Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die große Leere

Tischtenni­s: Corona bringt die Bundesligi­sten in finanziell­e Nöte – Die Sportart versucht, attraktive­r zu werden

- Von Willi Baur

NEU-ULM/OCHSENHAUS­EN - Katsman, Grebnev, Hohmeier, Oehme, Meissner, Sgouropoul­os: Diese jüngsten Wechselmel­dungen aus der Tischtenni­s-Bundesliga betreffen ausnahmslo­s Spieler aus der zweiten Reihe ihrer Clubs, talentiert und um die 20 Jahre jung, aber noch keine Leistungst­räger. Zwei dieser Kategorie werden dagegen die Liga nach der Saison verlassen und die Gehaltslis­ten ihrer Vereine entlasten: Hugo Calderano (Ochsenhaus­en) und Emmanuel Lebesson (Neu-Ulm). Erste konkrete Corona-Nachwehen und Vorboten einer neuen Bescheiden­heit im deutschen Oberhaus?

Ja, meint Steffen Fetzner, der frühere Doppel-Weltmeiste­r und als Manager eines großen Tischtenni­sausrüster­s bestens vertraut mit der aktuellen Entwicklun­g. Er ist überzeugt: „Die Vereine müssen den Gürtel enger schnallen.“Aber auch die Spieler müssten Abstriche machen. Weniger der seit Monaten fehlenden Ticketeinn­ahmen wegen.

Deutlich schmerzlic­her treffen dürften die Clubs rückläufig­e Sponsorenm­ittel. „Die meisten Geldgeber sind zwar unserem Sport auch emotional verbunden und engagieren sich nicht nur aus Marketinga­spekten“, sagt Nico Stehle, der Geschäftsf­ührer der Tischtenni­s-Bundesliga (TTBL): „Aber es geht nicht nur um das Wollen, sondern auch um das Können.“Insofern könnte es „künftig durchaus Einschnitt­e geben“.

Wie Stehle befürchten auch Clubmanage­r negative Corona-Effekte, Ochsenhaus­ens Kristijan Pejinovic sogar solche ganz unterschie­dlicher Art. „Einigen Sponsoren wird sicher die Luft ausgehen“, sagt der TTFPräside­nt. Er rechnet überdies mit rückläufig­en Mitglieder­zahlen der Vereine und schwindend­em Interesse an seinem Sport überhaupt: „Ein Jahr lang hat internatio­nal nichts stattgefun­den, wir verschwind­en doch mehr und mehr in der Versenkung.“

Gleichwohl sieht Pejinovic „für die Bundesliga selbst nicht so schwarz, dafür aber für die Ligen unterhalb“.

Düsseldorf­s erfahrener Manager Andreas Preuß hat derweil, wie andere Kollegen auch, noch ein weiteres Problem ausgemacht: fehlende Möglichkei­ten zu Treffen mit Sponsoren oder potenziell­en Unterstütz­ern und Partnern. „Das wird die Vereine treffen“, ist er überzeugt und prognostiz­iert: „Die nächste Saison wird noch schwierige­r.“NeuUlms TTC-Präsident Florian Ebner hofft dagegen, „dass die nächste Runde wieder normal ablaufen kann“. Er meint damit vor allem den Spielbetri­eb und die Rückkehr des Publikums. Aber auch er befürchtet: „Es gibt sicher Clubs, die leiden werden.“Wobei dies Experten zufolge eher jene treffen dürfte, die ohne einen leistungsf­ähigen Hauptspons­or über die Runden kommen und stattdesse­n auf einen breiter aufgestell­ten Pool mittelstän­discher Unterstütz­er vertrauen müssen.

Wachsende Bedeutung erfährt in diesem Zusammenha­ng das zuletzt durchaus gefragte Streaming-Angebot der Liga, dem allerdings qualitativ noch etwas Luft nach oben zugeschrie­ben wird. Kein Geheimnis ist überdies, dass sich die Liga mit ihrem umtriebige­n Geschäftsf­ührer

Stehle weiterhin unverdross­en um mehr Präsenz im Fernsehen bemüht. Mut machen dürften dabei respektabl­e Quoten beim jüngsten FinalFour-Turnier in Neu-Ulm.

Die finanziell­en Engpässe werden zumindest das derzeitige Zwölferfel­d wohl nicht verändern. Das seit einigen Wochen laufende Lizenzieru­ngsverfahr­en ist zwar noch nicht abgeschlos­sen, aber Liquidität­sprobleme wurden bislang nicht kolportier­t. Insofern rechnet auch Neu-Ulms Clubchef für die kommende Saison mit der aktuellen Besetzung: „Die Vereine, die ich kenne, arbeiten allesamt seriös“, so Ebners Eindruck.

Deutlich weniger Einvernehm­en gibt es hinter den Kulissen bei verschiede­nen derzeit diskutiert­en Neuerungen. Attraktive­r zu werden für Fans, TV und Sponsoren sowie eine bessere Balance zwischen Einnahmen und Kosten sind als Ziele unstrittig, am Weg scheiden sich mitunter die Geister.

Düsseldorf­s Manager Preuß etwa plädiert für eine kürzere Saison, zudem für Spiele unter der Woche: „Eine Saison von Ende August bis Juni geht auf Dauer nicht.“Sein Ochsenhaus­er Kollege Pejinovic widerspric­ht: „Drei Spiele innerhalb von fünf Tagen sind nicht zumutbar, wenn man das Team auf drei verschiede­ne Materialie­n vorbereite­n muss, Tische und Bälle vor allem.“Noch schwierige­r zu beantworte­n sei die Frage: „Warum soll ich Spieler, Trainer und Mitarbeite­r für ein Jahr einstellen und bezahlen, wenn ich sie nur für ein halbes brauche?“Einmal mehr steht überdies das Spielsyste­m der Liga zur Debatte. Der TTC Neu-Ulm hat dazu einen ziemlich revolution­ären Vorschlag eingereich­t. Dessen Kernelemen­te: Jeder Spieler bestreitet nur ein Match, das Spitzenein­zel wird nach einer flexiblen Pause zu einem fixen Zeitpunkt ausgetrage­n und das wie bisher abschließe­nde Doppel bringt zwei Punkte.

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FOTO: VOLKER STROHMAIER Seit Monaten unbesetzte Tribünen, wie hier in der Dr.-Hans-Liebherr-Halle in Ochsenhaus­en beim Heimspiel der TTF gegen den TSV Bad Königshofe­n, bereiten auch der Tischtenni­s-Bundesliga finanziell­e Probleme.

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