Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wie eine Gin-Verkostung am Laptop schmeckt
Biberacher Start-up Ginferno geht mit Online-Gin-Tastings im Corona-Shutdown neue Wege
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BIBERACH - Welche Tonics passen zu welchem Gin? Eine durchaus schwere Frage, gibt es doch viele Kombinationen. Acht Biberacher haben daraus eine Geschäftsidee entwickelt – und zwar mit der App „Ginferno“. Verkostungen helfen ihnen bei der Weiterentwicklung der Anwendung für Smartphones, was mit Corona aber fast unmöglich wurde. Fast deshalb, weil sie nun auf Online-Gin-Tastings setzen und damit einen neuen Weg gefunden haben, ihren Traum weiterzuverfolgen.
Die leidige Frage, wer denn fährt, entfällt an diesem Abend. Teilnehmer mischen die Gins und Tonics daheim. Die Macher von Ginferno leiten sie hierbei ungefähr zweieinhalb Stunden über den Bildschirm an. Das mag sich lange anhören, entpuppt sich aber als relativ kurzweilig. Dafür sorgen auch die fünf unterschiedlichen Gin-Sorten von herb bis beerig. Mit ihnen gibt es eine geschmackliche Reise – und gleichzeitig einen Kurztrip durch Europa.
Die Hersteller sind zugeschaltet und erklären unter anderem die Entstehungsgeschichte. Alex zum Beispiel ist mit seinem Gin aus Amsterdam eingeblendet. Die Teilnehmer können über die Chatfunktion direkt Fragen stellen – und die drehen sich auch um andere Themen als die passenden Mischungen. Einer möchte zum Beispiel wissen, wo es den Pullover von Alex zu kaufen gibt. Immer mal wieder startet die Regie Umfragen, um für Interaktion zu sorgen.
Vor der Verkostung hatten die Teilnehmer ein Paket mit fünf Gins, fünf Tonics, getrockneten Früchten, einem Strohhalm aus Glas sowie ein handgeschriebenes Einladungsschreiben
erhalten. Rund 80 User sind eingeloggt, wobei die Zahl der gesamten Teilnehmer höher liegt. Manche sitzen zu mehrt vor dem Laptop, Tablet-PC oder Smartphone. Für das Team um Ginferno ist es das zweite digitale Tasting, weitere sind für April und Mai bereits in Planung. Jeder hat seine Aufgabe – von der Moderation über den Barchef bis hin zur Technik.
Mit dem Online-Tasting wollen die
Unternehmer in der Corona-Pandemie den Kontakt zu ihren Kunden aufrechterhalten. Vor den Einschränkungen hatten sie ihre Verkostungen unter anderem im Vereinsheim des TC Biberach veranstaltet. Hierbei bekommen sie direkt mit, wie die Nutzer mit der Ginferno-App umgehen. In der App sind Gins mit den passenden Tonics und Zutaten gelistet. Zudem können User ihre eigenen Lieblingsmischungen einstellen und bewerten. Entstanden ist die Idee bei einer privaten Verkostung. „Größtes Glück und damit ein maßgeblicher Wegbereiter für die Ginferno-Idee war Harry Zell“, erläutert der Geschäftsführer Holger Diehl. Er sei der Sommelier, habe einen definierten Gaumen und „eine unglaubliche Nase“. Weil sie mit einer damals vorhanden App unzufrieden waren, wollten sie etwas Eigenes auf die Beine stellen. Mit beispielsweise einem Grafikdesigner,
einem Datenbankspezialisten und einem Programmierer sahen sie sich dafür gerüstet.
Zuerst gründeten sie einen Verein, später ein Unternehmen. „Wir glauben an den Erfolg, arbeiten intensiv dafür und sehen unser Produkt, unsere App, weltweit im Einsatz – im Privaten, auf Partys, in Bars, im Gin-Vetrieb“, so der Geschäftsführer über die Vision. Ein Ziel ihrer App soll auch sein, den Gin-Herstellern den direkten Kontakt zu deren Kunden zu vermitteln. Das scheine gerade für die Hersteller mit kleineren Produktionsmengen eine gute Möglichkeit zu sein, erläutert Diehl.
Ihr Start-up betreiben die Macher nebenberuflich, heißt, jeder geht noch seinem eigentlichen Beruf nach. Wie schaffen sie den Spagat, zumal es ja auch noch ein Privatleben gibt? „Wenn die Geschäftspartner Freunde werden oder viele Jahre bereits solche sind, dann ist die Verträglichkeit mit dem Privatleben super zu gestalten“, sind sich die Biberacher einig. Zudem stärkten Familie und Partner ihnen den Rücken, sei es an der Tastatur, am Smartphone oder beim Schnüren der Pakete.
Egal, ob Tasting in Präsenz oder digital, jedem Teilnehmer bleibt es selbst überlassen, wie viel er trinkt. Auch kann er die Gins und Tonics anders kombinieren, als es die Moderatoren empfehlen. Harry Zell ruft die Zuschauer sogar explizit dazu auf. Auch die Hersteller geben Präferenzen ab. Das Besondere an den OnlineTastings sei, dass die Hersteller zu den Gästen zählten und die Teilnehmer Informationen aus erster Hand erhielten, sagt Holger Diehl. Und natürlich, dass das eigene Bett keine Autofahrt entfernt ist, sondern nur wenige Schritte.