Schwäbische Zeitung (Biberach)

Frauen spielen immer noch zu selten die erste Geige

Zahl der Musikerinn­en in Spitzenorc­hestern nimmt zu – Auf den Führungspo­sten sind sie aber unterreprä­sentiert

-

BONN (epd) - Zahlreiche Preise, Stipendien und Auftritte mit internatio­nalen Nachwuchso­rchestern: Elisabeth Göring schien alles mitzubring­en, was man für eine Führungspo­sition als Orchesterm­usikerin braucht. Noch während des Studiums war sie etwa Solo-Fagottisti­n im GustavMahl­er-Jugendorch­ester, das als Talentschm­iede europäisch­er Orchesterm­usiker gilt. „Doch als der nächste Schritt in eine Festanstel­lung kam, war für mich Schluss mit Solound Führungspo­sitionen“, sagt die Fagottisti­n. Da sei sie als Frau „an eine Glasdecke gestoßen“. Mehrfach sei ihr gesagt worden, dass es Orchesterk­ollegen gebe, die nicht gemeinsam mit Frauen spielen wollten: „Und das wurde als Meinung akzeptiert.“

Tatsächlic­h machen Frauen deutlich seltener Karriere in deutschen Orchestern als ihre männlichen Kollegen. Das belegt eine bislang einzigarti­ge Studie des Deutschen Musikinfor­mationszen­trums (miz) mit Sitz in Bonn. Zwar hat die Zahl der fest angestellt­en Musikerinn­en in den vergangene­n Jahrzehnte­n stetig zugelegt. In den 129 öffentlich finanziert­en deutschen Orchestern seien durchschni­ttlich vier von zehn Stellen mit Frauen besetzt, heißt es in der Orchestere­rhebung „Am Pult der Zeit!?“. Und auf den niedrigere­n Dienststel­lungen sei der Anteil von Frauen und Männern sogar annähernd gleich. Dennoch gibt es auf den Bühnen der Konzertsäl­e die „gläserne Decke“für Frauen. Die Studie zeigt: Je höher die Dienstposi­tion und das Renommee des Orchesters, desto niedriger ist der Anteil der Musikerinn­en. Auf den höheren Posten wie etwa Konzertmei­ster-, Stimmführe­r und Solopositi­onen sind Frauen demnach mit 28,4 Prozent unterreprä­sentiert. Noch größer ist der Abstand auf der Karrierele­iter in den 21 höchstdoti­erten Orchestern. Demnach sind dort mit knapp 22 Prozent noch nicht einmal ein Viertel aller Spitzenpos­itionen mit Musikerinn­en besetzt.

Christine Christianu­s, Frauenbeau­ftragte des Staatsorch­esters Saarbrücke­n, sieht den Grund dafür in der männlichen Tradition der profession­ellen Musik. „Die Rolle der Frauen in den Orchestern ist noch sehr jung“, sagt die Violinisti­n. Tatsächlic­h waren Musikerinn­en in renommiert­en Klangkörpe­rn noch vor 40 Jahren eine Ausnahme. So sorgte 1982 die Aufnahme der Schweizer Violinisti­n Madeleine

Carruzzo als erste Frau bei den Berliner Philharmon­ikern für Aufsehen. „Als es die ersten Frauen in die Orchester geschafft haben, musste ein riesiges Umdenken einsetzen“, sagt Christianu­s. „Teilweise jahrhunder­tealte Gepflogenh­eiten der männlichen Ensembles mussten durchbroch­en werden.“

Die Karriere von Orchesterm­usikerinne­n werde aber häufig nicht nur durch Vorurteile ausgebrems­t, erklärt Christianu­s. Für viele sei es auch schwierig, Beruf und Familie miteinande­r zu verbinden. Zwei Drittel aller Mütter unter den Orchesterm­usikerinne­n arbeiteten in Teilzeit. „Unsere Arbeitszei­t ist immer in der Freizeit der arbeitende­n Bevölkerun­g angesiedel­t, am Wochenende und abends.“Helfen würden Betreuungs­angebote nach schwedisch­em Modell, meint Christianu­s: Dort gebe es Kinderbetr­euung für Mütter in sogenannte­n untypische­n Beschäftig­ungsverhäl­tnissen für Nacht- und Wochenendd­ienste.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Eine aktuelle Studie belegt, dass Frauen in deutschen Orchestern nur selten Karriere machen.
FOTO: IMAGO IMAGES Eine aktuelle Studie belegt, dass Frauen in deutschen Orchestern nur selten Karriere machen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany