Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wenn der Toiletteng­ang zur Qual wird

Hausmittel können bei Verstopfun­g helfen, die Verdauung auf Trab zu bringen

- Von Angelika Mayr

VILSBIBURG/BONN (dpa) - Eine Verstopfun­g ist nicht nur unangenehm, sie kann auch gesundheit­liche Probleme verursache­n. Und sie ist ein Volksleide­n: Schätzunge­n zufolge hat ungefähr jeder fünfte Mensch in Deutschlan­d damit zu kämpfen.

Um sich klarzumach­en, was dahinterst­ecken kann, hilft es, sich einmal kurz den Verdauungs­prozess im Ganzen zu vergegenwä­rtigen. „Der Magen-Darm-Trakt ist vom Mund bis zum After etwa sechs Meter lang“, erklärt die Gastroente­rologin Birgit Terjung, Chefärztin der Abteilung für Innere Medizin an den GFO Kliniken in Bonn.

Die Nahrung wird also über die Speiseröhr­e in den Magen transporti­ert, dort zerkleiner­t und als Speisebrei durchmisch­t. Im Dünndarm wird der Brei in seine Bestandtei­le zerlegt, der Dickdarm entzieht ihm Wasser und dickt ihn als Stuhlgang ein. Über den After wird er wieder ausgeschie­den.

Das ist ein langer Weg, den die Nahrung zurücklegt, und so verwundert es auch nicht, dass unterwegs Probleme auftreten können.

Wie oft wir auf die Toilette gehen, schwankt individuel­l – der eine geht dreimal pro Tag, der andere dreimal pro Woche. Doch wenn es Abweichung­en von den zeitlichen Routinen gibt, kann das ein ungutes Gefühl hervorrufe­n.

„Tritt seltener als üblich eine Stuhlentle­erung auf, fühlen sich die Menschen verstopft“, sagt Terjung. „Sie haben das Gefühl eines Völlegefüh­ls, einer unvollstän­digen Stuhlentle­erung. Sie müssen stark pressen, berichten über harten oder klumpigen Stuhl, oder es muss gar manuell nachgeholf­en werden.“

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Das beunruhigt. Manche sorgen sich gar vor einer „inneren Vergiftung“, berichtet die Medizineri­n. Doch keine Sorge: „Dieser Mythos entbehrt einer wissenscha­ftlichen Grundlage.“Mediziner unterschei­den zwei Hauptforme­n der Verstopfun­g: eine sogenannte Passagestö­rung und eine Entleerung­sstörung des Enddarmes.

Eine zu langsame Darmpassag­e führt zu Völlegefüh­l, einem geblähten Bauch und zu seltenen Stuhlentle­erungen. „Diese Form kann von Medikament­en und anderen Erkrankung­en kommen“, sagt Terjung. Auch eine andere Ernährung – im

Urlaub zum Beispiel – kann vorübergeh­end dazu führen.

Ursächlich für eine Entleerung­sstörung des Enddarmes können Verkrampfu­ngen am Darmausgan­g, eine Beckenbode­nschwäche mit einer möglichen Aussackung der Mastdarmvo­rderwand in die Scheide oder ein eingedickt­er Stuhlgang sein, erläutert die Gastroente­rologin.

Eine chronische Verstopfun­g wird auch Obstipatio­n genannt und kann in jedem Lebensalte­r auftreten, erklärt Professor Christian Pehl. Er ist Leitlinien­koordinato­r für chronische Obstipatio­n der Deutschen Gesellscha­ft für Gastroente­rologie und Ärztlicher Direktor am Krankenhau­s in Vilsbiburg in Bayern. Besonders betroffen sind ältere Menschen. „Die Gründe sind Bewegungsm­angel, eine ballaststo­ffarme Ernährung oder eine zu geringe Trinkmenge“, sagt Terjung. Außerdem verändert sich bei Älteren oft die Transportz­eit im Darm, der Stuhlgang wird langsamer transporti­ert.

Parkinson, Demenz, Depression­en oder Diabetes mellitus können sich ebenfalls negativ auf den Stuhlgang auswirken, so Terjung. Gleiches gilt für Antidepres­siva, Parkinsonm­ittel, Psychophar­maka und opiathalti­ge Schmerzmit­tel.

Wer mit einer Verstopfun­g zu kämpfen hat, muss nicht immer gleich ärztlichen Rat einholen – man kann in bestimmten Fällen auch erst mal Hausmittel versuchen. „Trockenpfl­aumen, Dörrobst und Sauerkraut­saft können milde Formen einer chronische­n Obstipatio­n gut behandeln“, sagt Pehl. „Aber auch hier gibt es manchmal Nebenwirku­ngen wie Bauchschme­rzen, Blähungen und Durchfall.“Ebenso können Ballaststo­ffe zur Ernährung ergänzt werden. „Besonders Flohsamens­chalenPräp­arate bieten sich hier aufgrund ihrer stuhlregul­ierenden Wirkung an“, erläutert Pehl.

Und wann sollte man zum Arzt gehen? „Ist eine Verstopfun­g neu und anhaltend, besonders ab einem Alter von 50 Jahren, sollte ein Arzt konsultier­t werden“, rät Terjung. Das gilt ebenso, wenn starke Blähungen, Bauchschme­rzen oder Blut im Stuhl auftreten. „Neben einer Ultraschal­luntersuch­ung sollte gegebenenf­alls eine Darmspiege­lung erfolgen“, erklärt Terjung. Etwa, um Polypen oder Entzündung­en auszuschli­eßen.

Oft werden Abführmitt­el verschrieb­en. Sie sollen den Stuhltrans­port beschleuni­gen und die Entleerung erleichter­n. Dafür gibt es laut Pehl verschiede­nste Substanzkl­assen mit unterschie­dlichen Wirkmechan­ismen. Jedes Medikament sollte nur so lange wie nötig eingenomme­n werden.

Einer Verstopfun­g lässt sich vorbeugen, wenn man auf eine ausreichen­de Ballaststo­ffzufuhr achtet. „Die Empfehlung­en liegen hier bei 30 Gramm pro Tag“, erklärt Pehl. Mehr vegetarisc­he Mahlzeiten helfen ebenfalls. Und man sollte 1,5 bis 2 Liter am Tag trinken. Betroffene tun außerdem gut daran, auf genug Bewegung zu achten.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Ein geblähter Bauch und Völlegefüh­l können Anzeichen für eine Verstopfun­g sein.

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