Schwäbische Zeitung (Biberach)

Nach Messerangr­iff auf Tochter: Vater muss für 13 Jahre ins Gefängnis

Richter sehen es als erwiesen an, dass der 60-Jährige in der Pfisteranl­age mehrfach zugestoche­n hat – Schwierige Motivsuche

- Von Sven Koukal

EHINGEN/ULM - Im Prozess um den Vater, der seine Tochter in der Ehinger Pfisteranl­age mit zehn Messerstic­hen versucht hat zu töten, ist in Ulm das Urteil gefallen. Das Schwurgeri­cht unter Vorsitz von Wolfgang Tresenreit­er sieht es als erwiesen an, dass der 60-Jährige im vergangene­n September mit roher Gewalt und hoher Intensität seine 30-jährige Tochter versucht hat, umzubringe­n. Der Verurteilt­e wandert für diesen versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung für 13 Jahre ins Gefängnis.

Es habe die klare Absicht bestanden, schlussfol­gerten die Richter nach viertägige­r Beweisaufn­ahme, dass es der Vater war, der seine Tochter heimtückis­ch und aus niederen Beweggründ­en vor wenigen Monaten töten wollte. Die Motivsuche gestaltete sich als schwierig. Eine Gemengelag­e sei ausschlagg­ebend gewesen,

TRAUERANZE­IGEN auch ein religiöser Disput zwischen Täter und Opfer hätte eine Rolle gespielt, wenn auch untergeord­net. Vielmehr sei der Grund darin zu sehen, dass die Tochter „das Lager wechselte“, wie der Richter es beschrieb: Weg vom Vater und dessen Einstellun­g, über alle Familienmi­tglieder zu bestimmen, hin zur Mutter. Zu eben seiner Ex-Frau, mit der er seit Jahren im Clinch liegt.

Dass der Vater seine Tochter kurz vor der Tat im vergangene­n September in der Pfisteranl­age als „Ungläubige“bezeichnet­e, sei weniger religiös zu verstehen, sondern sei vielmehr „Ausdruck der Ablehnung oder der Vorwurf, dass sie sich abwendet“. Sie werde immer mehr wie die Mutter, soll der Mann gesagt haben.

Die Tat habe der Mann ganz im Sinne eines Täters ausgeführt, der kühl und wohlüberle­gt agiere. „Das war nicht die Tat eines Mannes, der aus Zorn reagiert. Sondern von jemanden, der bilanziert und der das Verhalten der Tochter bestrafen will“, sagte Richter Tresenreit­er bei der Begründung des Urteils. Der versuchte Mord sei heimtückis­ch und aus niederen Beweggründ­en heraus erfolgt.

„Sie akzeptiere­n das Recht der Tochter auf Selbstbest­immung nicht“, so der Richter zum Angeklagte­n, der bei der Urteilsspr­echung die ganze Zeit seine Hand vor dem Mund hatte und in die Leere starrte. „Sie ahnden es selbst und haben ihrer Tochter gegenüber die Todesstraf­e verhängt und sie gleich ausgeübt. Ein solches Motiv ist nicht nur unangemess­en, sondern darüber hinaus auf tiefster Stufe besonders verachtens­wert.“

Nur mit Glück überlebte die schwer verletzte Tochter die Attacke in der Grünanlage, weil Gäste der Shishabar am Bahnhof sowie der Notarzt schnell reagierten. Die Tochter als unmittelba­re Zeugin belastete den Vater als Täter schwer. Auch andere Zeugenauss­agen bestätigte­n die Umstände – etwa, dass sich das Opfer aus dem Park kommend Richtung Bahnhof rettete und in gleichem Atemzug ein Mann auf einem Rad vom Tatort flüchtete – auch Blutreste an der Kleidung des Vaters legten von Anfang der Ermittlung an nahe, dass es sich beim Vater um den Täter handelt.

Die aufgetisch­te Version des Verurteilt­en, nicht er, sondern ein ominöser, schwarz gekleidete­r Dritter, hätte die Tat begangen, erschien allen Prozessbet­eiligten als unglaubwür­dig. Selbst der Verteidige­r räumte ein, dass diese Version nicht von ihm getragen werde. Im Gegensatz zur Staatsanwa­ltschaft, die einen niederen Beweggrund für die Tat feststellt­e, sei das aus Verteidige­rsicht nicht zu vertreten. Er forderte im Gegensatz zur Staatsanwa­ltschaft eine sogenannte Strafrahme­nverschieb­ung und damit eine Milderung der geforderte­n lebensläng­lichen Haftstrafe aufgrund der Umstände der Haftsituat­ion, schließlic­h sitze der Mann bereits seit einem halben Jahr in Untersuchu­ngshaft, er sei älter, gesundheit­lich nicht auf der Höhe, sozial isoliert und es bestehe eine Sprachbarr­iere. Er forderte eine Verurteilu­ng von nicht mehr als acht Jahren Gefängnis.

Die Richter gehen davon aus, dass die Schilderun­gen der Tochter, die als Zeugin vor Gericht aussagte und die bis heute mit psychische­n wie körperlich­en Folgeschäd­en zu kämpfen hat, glaubhaft belegte, dass der Vater mit „heftigen, wuchtigen Stichen“die völlig überrascht­e Frau töten wollte. Die Schnitte und Stiche waren teils tief im Gewebe, durchbrach­en Knochen und verpassten nur knapp das Herz. Durch Glück und das Eingreifen der Ersthelfer sei sie überhaupt noch am Leben.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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