Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die Wolkenmacher
Karlsruher Forscher untersuchen den Einfluss der Wolkenbildung auf das Klima
Nach Wochenenden ist bei der Interpretation der Zahlen zu beachten, dass meist weniger Personen einen Arzt aufgesucht haben. Dadurch wurden weniger Proben genommen. Zum anderen kann es sein, dass nicht alle Gesundheitsämter an allen Tagen Daten an das Robert-Koch-Institut übermittelt haben. In der Tabelle werden die zu Redaktionsschluss neuesten verfügbaren Zahlen angegeben. Dadurch kann es zu Abweichungen zu nationalen und lokalen Zahlen kommen. Die 7-Tage-Inzidenz bildet die Fälle pro 100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen ab. Quellen: Robert-Koch-Institut von Montag,
8.05 Uhr; Landesgesundheitsamt BadenWürttemberg von Montag, 16 Uhr; Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit von Montag, 8 Uhr.
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KARLSRUHE (dpa) - In der Wolkenkammer könnte Kristina Höhler auch Corona-Impfstoffe lagern. Auf bis zu minus 90 Grad abkühlbar ist die drei Stockwerke hohe Anlage des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). „Meist kühlen wir sie aber nur auf minus 20, minus 30 Grad“, sagt Höhler. Die Chemikerin und ihre Kollegen am Institut für Meteorologie und Klimaforschung interessieren sich dann auch weniger für Impfstoffe – sondern dafür, wie sich Wolken bilden.
Klingt simpel. Doch obwohl seit Millionen von Jahren Wolken über den Himmel ziehen, sind noch viele Fragen offen. So etwa die nach dem Einfluss der Wolkenbildung auf das Klima. „Insbesondere die Entstehung von Eispartikeln in der Atmosphäre ist noch nicht hinreichend gut verstanden“, erläutert Axel Seifert vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Dabei gehe es beispielsweise um die Wirkung der Aerosolpartikel als Eiskeime. Dieses Thema werde zwar schon lange Zeit untersucht. Jedoch sei der Fortschritt ausgesprochen langsam, da es sich um schwierige und komplizierte Phänomene handele, „die auch die Experimentatoren an ihre Grenzen bringen“.
Solche Aerosol-Wolken-Prozesse untersuchen die KIT-Forscher in der deutschlandweit einzigartigen Wolkensimulationskammer Aida. Mehr als 80 Kubikmeter Luft passen dort hinein, die Wände sind eisbedeckt, wie Kristina Höhler erklärt. Dann werde zum Beispiel Wüstensand eingeleitet, der Druck werde abgesenkt. Damit sinke auch die Temperatur, und die Forscher können die Wolkenbildung beobachten – und vor allem messen. Anders als in der Natur schwirren dabei nicht noch Feinstaub, Pollen oder andere Partikel umher. „Das ist ein klarer Vorteil, wenn man nicht immer alles auf einmal untersuchen muss“, sagt Höhler.
Sie leitet mit ihrem Kollegen Ottmar Möhler das neu gegründete Zentrum CIS, an dem auch Forscher aus Leipzig, Großbritannien und Österreich beteiligt sind. Es ist Teil des europaweiten Projekts Actris (Aerosols, Clouds and Trace gases Research Infrastructure) zur Langzeitbeobachtung von Aerosolen, Wolken und Spurengasen. Im Laufe dieses Jahres soll seine Arbeit starten. Dann wollen die Wissenschaftler unter anderem verschiedene Wolkenvariablen wie Flüssigkeitsgehalt, Zahl und Größe von Eiskristallen und die chemische Zusammensetzung von Wolkenwasser messen, so Kristina Höhler. Besonders
im Fokus stehen die sogenannten eisnukleierenden Partikel (lateinisch „nukleus“= Kern). Denn selbst wenn es hoch oben am Himmel minus 20 Grad kalt ist, bilde sich nicht automatisch Eis, erklärt die Chemikerin.
Die Vorbereitungen sind auf fünf Jahre angesetzt. Geplant ist unter anderem ein möglichst flächendeckender Aufbau nationaler Messstationen. Auch mit Drohnen sollen mobile Plattformen in Wolken geflogen werden.
● Actris selbst soll dann mindestens 20 Jahre laufen. Das Bundesforschungsministerium spricht nach Auskunft eines Sprechers noch mit dem Umweltministerium, in welchem Umfang das Vorhaben gefördert wird. Die Bundesregierung erwarte von Actris, „dass die Faktenbasis für politische Entscheidungen vor allem zu Klimawandel, Luftqualität und Ferntransport von Luftschadstoffen erheblich verbessert wird“. Damit trage Actris auch zur Umsetzung des Pariser Abkommens und der europäischen und deutschen Klima- sowie Nachhaltigkeitsziele bei.
Wolken transportieren Wasser, reflektieren Sonnenlicht, verhindern aber auch, dass Wärme ins All abgeführt wird. Die Zahl ihrer Partikel und das Verhältnis von Wassertröpfchen und Eis in ihnen schwanken. Global steigende Temperaturen können zum Beispiel zur Folge haben, dass Wolken in anderen Höhen gebildet werden oder dass weniger oder mehr Wolkeneis entsteht. „Wenn in Island Gletscher zurückgehen, werden wir mehr Staubpartikel in der Luft haben“, sagt Kristina Höhler. Wenn in Regionen andere Pflanzen wachsen aufgrund höherer Temperaturen, gebe es wieder andere Einträge in die Luft. All das habe Einfluss auf Wolken – diese wiederum beeinflussten das Klima. „Wir erwarten eine veränderte Wolkenbildung, die sich auf den Klimawandel auswirkt.“
Wichtig für Meteorologen wären laut DWD-Experte Seifert auch genauere Erkenntnisse zu optischen und mikrophysikalischen Eigenschaften der Eispartikel. Diese seien für viele Prozesse des Strahlungstransports
– also das Wärmen und Kühlen – sowie der Niederschlagsbildung relevant. „Hier ist das Grundproblem die komplizierte Geometrie der Eispartikel, die eine exakte Beschreibung unmöglich macht“, so Seifert. „Es geht also darum, die Näherungen und Modelle immer weiter zu verbessern, auch wenn sie vielleicht nie perfekt sein werden.“Alsbald werden die Daten aus der Karlsruher Wolkenkammer aber noch keinen Einfluss auf die Wetterprognosen haben. „Die Wettermodelle des DWD müssen global und zu jeder Jahreszeit gute Vorhersagen liefern, und hierfür benötigen wir robuste und erprobte Verfahren“, sagt Seifert. Sehr wertvoll seien detaillierte Wolkenbeobachtungen etwa von Wolkenradarsystemen. „Diese Messungen nutzen wir für die Modellentwicklung und Validierung.“
„Generell ist es ein weiter Weg von der akademischen Forschung hin zur operationellen Wettervorhersage“, weiß Axel Seifert. Oft dauere es zehn Jahre oder länger, bis Ergebnisse aus dem Labor in die Anwendung kommen. Von den Arbeiten zur Eisnukleation erhofften sich die Fachleute langfristig ein besseres Verständnis der Prozesse.