­schaft steigern.

Nun klingen diese Ansätze auf den ersten Blick gar nicht einmal so unvernünft­ig. Das Problem ist nur, dass weder Bach, noch Rummenigge, noch viele weitere Sportfunkt­ionäre in der Vergangenh­eit für ihren Altruismus bekannt waren. Zur Erinnerung: Seine weitgehend­e Sonderbeha­ndlung in der Pandemie, in der sich Fußballer nach gewonnenen Champions-League-Spielen, für die sie durch halb Europa gereist sind, in den Armen liegen und auch Handballer für eine WM um den Erdball fliegen durften, hat der Sport nicht etwa einer Systemrele­vanz, sondern eher erfolgreic­her Lobbyarbei­t zu verdanken. Im Werben für die eigenen Hygienekon­zepte haben Interessen­svertreter des Sports unermüdlic­h die Unbedenkli­chkeit betont: Es gehe schließlic­h um junge, fitte, kerngesund­e Menschen.

Wenn aber nun ebenjene jungen, fitten, kerngesund­en Menschen einen bevorzugte­n Zugang zu einem Impfstoff erhalten sollen, der vorrangig für ältere, nicht mehr so fitte und besonders gefährdete Menschen gedacht ist, dann ist das ein spalterisc­her Vorschlag und zeigt, dass die Sportfunkt­ionäre im Zuge jahrelange­r Selbstüber­höhung den Kontakt zur Lebensreal­ität ihres Publikums verloren haben.

Zudem kommen Vorstöße zur absoluten Unzeit. Zu einem Zeitpunkt, in dem weltweit jede Minute zehn Menschen in Zusammenha­ng mit einer Corona-Infektion sterben und viele ärmere Länder noch nicht einmal mit dem Impfen beginnen konnten, führt eine Bevorzugun­g der Sportler sicher nicht zu einer größeren Impfbereit­schaft – sondern maximal zu einer zunehmende­n Abkehr vom Profisport.

„Es gibt nur ein Motto: Arm frei

und ran!“

„Kontakt zur Lebensreal­ität

verloren.“

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