Schwäbische Zeitung (Biberach)

Tübingen als Oase des Kino-Vergnügens

Im Rahmen des Modellproj­ekts haben die Lichtspiel­häuser geöffnet – Der Andrang ist groß

- Von Rüdiger Suchsland

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o kann es bleiben“, sagt erfreut der Tübinger Kinobetrei­ber Martin Reichart. Erstmals seit Beginn des sogenannte­n Lockdowns light im November konnte er letzte Woche sein Kino „Museum“in Tübingen wieder öffnen. Die Zahlen waren besser als erwartet: Mit mehr als 600 Besuchern in den ersten beiden Tagen seien die Vorstellun­gen ausverkauf­t gewesen – ähnlich wie am letzten Wochenende vor dem Lockdown, das sich zum besucherst­ärksten Wochenende des ganzen Jahres entwickelt­e. Ausverkauf­t heißt in diesem Zusammenha­ng, dass rund ein Drittel der Plätze belegt werden dürfen.

Ähnlich erging es den Kinos „Atelier“und „Arsenal“seines örtlichen Konkurrent­en Stefan Paul, dessen Kinos seit einer Woche konstant ausverkauf­t sind. „Die Leute haben so eine Sehnsucht, dass sie ganz froh sind, wieder ins Kino zu dürfen“, so Paul. Da er keine Hollywood-Blockbuste­r, sondern Arthouse-Produktion­en zeigte, habe er zurzeit mehr Filme im Angebot, als er vorführen könne.

Nicht nur dadurch hat sich Tübingen in der vergangene­n Woche zu einer Oase des Kino-Vergnügens und der Kultur entwickelt. „Wir setzen hier auch ein kulturpoli­tisches Zeichen, nämlich dass die Kinos, die bislang ähnlich wie die Veranstalt­er ganz unten in der Liste der Bedeutsamk­eit standen, noch da sind und existieren.“Stefan Paul bringt als Geschäftsf­ührer des Arsenal-Verleihs auch Filme bundesweit ins Kino.

Diese moderate Öffnungsst­rategie der Kulturstät­ten ist Teil des „Tübinger Modells“, mit dem Oberbürger­meister Boris Palmer gemeinsam mit der ihn beratenden Ärztin Lisa Federle und der Tübinger Universitä­t eigene Wege geht: Jeder, der einen tagesaktue­llen negativen Test vorweisen kann, erhält Zutritt mit einem Tagesticke­t.

Die Tübinger Behörden bezeichnen das Ganze als Erfolg, auch wenn die Inzidenzza­hlen steigen. Am Freitag wurde bekannt gegeben, dass das Tübinger Projekt bis Mitte April verlängert wird. Kinofans sind teilweise aus bis zu 100 Kilometer entfernten Orten nach Tübingen gekommen, um wieder einmal ein Kino besuchen zu können, so Paul. „Die Gefahr besteht, dass Tübingen überrannt wird.“

Seit Donnerstag kann Paul im Arsenal gar eine echte Deutschlan­dpremiere zeigen: „Der Rausch“vom dänischen Regisseur Thomas Vinterberg, in dem Mats Mikkelsen die Hauptrolle spielt. Der Film, der schon beim Europäisch­en Filmpreis kräftig abgeräumt hat, ist weiterhin im Oscar-Rennen und für viele der Favorit auf den Auslands-Oscar.

Damit sich Marketingk­ampagnen und bundesweit­e Neustarts wirklich lohnen, brauchen die Verleiher in den nächsten Wochen aber noch mehr Verlässlic­hkeit und vor allem weitere Städte, die sich an ähnlichen Modellproj­ekten beteiligen. Die saarländis­che Öffnungsst­rategie sei hier ein positives Signal. Die langjährig­e Bavaria-Produzenti­n Uschi Reich äußerte allerdings Bedenken in Hinsicht auf die Tests. Sie und viele Kinobetrei­ber fürchten, dass die Politik die Verantwort­ung für Tests auf die Unternehme­n abwälzen.

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FOTO: IMAGO IMAGES Im Tübinger Kino Arsenal wird Kultur erhalten. Kinogänger danken es den Betreibern.

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