Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die Dividenden klettern
Trotz Corona schütten die Dax-30-Unternehmen in diesem Jahr mehr an ihre Anleger aus
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FRANKFURT - In den kommenden Tagen nimmt die Hauptversammlungssaison Fahrt auf und damit auch die Auszahlung der Dividenden. Denn auf den jährlichen Aktionärstreffen beschließen die Anteilseigner auch über deren Höhe, ausgeschüttet werden sie dann nach den Hauptversammlungen. Wie viel die Unternehmen zahlen, richtet sich nach den Gewinnen des Vorjahres.
Im Vorfeld waren viele Analysten deshalb skeptisch, ob 2021 ein gutes Dividendenjahr werden würde. Inzwischen aber haben die meisten Dax-Unternehmen ihre Zahlen für 2020 nebst dem Ausschüttungsvorschlag veröffentlicht und das Volumen lässt sich besser abschätzen.
34 Milliarden Euro zahlen allein die 30 größten im Dax notierten Firmen an ihre Aktionäre, prognostiziert Andreas Hürkamp. Er ist Leiter Kapitalmarktstrategie bei der Commerzbank. Das sei ein Prozent mehr als für 2019. 16 der 30 Dax-Unternehmen würden die Ausschüttungen erhöhen, glaubt Hürkamp, nur fünf Firmen wahrscheinlich kürzen und drei Firmen, nämlich die Deutsche Bank, der Autozulieferer Continental und der Essens-Lieferant Delivery Hero auf eine Ausschüttung verzichten. Für das Corona-Jahr sei das ein „sehr bemerkenswertes Ergebnis“, meint der Commerzbank-Stratege.
Dividendenankündigungen sind immer auch Signale der Unternehmen an den Kapitalmarkt. Die DaxWerte signalisieren mit ihren insgesamt stabilen Ausschüttungen, dass der Ertragsrückgang 2020 nur ein durch die Pandemie bedingter Einbruch ist und dass sie gut aufgestellt sind.
Weniger Dividende zahlen Autohersteller wie Daimler und BMW. Eigentlich sollten die aber gar nichts ausschütten, meinen Kritiker. Denn sie hätten im vergangenen Jahr staatliche Hilfen bekommen und diese nicht zurückgezahlt. Viele Beschäftigte litten unter Einkommenseinbußen durch Kurzarbeit: „Ein Minus für Beschäftigte und Hilfeleistungen durch die Steuerzahler, aber Gewinne für die Aktionäre – diese Ungerechtigkeit in der Corona-Krise ist niemanden zu erklären und gefährdet die Solidarität unserer Gesellschaft“,
sagt Lena Blanken von der Bürgerbewegung Finanzwende.
Neben den Anlegern der Deutschen Bank gehen auch die der im Mdax notierten Commerzbank in diesem Jahr leer aus. Denn die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank hatte den Instituten empfohlen, möglichst auf Dividendenzahlungen zu verzichten und stattdessen ihre Liquidität zu stärken. Das soll zumindest bis September gelten. Die ursprünglichen Ausschüttungspläne könnten so ungefähr zur Hälfte durchgeführt werden, glaubt Bundesbankvorstand Joachim Wuermeling. Der Bundesverband deutscher Banken sieht das kritisch. So sagte dessen Präsident Hans-Walter Peters kürzlich: „Je länger die Restriktionen aufrechterhalten werden, umso mehr ziehen sich die Investoren aus dem Bankensektor zurück oder zögern mit Engagements.“
Auch die Investoren anderer Unternehmen im Dax 30 müssen Einbußen
hinnehmen. Allerdings versuchen viele Vorstände, mit einer konstanten oder kontinuierlich steigenden Dividendenausschüttung die Anleger an sich zu binden. Das gilt etwa für die Allianz, die wie im Vorjahr 9,60 Euro zahlen wird. Insgesamt schüttet der Münchner Versicherer damit etwa 3,95 Milliarden Euro aus, gefolgt von der Deutschen Telekom mit 2,85 Milliarden Euro und Siemens mit immer noch 2,8 Milliarden Euro – trotz Senkung der Dividende je Aktie von 3,90 auf 3,50 Euro.
Freuen können sich die Aktionäre der Deutschen Post: Sie erhöht ihre Dividende deutlich von 1,15 Euro je Aktie auf 1,35 Euro. Der Wohnungskonzern Vonovia steigert seine Ausschüttung von 1,57 auf 1,69 Euro je Anteilsschein. Und der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF hält die Dividende immerhin stabil bei 3,30 Euro, obwohl er im Corona-Jahr einen Gewinnrückgang hinnehmen musste.
Mit Blick auf den weiter gefassten Aktienindex MSCI Europa rechnet die Fondsgesellschaft Allianz Global Investors (AGI) mit Ausschüttungen von 330 Milliarden Euro. Das sei etwa 15 Prozent mehr als im Vorjahr, da aber war das Dividendenvolumen um ein Fünftel zurückgegangen. Das Niveau der Zeit vor der Corona-Krise dürfte erst wieder im kommenden Jahr erreicht werden. Dabei schütten börsennotierte Unternehmen aus dem Gesundheitssektor und Versorger voraussichtlich mehr aus, während stark von der Krise gebeutelte Unternehmen aus dem Konsum- und Industriegütersektor erst wieder mehr zahlen dürften, wenn die Konjunktur sich erholt.
Auch wenn das Dividendenjahr 2021 insgesamt schlechter ausfallen dürfte, sei die Dividende auf lange Sicht ein stabilisierender Faktor für das Depot, sagt Hans-Jörg Naumer, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Fondsgesellschaft AGI. Das gelte vor allem in Jahren mit negativer Kursentwicklung, weil Dividenden dann Kursverluste ganz oder teilweise kompensierten.
Interessant ist auch ein Blick auf die Dividendenrendite, also das Verhältnis der Dividende zum aktuellen Börsenkurs. Die ist wegen der deutlich gestiegenen Notierungen gegenüber dem Vorjahr zwar auf 2,5 Prozent gesunken. Doch im Vergleich mit anderen Anlagemöglichkeiten ist das noch immer ein üppiger Wert. Die durchschnittliche Rendite von Unternehmensanleihen der Dax-Werte liegt bei lediglich 0,5 Prozent, Tages- oder Festgeldkonten werfen aktuell nur wenig mehr als nichts ab.
Dennoch warnen Experten davor, Aktien nur nach der Dividendenrendite auszusuchen. Denn die steigt auch dann, wenn der Aktienkurs sinkt. Und sinkende Kurse bedeuten in der Regel, dass Anleger das Unternehmen skeptischer sehen.