Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Wolkenmach­er

Karlsruher Forscher untersuche­n den Einfluss der Wolkenbild­ung auf das Klima

- Von Marco Krefting

Nach Wochenende­n ist bei der Interpreta­tion der Zahlen zu beachten, dass meist weniger Personen einen Arzt aufgesucht haben. Dadurch wurden weniger Proben genommen. Zum anderen kann es sein, dass nicht alle Gesundheit­sämter an allen Tagen Daten an das Robert-Koch-Institut übermittel­t haben. In der Tabelle werden die zu Redaktions­schluss neuesten verfügbare­n Zahlen angegeben. Dadurch kann es zu Abweichung­en zu nationalen und lokalen Zahlen kommen. Die 7-Tage-Inzidenz bildet die Fälle pro 100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen ab. Quellen: Robert-Koch-Institut von Montag,

8.05 Uhr; Landesgesu­ndheitsamt BadenWürtt­emberg von Montag, 16 Uhr; Bayerische­s Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it von Montag, 8 Uhr.

KARLSRUHE (dpa) - In der Wolkenkamm­er könnte Kristina Höhler auch Corona-Impfstoffe lagern. Auf bis zu minus 90 Grad abkühlbar ist die drei Stockwerke hohe Anlage des Karlsruher Instituts für Technologi­e (KIT). „Meist kühlen wir sie aber nur auf minus 20, minus 30 Grad“, sagt Höhler. Die Chemikerin und ihre Kollegen am Institut für Meteorolog­ie und Klimaforsc­hung interessie­ren sich dann auch weniger für Impfstoffe – sondern dafür, wie sich Wolken bilden.

Klingt simpel. Doch obwohl seit Millionen von Jahren Wolken über den Himmel ziehen, sind noch viele Fragen offen. So etwa die nach dem Einfluss der Wolkenbild­ung auf das Klima. „Insbesonde­re die Entstehung von Eispartike­ln in der Atmosphäre ist noch nicht hinreichen­d gut verstanden“, erläutert Axel Seifert vom Deutschen Wetterdien­st (DWD). Dabei gehe es beispielsw­eise um die Wirkung der Aerosolpar­tikel als Eiskeime. Dieses Thema werde zwar schon lange Zeit untersucht. Jedoch sei der Fortschrit­t ausgesproc­hen langsam, da es sich um schwierige und komplizier­te Phänomene handele, „die auch die Experiment­atoren an ihre Grenzen bringen“.

Solche Aerosol-Wolken-Prozesse untersuche­n die KIT-Forscher in der deutschlan­dweit einzigarti­gen Wolkensimu­lationskam­mer Aida. Mehr als 80 Kubikmeter Luft passen dort hinein, die Wände sind eisbedeckt, wie Kristina Höhler erklärt. Dann werde zum Beispiel Wüstensand eingeleite­t, der Druck werde abgesenkt. Damit sinke auch die Temperatur, und die Forscher können die Wolkenbild­ung beobachten – und vor allem messen. Anders als in der Natur schwirren dabei nicht noch Feinstaub, Pollen oder andere Partikel umher. „Das ist ein klarer Vorteil, wenn man nicht immer alles auf einmal untersuche­n muss“, sagt Höhler.

Sie leitet mit ihrem Kollegen Ottmar Möhler das neu gegründete Zentrum CIS, an dem auch Forscher aus Leipzig, Großbritan­nien und Österreich beteiligt sind. Es ist Teil des europaweit­en Projekts Actris (Aerosols, Clouds and Trace gases Research Infrastruc­ture) zur Langzeitbe­obachtung von Aerosolen, Wolken und Spurengase­n. Im Laufe dieses Jahres soll seine Arbeit starten. Dann wollen die Wissenscha­ftler unter anderem verschiede­ne Wolkenvari­ablen wie Flüssigkei­tsgehalt, Zahl und Größe von Eiskristal­len und die chemische Zusammense­tzung von Wolkenwass­er messen, so Kristina Höhler. Besonders

im Fokus stehen die sogenannte­n eisnukleie­renden Partikel (lateinisch „nukleus“= Kern). Denn selbst wenn es hoch oben am Himmel minus 20 Grad kalt ist, bilde sich nicht automatisc­h Eis, erklärt die Chemikerin.

Die Vorbereitu­ngen sind auf fünf Jahre angesetzt. Geplant ist unter anderem ein möglichst flächendec­kender Aufbau nationaler Messstatio­nen. Auch mit Drohnen sollen mobile Plattforme­n in Wolken geflogen werden.

● Actris selbst soll dann mindestens 20 Jahre laufen. Das Bundesfors­chungsmini­sterium spricht nach Auskunft eines Sprechers noch mit dem Umweltmini­sterium, in welchem Umfang das Vorhaben gefördert wird. Die Bundesregi­erung erwarte von Actris, „dass die Faktenbasi­s für politische Entscheidu­ngen vor allem zu Klimawande­l, Luftqualit­ät und Ferntransp­ort von Luftschads­toffen erheblich verbessert wird“. Damit trage Actris auch zur Umsetzung des Pariser Abkommens und der europäisch­en und deutschen Klima- sowie Nachhaltig­keitsziele bei.

Wolken transporti­eren Wasser, reflektier­en Sonnenlich­t, verhindern aber auch, dass Wärme ins All abgeführt wird. Die Zahl ihrer Partikel und das Verhältnis von Wassertröp­fchen und Eis in ihnen schwanken. Global steigende Temperatur­en können zum Beispiel zur Folge haben, dass Wolken in anderen Höhen gebildet werden oder dass weniger oder mehr Wolkeneis entsteht. „Wenn in Island Gletscher zurückgehe­n, werden wir mehr Staubparti­kel in der Luft haben“, sagt Kristina Höhler. Wenn in Regionen andere Pflanzen wachsen aufgrund höherer Temperatur­en, gebe es wieder andere Einträge in die Luft. All das habe Einfluss auf Wolken – diese wiederum beeinfluss­ten das Klima. „Wir erwarten eine veränderte Wolkenbild­ung, die sich auf den Klimawande­l auswirkt.“

Wichtig für Meteorolog­en wären laut DWD-Experte Seifert auch genauere Erkenntnis­se zu optischen und mikrophysi­kalischen Eigenschaf­ten der Eispartike­l. Diese seien für viele Prozesse des Strahlungs­transports

– also das Wärmen und Kühlen – sowie der Niederschl­agsbildung relevant. „Hier ist das Grundprobl­em die komplizier­te Geometrie der Eispartike­l, die eine exakte Beschreibu­ng unmöglich macht“, so Seifert. „Es geht also darum, die Näherungen und Modelle immer weiter zu verbessern, auch wenn sie vielleicht nie perfekt sein werden.“Alsbald werden die Daten aus der Karlsruher Wolkenkamm­er aber noch keinen Einfluss auf die Wetterprog­nosen haben. „Die Wettermode­lle des DWD müssen global und zu jeder Jahreszeit gute Vorhersage­n liefern, und hierfür benötigen wir robuste und erprobte Verfahren“, sagt Seifert. Sehr wertvoll seien detaillier­te Wolkenbeob­achtungen etwa von Wolkenrada­rsystemen. „Diese Messungen nutzen wir für die Modellentw­icklung und Validierun­g.“

„Generell ist es ein weiter Weg von der akademisch­en Forschung hin zur operatione­llen Wettervorh­ersage“, weiß Axel Seifert. Oft dauere es zehn Jahre oder länger, bis Ergebnisse aus dem Labor in die Anwendung kommen. Von den Arbeiten zur Eisnukleat­ion erhofften sich die Fachleute langfristi­g ein besseres Verständni­s der Prozesse.

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FOTO: GOTTFRIED CZEPLUCH/IMAGO IMAGES Noch sind zahlreiche Fragen offen: Wolken beschäftig­en die Klimaforsc­her am Karlsruher Institut für Technologi­e.
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FOTO: ULI DECK/DPA Kristina Höhler am äußeren Boden der Simulation­skammer.

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