Schwäbische Zeitung (Biberach)
Warten auf den Selbsttest
Wie verlässlich Corona-Abstriche zum Hausgebrauch sind – Noch kein Produkt zugelassen
RAVENSBURG/BERLIN - Stäbchen in die Nase, auf einen Träger abstreichen, Ergebnis nach kurzem Warten bekommen: auf Corona-Selbsttests daheim setzen Politiker und Experten Hoffnung. Doch obwohl Apotheken diese seit Februar verkaufen dürfen, gibt es noch keine Produkte für den Hausgebrauch im Handel. Es gibt zwar Schnelltests, doch die dürfen nur ausgebildetes Personal vornehmen. Ein Überblick.
●
Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte hofft laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“darauf, noch im März Corona-Schnelltests für den Hausgebrauch zuzulassen. Der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) rechnet sogar damit, dass die ersten Selbsttests im „Laufe des Februar“erhältlich sind. Derzeit arbeiten die Hersteller an der Zulassung in Deutschland. Doch warum dauert das Procedere so lange? Der Grund liegt in der Zertifizierung, erklärt VDGH-Sprecherin Gabriele Köhne. In der EU übernehmen private Dienstleister wie der TÜV die CEKennzeichnung – und diese dauert wegen der schon beschriebenen Hürden wie der Anwendbarkeit für Laien eben länger. Für Baden-Württemberg könne man deshalb noch keine konkreten Auskünfte über einen möglichen Einsatz von Selbsttests geben, teilt eine Sprecherin des Ministeriums für Soziales und Integration mit. „Wir hoffen jedoch, dass qualitativ hochwertige Tests zeitnah zugelassen werden. Dann wird regierungsintern beraten, wie diese gezielt zum Einsatz kommen können.“
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat für die kommenden Tage zu einem Spitzengespräch über eine sinnvolle Teststrategie eingeladen. In Bayern treffe man schon Vorbereitungen für eine möglichst schnelle Bestellung von Tests, sobald diese zugelassen seien, und stehe dafür im Austausch mit den Staatsministerien für Unterricht und Kultus sowie für Familie, Arbeit und Soziales, gab ein Ministeriumssprecher preis. In Österreich sind Selbsttests bereits im Gebrauch. Sie werden dort liebevoll „Nasenbohrertest“genannt. Schüler drehen sich selbstständig ein Wattestäbchen fünf Mal in jedes Nasenloch, danach wird eine Flüssigkeit darauf getropft. Eine Viertelstunde später ist das Ergebnis da und entscheidet, ob der Schüler wieder den Unterricht besuchen darf oder weiter von zu Hause aus lernen muss.
Welche Selbsttests könnte es in Deutschland geben?
●
●
Wann kommen die Selbsttests?
Wie in Österreich könnte ein Stäbchen-Test zur Anwendung kommen. Dabei führt man ein verlängertes Wattestäbchen durch die Nase oder den Mund ein und streicht über die
Rachenwand. Da diese sich hinter dem Zäpfchen und Gaumensegel befindet, setzt bei einem Mundabstrich bei vielen Menschen ein Würgereiz ein. Fraglich ist deshalb, ob Laien dies so professionell an sich selbst durchführen wie medizinisch geschultes Personal. Eine zweite Möglichkeit wäre der Gurgel-Test. Dabei gurgelt der Tester eine Minute lang eine Kochsalzlösung. Die Viren trennen sich von der Rachenwand und werden mit der Flüssigkeit in ein Röhrchen gespuckt. Dies wird im Labor untersucht, das Ergebnis liegt in 24 Stunden vor. Das Robert-Koch-Institut warnt allerdings, dass „deutlich weniger Erfahrungswerte“mit diesem Test vorliegen. Auch könnte es zu einem Verdünnungseffekt kommen, wenn man statt mit zehn Millilitern mit 30 Millilitern gurgelt.
●
Wie sicher sind die Selbsttests?
Laut der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg sehr. „Wenn diese Tests auf dem Markt angeboten werden, gehen wir davon aus, dass sie zuverlässige Ergebnisse liefern, wenn sich der Anwender an die Gebrauchsinformation hält“, sagt eine Sprecherin. Genau das ist aus Sicht vieler Experten der Knackpunkt. Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek hat Probesets von 700 Lehrern testen lassen. Eine Video-Anleitung habe sie im Großen und Ganzen in die Lage versetzt, ihren Corona-Status korrekt zu überprüfen. „Es ist wichtig, dass die Anleitung für Laien verständlich ist“, betont Ciesek. Die Auslieferung solcher Tests an Schulen und Verkehrsunternehmen könne helfen, Infektionsketten zu unterbrechen und unterstützte die Öffnung, sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Ob wirklich Laientests hinzukommen, für die wirklich gar keine Schulung nötig sei, werde sich an der Qualität entscheiden. „Wenn wir zu viele falsche Ergebnisse haben, steckt darin auch ein Risiko.“Wer sich fälschlich für gesund hält, steckt andere an. Ein falsch positives Ergebnis führt aber zu unnötigen Personalausfällen. Experten weisen allerdings darauf hin, dass Antigen- und Stäbchen-Tests die PCR-Tests im Labor nur ergänzen können. PCR-Tests zeigen bereits eine geringe Anzahl von Viren an, während ein Antigenschnelltest erst bei einer hohen Zahl an Erregern reagiert. Das macht die PCR-Tests sehr verlässlich. Die Berliner Charité hat mit der Uniklinik Heidelberg eine Untersuchung zur Anwendung der Schnelltests durch Laien durchgeführt. 150 Corona-Verdachtspatienten testeten sich selbst: Sie führten einen Tupfer zwei bis drei Zentimeter in die Nase ein und strichen in kreisenden Bewegungen entlang der Nasenwand. Beim Eigentest wurden 29 von 39 Infizierten erkannt. Das Fachpersonal erkannte 31.
Weisen Selbsttests Mutanten nach?
●
Nein, sagt die VDGH-Sprecherin Gabriele Köhne. Das könnten nur die PCR-Tests im Labor.
●
Die Kosten variieren stark. Sie werden von jedem Hersteller und auch von jeder Apotheke individuell kalkuliert und ausgewiesen, da sie sich auch in ihrer Qualität und Handhabung unterscheiden werden, erklärt die Sprecherin der Apothekerkammer. In privaten Testzentren könnten die Tests – je nachdem, ob Antigen-Schnelltest oder PCR-Test – zwischen 30 und 160 Euro kosten. Wer sich beispielsweise am Berliner Flughafen BER testen lässt, zahlt für einen PCR-Test 69 Euro. Am Stuttgarter Flughafen dagegen zahlen Reisende 55 Euro für einen AntigenSchnelltest, jedoch 130 Euro für einen PCR-Test.
Was ist die Alternative zu Selbsttests?
●
Was kosten Tests?
Die baden-württembergische Regierung plant, freiwillige AntigenSchnelltests für Personal in Schulen und Kitas anzubieten. Vorerst bis zu den Osterferien soll sich das Personal zweimal pro Woche mittels Schnelltests anlasslos testen lassen können. Die Schnelltests sollen aus dem Landesbestand kommen und bei Ärzten und Apotheken genutzt werden können. Schon bisher konnten sich Lehrkräfte und Erzieherinnen zu bestimmten Zeiten kostenlos testen lassen, etwa nach den Ferien. Allerdings boten nicht alle Apotheken die zugesicherten Tests an: „Da uns zahlreiche Rückmeldungen vorliegen, dass die bisherige Struktur des Testangebots nicht flächendeckend funktioniert und Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher bereits heute Schwierigkeiten haben, ihre Berechtigungen für anlasslose Schnelltests konkret einzulösen, schlagen wir vor, dafür kommunale Testzentren einzurichten“, so eine Sprecherin von Südwest-Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Zahlreiche Kommunen hätten sich bereits auf den Weg gemacht, solche Testzentren einzurichten, andere stehen in den Startlöchern.