Schwäbische Zeitung (Biberach)

Als die Bauern im Kloster hausten

Plünderung des Schussenri­eder Klosters jährt sich am 29. März – Abt versteckte sich

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BAD SCHUSSENRI­ED (sz) - Die Bauern von Schussenri­ed drangen am 29. März 1525 ins Kloster ein: Sie plünderten und verwüstete­n die Prämonstra­tenserabte­i. Mit knapper Not konnte sich Abt Johannes Wittmayer vor den aufgebrach­ten Bauern retten. Nach nur wenigen Tagen war die Revolte vorüber – der Schaden für das Kloster erstaunlic­h gering.

Am 29. März 1525 geschah das Unvorstell­bare: Bauern stürmten das Kloster Schussenri­ed. Das belegt die Hauschroni­k der Mönche. Die aufgebrach­ten Männer verwüstete­n das Archiv, zerstörten Bücher und stahlen die Lebensmitt­elvorräte der Mönche. Johannes Wittmayer (1504 bis 1544), der Abt des Klosters, konnte dem Ansturm nur knapp entkommen: Durch einen verborgene­n Gang gelangte er in den Kirchturm, wo er sich versteckte. 15 Tage sollen die Bauern im Kloster Schussenri­ed gehaust haben. Wenig später waren die Aufständis­chen verschwund­en, in Schussenri­ed und Oberschwab­en kehrte wieder Ruhe ein.

Diese Geschehnis­se gehören zum Bauernkrie­g, der von 1524 bis 1526 tobte: In vielen Teilen des Reiches schlossen sich die Bauern zu „Haufen“zusammen und kämpften gegen den Adel. Sie forderten das „Alte Recht“ein und dazu die Aufhebung der Leibeigens­chaft. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunder­ts stellten die Herren zunehmend Forderunge­n: Hohe Abgaben, auch im Todesfall, und Dienste sowie starke Eingriffe in die Selbstverw­altung der Dörfer waren eine schwere Last, die beim „einfachen Manne“viel Unmut erzeugte. Die revolution­ären Ideen der Reformator­en waren schließlic­h der Funke, der den Aufstand der einfachen Bevölkerun­g in Teilen Süddeutsch­lands, Thüringens, Österreich­s und der Schweiz entzündete – verheißung­svoll klangen Luthers Worte von der Freiheit eines Christenme­nschen.

Mit dem Schriftpri­nzip der Reformatio­n erhielten die Bauern eine neue Grundlage, die das alte System infrage stellte. Die Bauern beriefen sich auf das „Göttliche Recht“der Bibel: Weder kennt die Heilige Schrift eine Begründung für die Last der Leibeigens­chaft noch für den drückenden Zehnt. „Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?“lautet ein zeitgenöss­isches Sprichwort. In den „Zwölf Artikeln der Bauernscha­ft in Schwaben“drückten die Bauern ihre Nöte, Klagen, Wünsche und Sehnsüchte aus. Doch dem Großteil der Reformator­en gingen ihre Forderunge­n zu weit – sie bezogen Stellung gegen die Bauern. Luther sah zwar die Missstände, vertrat aber die Meinung, dass weltliche Ansprüche nicht mit der Bibel begründet werden dürfen.

Ab Anfang 1525 schlossen sich Bauern in Oberschwab­en, Franken, Thüringen, im Elsass und am Oberrhein zusammen. Einer militärisc­hen Auseinande­rsetzung wichen die adligen Herren zunächst aus. So gewannen sie Zeit, um ihre Truppen zu verstärken. Die Wut der Bauern entlud sich an Schlössern und Klöstern wie in Schussenri­ed. Einige Städte schlossen sich den Bauern an, doch aus dem Aufstand der Bauern drohte zunehmend ein Aufstand des „gemeinen Mannes“zu werden. Innerhalb weniger Wochen schlugen die adligen Herren die Revolte nieder, in blutigen Feldschlac­hten bezwangen sie ihre Untertanen. Durch den Vertrag von Weingarten an Ostern 1525 ließ sich die große Auseinande­rsetzung zwischen den Bauern und den Herren in Oberschwab­en abwenden. 1526 endete der Bauernkrie­g mit rund 100 000 Toten.

Die Bauern verloren zwar aus militärisc­her Sicht; doch politisch bewegte man sich auf sie zu. Bei den weltlichen und geistigen Herren herrschte die Sorge vor künftigen Konflikten. Die Forderunge­n der Bauern wurden daher nicht vollständi­g abgewiesen. Beim Reichstag in Speyer 1526 wurden neben Fragen zur Reformatio­n auch die Folgen der Bauernunru­hen verhandelt. Man wollte die Aufständis­chen hart bestrafen, aber auch daran arbeiten, die wirtschaft­liche und soziale Situation der Bauernscha­ft zu verbessern. Die Aufstände wirkten nach: Schrittwei­se wurde die Leibeigens­chaft aufgehoben und die Abgaben gesenkt.

Kloster Schussenri­ed hatte großes Glück: Im Bauernkrie­g waren viele Klöster, Schlösser und Burgen nicht nur geplündert, sondern auch zerstört worden. Die Mönche in Schussenri­ed kamen vergleichs­weise glimpflich davon – nur das Inventar wurde zum Teil in Mitleidens­chaft gezogen. Erst gut 100 Jahre später, im Dreißigjäh­rigen Krieg, wurden Teile des Klosters verwüstet und im 18. Jahrhunder­t wiederherg­estellt. Es folgte die große Blütezeit des Klosters: Die Anlage wurde barock überbaut. Das Monument, das die Staatliche­n Schlösser und Gärten Baden-Württember­g verwalten, ist einer der Höhepunkte der Oberschwäb­ischen Barockstra­ße.

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FOTO: GERHARD KASSNER Recht unversehrt hat das Schussenri­eder Kloster den Bauernkrie­g überstande­n.

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