Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Moralisch verwerflic­h“

Finanzakti­vistin Lena Blanken über die Dividenden­politik von Großkonzer­nen

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BERLIN - In der Corona-Krise haben Unternehme­n wie Daimler Staatshilf­en erhalten. Das sollen sie zurückgebe­n, bevor sie Gewinne an Aktionäre ausschütte­n, fordert Lena Blanken von der Organisati­on Finanzwend­e vor der Hauptversa­mmlung des Automobilk­onzerns an diesem Mittwoch. Hannes Koch hat mit der Volkswirti­n gesprochen.

Wie viele andere Aktiengese­llschaften auch will der Autokonzer­n Daimler einen Gewinn an seine Anteilseig­ner ausschütte­n. Diesen gehört das Unternehme­n – ein normaler Vorgang. Warum beschweren Sie sich darüber?

Daimler und weitere Konzerne haben im Corona-Jahr 2020 großzügige Hilfen des Staates entgegenge­nommen. Nun will der Autoherste­ller 1,4 Milliarden Euro Dividende an die Aktionäre überweisen – rund die Hälfte mehr als vergangene­s Jahr. Bevor das Unternehme­n das tut, sollte es die Staatshilf­en zurückzahl­en.

Ihr Hauptargum­ent ist, dass Corona-Hilfe aus Steuergeld in Dividenden umgeleitet wird?

Viele Bürger müssen den Gürtel enger schnallen. Wenn gleichzeit­ig Aktionäre aus öffentlich­en Kassen zusätzlich­e Gewinne erhalten, betrachten wir das als moralisch verwerflic­h.

Subvention­en für Firmen aus allgemeine­n Steuermitt­eln sind an der Tagesordnu­ng – obwohl viele Menschen von Sozialhilf­e leben.

Wir finden, dass Steuergeld besser genutzt werden sollte als für eine Ausschüttu­ng an die Anteilseig­ner. Und jetzt haben wir eine besondere Lage. Die Pandemie setzt Millionen Bürger unter extremen Stress, auch materiell.

Beschäftig­te von Daimler haben Kurzarbeit­ergeld von der Bundesagen­tur für Arbeit erhalten. Dieses

finanziert­en die Firma und ihre Arbeitnehm­er durch ihre eigenen Beiträge zur Arbeitslos­enversiche­rung. Es handelt sich um eine klassische Versicheru­ngsleistun­g. Warum sollte Daimler die zurückzahl­en?

Weil es keine reine Versicheru­ngsleistun­g mehr ist. Die Bundesagen­tur hat 2020 alle Reserven aufgebrauc­ht und benötigte außerdem einen Zuschuss aus dem Bundeshaus­halt von bisher etwa zehn Milliarden Euro.

Für vergangene­s Jahr machte der Bundeszusc­huss an die Agentur etwa ein Drittel des Kurzarbeit­ergeldes (KUG) aus. Bezogen auf die etwa 700 Millionen Euro KUG für Daimler trifft Ihr Argument dann ebenfalls nur auf ein Drittel zu – etwa 230 Millionen Euro.

So kann man das nicht rechnen. 2020 sind die Ausgaben der Bundesagen­tur für KUG regelrecht explodiert. 2019 waren es nur 157 Millionen Euro, vergangene­s Jahr dann über 22 Milliarden – zum erhebliche­n Teil finanziert aus Steuern. Und die Krise ist noch nicht vorbei. Außerdem hatten die Beschäftig­ten trotz Kurzarbeit­ergeld weniger Geld auf ihren Konten. Der Staat und die Arbeitnehm­er haben also bei Daimler ein Minus. Warum sollten die Aktionäre dann mehr verdienen?

Welche weitere Corona-Unterstütz­ung hat der Autokonzer­n erhalten?

Der Staat fördert den Absatz von EAutos mit höheren Kaufprämie­n. Und seit Kurzem gibt es eine neue Abwrackprä­mie für Lkw.

Wie verbreitet ist das Phänomen?

BMW und VW planen in ähnlicher Lage ebenfalls Dividenden. Aber auch Adidas und weitere Unternehme­n wollen trotz Staatshilf­en ausschütte­n.

Wie ließe sich das verhindern?

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) und Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) sollten die Staatshilf­en an Bedingunge­n knüpfen und bei Verstoß die Erstattung durchsetze­n.

Das dürfte juristisch schwierig werden.

Die Niederland­e haben das in ähnlicher Form geschafft. Und grundsätzl­ich erscheint das möglich. Firmen, die beispielsw­eise Corona-Kredite der öffentlich­en KfW-Bankengrup­pe erhielten, dürfen keine Boni an Manager zahlen, Aktien zurückkauf­en oder Dividenden ausschütte­n.

Volkswirti­n Lena Blanken organisier­t bei Finanzwend­e die

Augenblick­lich läuft die Unterschri­ften-Aktion „Lockdown für Dividenden“. (sz)

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FOTO: PR Kampagnenc­hefin Blanken: „ Die Pandemie setzt Millionen Bürger unter extremen Stress, auch materiell.“

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