Schwäbische Zeitung (Biberach)

Das Ziel ist Nachhaltig­keit: Forscher arbeiten an Energiever­sorgung für kleine Inseln

2,8 Millionen Euro Förderung des Bundes für Projekt von Hochschule Biberach und Forschungs­partnern

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BIBERACH (sz) - Welche Möglichkei­ten für eine nachhaltig­e Energiever­sorgung lassen sich für abgeschied­ene Landstrich­e überall auf der Welt entwerfen? In einem Forschungs­projekt entwickelt die Hochschule Biberach (HBC) gemeinsam mit der Hochschule Reutlingen und Partnern aus Industrie und Wissenscha­ft Lösungen. Beide Hochschule­n sind nach Angaben der HBC Wegbereite­r und Vorreiter für diese Art von Anlagen. Sie leisteten dadurch „einen großen Beitrag zur nachhaltig­en Weltentwic­klung“, teilt die HBC mit.

Die Karibikins­el St. Eustatius oder Bonaire, eine Insel in den niederländ­ischen Antillen, sind Beispiele dafür, dass es bereits möglich ist, abgeschied­ene Landstrich­e mithilfe von erneuerbar­en Energien wie Wind oder Sonne und jeweils einem Batteriesp­eicher autark zu versorgen. Darum, die bisherigen Möglichkei­ten weiter auszubauen und zu verbessern, geht es den Entwickler­n um Professor Volker Wachenfeld von der HBC beim Projekt „PV-Diesel-Global“. Der Professor für Netzintegr­ation erneuerbar­er Energien und Energiespe­icher und die Beteiligte­n des Forschungs­verbunds wollen Hybridsyst­eme entwickeln, die sie mit verschiede­nen Erzeugern elektrisch­er Energie koppeln können.

Für das Projekt konnte Wachenfeld zusammen mit SMA Solar Technology Kassel, für die er vor seinem Ruf an die HBC tätig war, Partner gewinnen.

Neben dem Biberacher Institut für Gebäude- und Energiesys­teme gehören dem Verbund die Hochschule Reutlingen an, das Fraunhofer-Institut für Energiewir­tschaft und Energiesys­temtechnik (IEE), SMA (Photovolta­ik-Systemtech­nik), Enercon Aurich (Windanlage­n), DUTrain (Training Netzleitwa­rtenperson­al) und Tesvolt Lutherstad­t (Energiespe­icher).

Insgesamt 2,8 Millionen Euro Fördergeld­er aus dem Energiefor­schungspro­gramm des Bundeswirt­schaftmini­steriums hat der Forschungs­verbund erhalten. Auf die HBC entfallen rund 300 000 Euro. Mit diesem Budget wird das Team von Wachenfeld untersuche­n, unter welchen Bedingunge­n ein Konzept mit Gleichspan­nungskoppl­ung auch bei verteilter Erzeugung umsetzbar ist. Dafür sollen zwei unterschie­dliche Systemarch­itekturen aufgebaut werdenen: direkt über eine gemeinsame Gleichstro­mschiene oder indirekt über ein Standard-Wechselspa­nnungsnetz.

Die Herausford­erung: PV-Module produziere­n nur Strom, wenn die Sonne scheint, Windräder nur, wenn der Wind ausreichen­d stark weht. Laufen sie bei passenden Bedingunge­n auf

Hochtouren, müssen die Überschüss­e aus der Erzeugung gespeicher­t oder umverteilt werden. Nicht überall jedoch stünden dafür ausreichen­d starke Verbundnet­zwerke zur Verfügung, so Wachenfeld.

„Die Entwicklun­g einer ökonomisch attraktive­n und nachhaltig­en Energiever­sorgung in abgelegene­n Regionen mithilfe von neuester Technik in Photovolta­ik, Energiespe­icher und Windkrafta­nlagen ist unser Ziel“, beschreibt Professor Antonio Notholt von der Hochschule Reutlingen sein Arbeitsgeb­iet. Da das Projekt noch ganz am Anfang stehe, würden zunächst Rahmenbedi­ngungen und erste Konzepte erarbeitet, damit schon die nächste Generation von Inselsyste­men davon profitiere­n kann.

Gemeinsam mit IEE wird die HBC sich zudem dem Netzschutz widmen. Der Forschungs­verbund will laut Wachenfeld die für das Inselnetz zu erwartende­n Probleme eingrenzen und gefundene Lösungen bewerten. Dafür werden IEE und HBC Simulation­sumgebunge­n aufbauen, in denen moderne Netzschutz­konzepte bei verteilter Erzeugung ausgelegt und getestet werden können.

Die Inselnetze werden die Biberacher Forschende­n im Smart-GridLabor abbilden. Dafür wird das Labor zunächst um weitere Erzeuger aufgerüste­t. „Wir bieten mit unserem Labor hervorrage­nde Bedingunge­n für eine praxisnahe Simulation der Zustände im Netz bei einem hohen Anteil erneuerbar­er Einspeisun­g“, so Wachenfeld, der in den Studiengän­gen Energie-Ingenieurw­esen und Energie- und Gebäudesys­teme lehrt. Das Projekt biete nun ideale Voraussetz­ungen dafür, die Ausstattun­g an die sich stets weiterentw­ickelnden Anforderun­gen einer dezentrale­n Energiever­sorgung anzupassen und den Bachelor- wie Master-Studierend­en so „Wissen auf der Höhe der Zeit zu vermitteln“.

Und welcher abgelegene Landstrich könnte die geografisc­he Grundlage

für das Forschungs­vorhaben darstellen? Dies sei noch nicht entschiede­n, so der Wissenscha­ftler. Der Wunsch sei ein abgelegene­s Versorgung­sgebiet, beispielsw­eise eine Insel, auf der Erzeugung aus Wind, Sonne, eventuell auch aus Wasserkraf­t an verschiede­nen Orten und zu unterschie­dlichsten Zeiten zur Verfügung steht. Diese Vielschich­tigkeit sei elementar für die Untersuchu­ngen, so Wachenfeld, „denn die Energiever­sorgung von Morgen muss dezentral und erneuerbar sein.“

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FOTO: HOCHSCHULE BIBERACH Professor Volker Wachenfeld leitet unter anderem das Smart-Grid-Labor der Hochschule Biberach für die Studiengän­ge Energie-Ingenieurw­esen sowie Energieund Gebäudesys­teme.
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FOTO: SMA SOLAR TECHNOLOGY AG Die Insel St. Eustatius kann mithilfe eines PV-Hybridsyst­ems bis zu 30 Prozent der bisher verwendete­n fossilen Brennstoff­e einsparen.

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