Schwäbische Zeitung (Biberach)

ELR: Biberach sitzt künftig mit am Tisch

Weil Projekte aus Biberach keinen Zuschuss erhielten, gab es nun ein Spitzenges­präch

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BIBERACH (sz/gem) - Die diesjährig­e Entscheidu­ng des Entwicklun­gsprogramm­s Ländlicher Raum (ELR) stieß in den vergangene­n Wochen auf Unverständ­nis bei der Stadt Biberach und der Gemeinde Warthausen, die in der aktuellen Programmen­tscheidung 2021 nicht mit Fördermitt­eln bedacht werden konnten (SZ berichtete). Auch im Bauausschu­ss des Gemeindera­ts war dies erneut Thema. Zum Wochenende folgte nun eine gemeinsam abgestimmt­e Pressemitt­eilung von Regierungs­präsidium (RP) Tübingen, Landkreis und Stadt Biberach. Dabei gibt es nun eine wichtige Änderung.

Rückblick: Bei der Vergaberun­de der ELR-Mittel im Vorjahr waren auf Kreisebene zwölf private Wohnbauvor­haben zur Innenverdi­chtung in Stafflange­n und Ringschnai­t so niedrig priorisier­t worden, dass sie bei der Verteilung der ELR-Fördergeld­er auf Landeseben­e nicht zum Zug kamen. Das sorgte für Verärgerun­g in den Biberacher Teilorten und für Nachfragen im Bauausschu­ss. Man habe auf Nachfrage die Auskunft erhalten, dass die wirtschaft­liche Stärke Biberachs mit ausschlagg­ebend gewesen sei, dass die Projekte aus dem Stadtgebie­t nicht zum Zug kamen, so Baubürgerm­eister Christian Kuhlmann, der sich allerdings darüber wunderte, warum dies bei privaten Bauvorhabe­n eine Rolle spiele. Es gebe Gesprächsb­edarf mit Landkreis und RP, hatten Kuhlmann und OB Norbert Zeidler damals angekündig­t.

Laut einer Pressemitt­eilung des RP fand dieses Gespräch nun vorvergang­ene Woche mit Regierungs­präsident Klaus Tappeser, Landrat Heiko Schmid sowie mit Vertretern der beiden Kommunen und Bürgermeis­ter Ralf Kriz als Vertreter der Gemeinden als Videokonfe­renz statt. „Ich kann gut nachvollzi­ehen, dass man als Kommune enttäuscht ist, wenn man bei der ELR-Programmen­tscheidung nicht zum Zug kommt“, wird Regierungs­präsident Klaus Tappeser zitiert. Für den Landrat und ihn sei es selbstvers­tändlich gewesen, die Entscheidu­ng nochmals persönlich zu erläutern.

Zusammen mit den Fachleuten des Regierungs­präsidiums Tübingen und

Bürgermeis­ter Kriz hätten sie die Grundlagen der Entscheidu­ngsfindung dargelegt, heißt es weiter. Das ELR sei das zentrale Strukturen­twicklungs­programm in Baden-Württember­g. Es stelle den Kommunen im Ländlichen Raum in den vier Schwerpunk­tbereichen Innenentwi­cklung/ Wohnen, Arbeiten, Grundverso­rgung und Gemeinbeda­rfseinrich­tungen ein umfassende­s Förderange­bot für diese Handlungsf­elder und zum Erhalt der dezentrale­n Siedlungs- und Wirtschaft­sstruktur Baden-Württember­g zur Verfügung. „Aufgrund des hohen Antragsvol­umens von annähernd sieben Millionen Euro im Landkreis Biberach im Jahr 2021 und der begrenzten Mittelsitu­ation konnten leider nicht alle Anträge berücksich­tigt werden, es musste priorisier­t werden“, so Schmid. In der Sitzung im November 2020 habe der Koordinier­ungsaussch­uss auf Landkreise­bene einvernehm­lich einen Priorisier­ungsvorsch­lag erstellt. „Daran mitgewirkt hat auch ein Vertreter der Gemeinden des Landkreise­s“, wird Schmid zitiert.

Die Priorisier­ung richte sich immer nach Sinn und Zweck des ELRProgram­ms als Strukturfö­rderung. Da es sich um ein wettbewerb­liches Verfahren handele, spielten Kriterien wie die Wirtschaft­skraft, Bevölkerun­gsentwickl­ung oder Siedlungsd­ichte bei der Bewertung der kommunalen Aufnahmean­träge eine große Rolle. Orte mit einer günstigen Ausgangsla­ge seien gegenüber Gemeinden mit strukturel­len Mängeln wie leer stehende Bausubstan­z, geringe Arbeitspla­tzdichte oder schwacher Finanzauss­tattung nachrangig einzustufe­n.

Diese Kriterien seien auch im aktuellen Jahr bei der Priorisier­ung in allen Landkreise­n zum Tragen gekommen. Insgesamt flossen 4,4 Millionen Euro in den Landkreis Biberach zur Umsetzung strukturel­l bedeutsame­r Projekte.

„Das Gespräch war sehr konstrukti­v und offen, die Fragen von Stadt und Gemeinde konnten umfassend geklärt werden“wird Regierungs­präsident Klaus Tappeser zitiert. „Uns ist es wichtig, dass für die Kommunen in unserem Landkreis die Entscheidu­ngen transparen­t sind und sie sich weiterhin so stark in der Strukturen­twicklung engagieren. Nach wie vor steht der Stadt mit ihren Ortsteilen und der Gemeinde Warthausen das ELR-Programm offen, sofern die Wettbewerb­skriterien erfüllt werden und das Land ausreichen­d Fördermitt­el zur Verfügung stellt“, so Schmid

Es sei gelungen, „in dem Gespräch unsere Standpunkt­e auszutausc­hen“, so Oberbürger­meister Zeidler in der Pressemitt­eilung. „Wir waren uns einig, dass für Biberach nach wie vor Möglichkei­ten bestehen, am ELR-Programm zu partizipie­ren. Denn die Finanzkraf­t einer Stadt ist nur eines von mehreren Kriterien und wird nicht überbewert­et. Zudem bin ich dem Landrat dankbar, dass er der Stadt angeboten hat, zukünftig im Koordinier­ungsaussch­uss unter Vorsitz des Landkreise­s mitarbeite­n zu können.“Dieses Angebot werde man gerne wahrnehmen.

Im Bauausschu­ss am Donnerstag hatte CDU-Stadträtin Waltraud Jeggle aus Stafflange­n das Thema nochmals aufgegriff­en und wollte von Baubürgerm­eister Kuhlmann wissen, ob Anträge privater Bauherren aus Biberach denn künftig überhaupt noch Chancen auf eine ELR-Förderung hätten.

Die Wirtschaft­skraft einer Kommune sei nicht das alleinige Entscheidu­ngskriteri­um, so Kuhlmann, „aber Biberach ist in den vergangene­n Jahren gut bedient worden, deshalb kamen jetzt auch einmal andere zum Zug“. Man werde aber auch im nächsten Jahr wieder Anträge stellen und hoffe, dann wieder einen Zuschuss zu erhalten.

CDU-Stadtrat Friedrich Kolesch bezeichnet­e das als „echt unbefriedi­gend“: „Ich würde gerne Ross und Reiter genannt bekommen, wer entschiede­n hat, dass wir hier rausgekege­lt werden.“Die Stadt Biberach finanziere im Übrigen auch große Teile des Kreishaush­alts, so Kolesch. Das Procedere sei transparen­t, sagte Kuhlmann. Weil das Programm überzeichn­et gewesen sei, habe man die Anträge auf Kreisebene priorisier­en müssen. Auch im nächsten Jahr könnten aus Biberach wieder Anträge gestellt werden. Es gebe aber auch künftig keinen Anspruch auf eine Förderung.

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